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Besuch bei Johannes Hartl

Nachdem ich zahlreiche Artikel und Bücher von Johannes Hartl gelesen und viele seiner Vorträge gehört hatte, kam es zwischen mir und ihm zu einer öffentlichen Auseinandersetzung, unter anderem über YouTube. Mein Hauptkritikpunkt war, dass er durch seine Vorträge und Bücher, ohne das auch deutlich kenntlich zu machen, katholische Sonderlehren in evangelikale Kreise trägt.

In einem gegen mich gedrehten Video behauptete Johannes Hartl einerseits nur Lehren zu vertreten, die alle Christen gemeinsam hätten. Trotzdem betonte er dann zum Schluss des Films noch einmal deutlich, dass aus seiner Sicht zur Bibel immer auch die kirchliche Tradition gehöre und zur Gnade die Werke. Im Gegensatz zu seinen anfänglichen Aussagen distanzierte er sich damit ganz deutlich von den Forderungen der Reformation und stellte sich hinter die Lehren des mittelalterlichen Katholizismus.

Auf seine Einladung hin hatte ich die Möglichkeit das Gebetshaus in Augsburg zu besuchen und ausführlich mit Johannes Hartl zu sprechen. Gleich nach meiner Ankunft im Gebetshaus kam ich mit jungen evangelikalen Christen ins Gespräch, die ich bereits aus anderen Veranstaltungen kannte. Die Atmosphäre war offen und freundlich.

Bei dem rund dreieinhalbstündigen Gespräch mit Johannes Hartl ging es anfänglich um einen allgemeinen Austausch über meine und seine Arbeit. Mit gewisser Übereinstimmung haben wir dann über die geistliche Situation der deutschen Gesellschaft und Theologie gesprochen und dabei den Säkularismus, die Esoterik, die postmoderne Beliebigkeit und die Bibelkritik als glaubenszerstörende Faktoren benannt. Auch in vielen Fragen der biblischen Ethik waren wir uns einig. Sowohl Johannes Hartl als auch mir ist es wichtig, dass Menschen in Europa Jesus als ihren Erlöser kennenlernen, ihm in ihrem Alltag vertrauen und intensiver die Bibel als Wort Gottes studieren. – Johannes Hartl hatte mir dann vorgeworfen, wichtige seiner Aussagen nicht genügend berücksichtigt zu haben, die manche Aspekte meiner Kritik relativieren würden, beispielsweise seine Stellung zu Reformation.

Wie nicht anders zu erwarten gab es natürlich auch Punkte in denen Johannes Hartl und ich gar nicht einer Meinung waren:

1. Johannes Hartl meint, dass es durch die Reformation zu einer bedauerlichen Spaltung der Christenheit gekommen sei. Ich dagegen bin überzeugt, dass die Reformation eine absolut notwendige Erneuerung der Gemeinde war, auf dem Weg zurück zum Evangelium Jesu.

2. Johannes Hartl ist der Überzeugung, das Gott sich durch den Heiligen Geist auch in der Gesamtheit der  (katholischen) Kirche offenbart und dort deshalb Lehren des Glaubens rechtmäßig formuliert werden dürfen, auch wenn sie über die Bibel hinausgehen. Ich dagegen bin überzeugt, dass sich Gott lehrmäßig allein in der Bibel mitgeteilt hat und deshalb alle Praktiken und Lehren der Gemeinde an diesem Maßstab gemessen werden müssen.

3. Für mich ist die Gemeinde Jesu nicht die katholischen Kirche, sondern die unsichtbare Gemeinschaft aller wahrhaft Gläubigen über die Konfessionsgrenzen hinweg, durch die ganze Kirchengeschichte. Hier sehe ich die überzeitliche Kontinuität Gottes, nicht aber in der historischen Organisation der „katholischen Kirche“, die Johannes Hartl favorisiert.

Ich habe Johannes Hartl vorgehalten, dass er nicht wirklich ernsthaft auf seine protestantischen Kritiker eingeht; was er allerdings bestritt. Ich habe Johannes Hartl auch gesagt, dass er sich, meiner Wahrnehmung nach, deutlich von der Reformation abgrenzt, indem er beispielsweise die reformatorischen Soli (nur Gnade, Glaube, Jesus, Bibel) ganz deutlich als „falsche Engführung“ ablehnt. Johannes Hartl betonte, dass er die Reformation trotzdem als geistliche Aufbruch- Bewegung schätze, die unter anderem zu einer Korrektur der katholischen Kirche beigetragen habe. Natürlich aber sei er nicht evangelisch und betrachte einige Forderungen der Reformatoren kritisch. Ich hatte Johannes Hartl gegenüber mein Unverständnis geäußert, dass er mit dem „Mission Manifest“ eine Initiative ins Leben gerufen hat, die an einem „Comeback der (katholischen) Kirche“ arbeitet. Unter anderem wird darin gefordert, dass Menschen neben der Bibel immer auch den Katechismus der katholischen Kirche lesen sollten. Solche und ähnliche Aufforderungen sind aus meiner Sicht kein neutrales Werben für Jesus und die Bibel, sondern ein klares Werben für die katholische Kirche.

Auch in Johannes Hartls sehr positiven Erklärungen über den Wert der Heiligen, der katholischen Eucharistie, des Papstes, Marias, der katholischen Ämter und Sakramente sehe ich eine nicht deutlich kenntlich gemachte Werbung für den Katholizismus.

