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Stellenausschreibung die provoziert

Wohl nur sehr selten kommt es vor, dass die simple Stellenausschreibung eines Lebensmittelmarktes zu Meldungen überregionaler Medien führt. Das schaffte nun die Anzeige eines Detmolder Supermarkts. Man sucht nach einem neuen Mitarbeiter in der Getränkeabteilung. Schnell verbreitete sich die Stellenausschreibung in den sozialen Netzwerken und schließlich auch in den großen Medien. Die meisten Kommentatoren wollten sich nicht etwa bewerben, sondern diskutierten engagiert über Stil und Andeutungen der Anzeige.

Da ist folgendes zu lesen: „Wir suchen einen Mitarbeiter für unseren Getränkemarkt in Vollzeit. (m/w/d … usw. usf.)  Du bist nicht komplett verpeilt? Du kannst eine Kiste Bier von einer Kiste Wasser unterscheiden?  Du bist in der Lage, dir morgens eine Stulle zu schmieren? Du musst nicht beim kleinsten Kratzen im Hals eine Woche krankfeiern? Du kannst die Uhr lesen und freundlich „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ sagen? Du musst nicht alle 3 Minuten eine WhatsApp schreiben oder Insta checken? Du beherrscht die Grundrechenarten und kannst dich in deutscher Sprache verständigen? Du kannst dir vorstellen 5x die Woche zu arbeiten ohne gleich an Burnout zu erkranken?“ Soweit der erste Teil der Suchanzeige, die zwischenzeitlich zu heftigen Diskussionen geführt hat.

Wahrscheinlich sollte man nach dem Lesen dieser Stellenausschreibung einfach herzhaft lachen. Eigentlich wäre das wohl ein durchaus geeigneter Beitrag fürs Kabarett. Berufliche Empörer und ideologische Sittenwächter aber schlagen wieder einmal Alarm, weil hier die Grenzen der von ihnen etablierten politischen Korrektheit verletzt werden. Ihrer festen Überzeugung nach sind an allem immer nur die Vorgesetzten Schuld, Angestellte sind natürlich nur Opfer. Der Realität entspricht ein solches Klischee selten. Kritik an schlechten Arbeitsverhältnissen ist vollkommen berechtigt und stellenweise sogar dringend nötig. Kritik an mangelnder Ausbildung oder Motivation von Angestellten aber eben auch. So etwas trifft am Ende nicht nur die bösen Kapitalisten, sondern ebenso die Kunden, die Kollegen und die Steuerzahler.

Humorlose Kritiker unterstellen bei der Stellenausschreibung gleich die Verspottung aller Angestellten, die Aushöhlung des Arbeitsrechts und die Aufforderung Krankheit zu ignorieren. Davon ist bei Licht absehen in der betreffenden Stellenanzeige natürlich nichts zu lesen. Bis zum Weihnachtsgeld, den 36 Tagen Urlaub und dem guten, sowie offensichtlich lustigen Team kommen die überkritischen Sprachwächter schon gar nicht mehr. Sie wünschen sich offensichtlich eine gleichgeschaltete, politisch korrekte Annonce, auch wenn die mit dem Alltag im Geschäft nur am Rande zu tun hat; was die meisten Bewerber natürlich längst wissen.

Einen überzeugten Gender- Kämpfer wird es sicher ärgern, wenn die diskutierte Stellenanzeige schon mit „m/w/d … usw. usf.“ beginnt. Das klingt nicht ganz danach, als ob hier das Genderprogramm so ganz ernst genommen wird. Vielleicht darf man das dem Verantwortlichen auch nicht wirklich ankreiden, weil bei der Auswahl seiner Mitarbeiter deren sexuelle Ausrichtung offensichtlich nicht von Belang ist. Dieses Augenzwinkern über eine von Oben verordnete Sexualisierung von Stellenanzeigen sollte auch nicht wirklich aufregen, sondern vielleicht eher zum Nachdenken herausfordern.

Ganz ohne Zweifel gibt es ziemlich schwierige Verhältnisse, in vielen Bereichen des Berufslebens. Manchmal ist der Lohn kaum angemessen für die geleistete Arbeit. Manchmal wird beständiger Druck auf die Angestellten ausgeübt oder man muss mit dauernder Unterbesetzung fertig werden, wie in der Pflege. Außerdem gibt es natürlich nervige Kollegen und mühsame Vorgesetzte. Das alles kann und wird häufig beklagt. Es sollten aber auch nicht gleich Empörungsstürme losbrechen, wenn mit Humor auf problematische Verhaltensweisen mancher Arbeitnehmer hingewiesen wird. Jeder, der bereits längere Zeit im Berufsleben stand, wird von Kollegen zu berichten wissen, die sich zumindest zeitweilig so verhalten haben, wie in der umstrittenen Stellenanzeige angesprochen. Natürlich gibt es Angestellte, die sich nach einem durchgefeierten Wochenende oder zwischen Feiertagen krank melden und ihre Kollegen mit der Arbeit alleine lassen. Welcher Arzt eine Krankschreibung ohne viele Diskussionen ausstellt, spricht sich schnell herum. Natürlich gibt es Mitarbeiter, die auch bei der Arbeit ständig das Handy zücken, wenn sie meinen, dass es gerade niemandem auffällt. Natürlich gibt es auch Angestellte, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, mit Terminen, Absprachen oder Rechnungen haben. Es wirkt reichlich künstlich das einfach zu ignorieren, weil man eine solche Feststellung als abwertend interpretieren kann.

Ganz gleich, wie man nun die strittigen Formulierungen einordnet, erfolgreich war die Stellenausschreibung allemal, wenn man den Betreibern des Lebensmittelmarktes glauben darf. Daraufhin bewarben sich deutlich mehr Interessenten als auf gewöhnliche, politisch korrekte Anzeigen. Aufgrund vieler freier Stellen ist momentan glücklicherweise auch niemand darauf angewiesen, in dem betreffenden Supermarkt zu arbeiten, sofern man sich am Humor eines ihrer Angestellten stört. Nicht ganz unproblematische Verhaltensweisen mancher Mitarbeiter sollten aber nicht allein schon deshalb unter den Tisch fallen, weil ideologische Gesinnungswächter das so fordern. Manchmal braucht es berechtigte Kritik an gierigen oder diskriminierenden Arbeitgebern. Ebenso aber muss auch die Kritik problematischer Verhaltensweisen von Angestellten erlaubt sein, gerade wenn sich das negativ auf ihre ganze Arbeitsumgebung auswirkt. Allein die vorgeblich richtige Ideologie ändert eben noch nicht die Realität.

Interessanterweise spricht die Bibel ganz offen über Herausforderungen des Arbeitslebens. Unter anderem werden Arbeitgeber dort aufgefordert, ihren Angestellten freundlich zu begegnen und sie angemessen zu entlohnen. Arbeitnehmer werden ermahnt, ihre Firma nicht zu bestehlen und ohne endlose Diskussionen die anstehende Arbeit zu erledigen (Tit 2, 9+10). Beide sollen ihren Beruf als Chance wahrnehmen ihren Lebensunterhalt zu verdienen, anderen Menschen ganz praktisch helfen zu können und mit ihrem Einsatz Gott zu ehren, der ihnen die notwendige Kraft und Möglichkeit geschenkt hat.

Gott spricht: „Ich werde gegen alle vorgehen, die keine Ehrfurcht vor mir haben, die ihre Arbeiter um den gerechten Lohn bringen, die Witwen und Waisen unterdrücken und die Ausländer verdrängen.“ (Mal 3,5)

(von Michael Kotsch)

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