Ich habe Johannes Hartl gegenüber auch gesagt, dass meiner Einschätzung nach in der katholischen Kirche viel zu viel „und“ vorkommt. Neben der Bibel stehen die Dogmen des katholischen Lehramts, neben Jesus die Heiligen, als Vermittler zu Gott, neben der Gnade die Werke usw.

Mehrfach hob Johannes Hartl mir gegenüber hervor, dass es nicht seine Absicht sei, evangelikale Christen zu Katholiken zu machen. Durchaus glaubwürdig erklärte er, dass es ihm vor allem darum gehe, Menschen in der katholischen Kirche zur Bekehrung und zur Bibel zu führen. Auch äußerte Hartl, dass er manche Praktiken katholischer Volksfrömmigkeit ablehnt; ebenso die theologische Auffassung, die das Heil allein in den katholischen Sakramenten suche.

Nach meinem Gespräch mit Johannes Hartl würde ich sagen, dass durch seine Arbeit Menschen auf Jesus und die Bibel aufmerksam werden, die bisher keinen Bezug dazu hatten. Mein Eindruck, dass durch Johannes Hartl auch katholische Sonderlehren beworben werden, die über die Bibel hinausgehen, konnte allerdings nicht ausgeräumt werden.

Evangelikale Christen können sich freuen, dass sie durch „nur die Bibel“, „nur die Gnade“, „nur der Glaube“, „nur Jesus Christus“ eine ganz besondere Nähe zum Wort Gottes und zu Jesus haben, die sonst kaum anderswo zu finden ist. An diesem geistlichen Schatz sollten sie unbedingt festhalten.

Manche erwarten von mir nun ein radikales Verschweigen aller Unterschiede zwischen Johannes Hartls katholischer und meiner evangelikalen Position. Die Anderen wollen nur etwas Negatives hören. – Als Christen sollten wir uns aber an Jesus und seinen Jüngern orientieren. Jesus hat beispielsweise die geistlich problematischen Pharisäer durchaus auch gelobt, ohne sich damit gleich ganz auf ihre Seite zu stellen. Paulus hat selbst gegenüber den verkorksten Korinthern noch positive Worte gefunden ohne ihre Fehler deshalb unter den Tisch fallen zu lassen. – So ist das auch hier: In einigen Punkten bin ich durchaus einig mit Johannes Hartl. In anderen Fragen halte ich seine theologischen Aussagen und die von ihm beworbenen geistlichen Praktiken für falsch. Dabei handelt es sich nicht nur um unwichtige Nebenfragen, sondern darum, welche Rolle Gnade, Glaube, Bibel, Jesus, Papst, Heilige, Sakramente, Fegefeuer usw. im Denken und Leben des Christen spielen.

(von Michael Kotsch)

2 Antworten auf „Besuch bei Johannes Hartl“

Den Beitrag/youtube finde ich echt gut und ausgewogen. 2 Punkte scheinen mir aber noch wichtig. Man sollte von der römisch katholischen Kirche und ihren schriftwidrigen Lehren reden, denn katholisch sind alle Christen in dem Sinne, dass sie alle zur allumfassenden Gemeinde oder Kirche gehören wie ja auch schon von Ihnen gesagt. Und zweitens habe ich gewisse Schwierigkeiten, Gemeinsamkeiten mit römischen Katholiken zu finden, wenn man bedenkt, welche Entsetzlichkeiten und auf deutsch gesagt Gotteslästerungen diese nie zurückgenommenen Lehren beeinhalten, wie z.B. das Messopfer oder die Lehre von der sündlosen Maria. Ich glaube es war Luther, der hier von vermaledeitem Götzendienst gesprochen hat, ein sehr deutliches Wort. Wer würde heute so etwas dagen sagen können, ohne einen entsprechenden shitstorm auszulösen. Dass der sympathische JH Menschen auf Jesus hinweist, ist sicher richtig. Aber das tun andere auch, unmittelbar oder mittelbar. Gott kann alles gebrauchen. Auf meinem Weg zu Jesus und zum Glauben war mir zum Beispiel eine Rockmusik Platte ein Wegweiser, obwohl es hier um einen gottlosen Text von einer nicht christlichen Band ging.

Lieber Bruder Kotsch,
als evangelischer, freikirchlicher Christ bin sehr dankbar und sehr erleichtert, dass dieses Treffen wirklich stattgefunden hat. Ich hatte in der Vergangenheit sehr gelitten unter dem eher feindseligen Ton in der Auseinandersetzung mit Johannes Hartl. Ich sehe in etwa die gleichen Unterschiede in der Sache wie Du, aber ich weiß, dass Johannes‘ Herz für Jesus brennt und es ihm ein Anliegen ist, viele Menschen für Jesus zu gewinnen. Dafür stellt er „seinen“ Katholizismus doch deutlich zurück. Im Gebetshaus Augsburg sind auch mehr Protestanten als Katholiken haupt- und ehrenamtlich tätig und es wird auch niemand für den Katholizismus beworben. Das kann ich beweisen. Jedenfalls ehre ich Dich, lieber Bruder Kotsch für Deinen aufrichtigen Umgang mit Johannes Hartl. Dieser Dein Beitrag hier ist sehr wertvoll und trägt sehr dazu bei, zu kommunizieren, dass es uns nicht darum geht, als Christen gegeneinander zu arbeiten. Danke und der Herr segne Dich!

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