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Corona- Enttäuschung

Aus christlicher Sicht muss man viele Ereignisse und Äußerungen rund um Corona wohl als herbe Enttäuschung betrachten. Corona hätte die Möglichkeit geboten, dass sich Christen in einer zerspaltenen und zutiefst verunsicherten Gesellschaft als Ruhepol und Hoffnungsträger erwiesen hätten. Bis auf vereinzelte, wirklich gute Aktionen ist diese Chance oftmals leider aber vertan worden. Statt mit einer eigenen, spezifisch christlichen Antwort aufzutreten, haben sich Gläubige zu einem großen Teil einfach den großen Fraktionen der Gesellschaft angeschlossen. Die einen haben sich mit mehr oder weniger Überzeugung hinter die Corona- Maßnahmen der Regierung gestellt. Die anderen wurden zu lautstarken Werbern und Verfechtern der Anti- Corona und Anti- Impf- Bewegung. Deren typische Argumente wurden bedenkenlos und zumeist ohne wirklich kritische Prüfung übernommen und dann lediglich noch durch ein paar Bibelverse ergänzt. Internet- Prediger überboten sich plötzlich in ihrem Hass auf Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Viele konsumierten deutlich mehr Anti- Corona- Videos als geistlich aufbauende Predigten. Wobei das gelegentlich nahtlos ineinander überging.

Viele Christen „missionierten“ regelrecht für die Positionen der Anti- Corona- Aktivisten. Mancher versuchte selbst noch im Krankenhaus als Corona- Patient den behandelnden Arzt davon zu überzeugen, dass die Erkrankung gar nicht gefährlich sein könne. Andere Christen hatten plötzlich keine Probleme damit, Alte und Menschen mit Vorerkrankung sterben zu lassen, statt die staatlich geforderten Schutzverordnungen zu akzeptieren.

Immer wieder konnte man erleben, wie Christen, die begründete Kritik an den manchmal plakativen Argumenten der Anti- Corona und Anti- Impf- Kampagnen zu üben wagten, öffentlich als „Impf- Nazis“, als „dumme Schafe“ oder als „Kindermörder“ beschimpft wurden. Einige Christen waren so auf ihre Anti- Corona- Positionen festgelegt, dass sie lieber gar keinen Gottesdienst besuchten als einen mit Abstand und Maske.

Internet- Prediger, die auf eine schnelle Bekanntheit aus waren, haben sich in dieser Zeit ganz besonders mit ihren Anti- Corona und Anti- Impf-Parolen hervorgetan. Das wurde ihnen auch mit viel Zustimmung und Lob honoriert. Bei mir meldeten sich dann aber auch Christen, die aufgrund dieser christlichen Propaganda depressiv und tief verzweifelt geworden sind. Einige dachten sogar daran, sich das Leben zu nehmen, weil sie vorgeblich doch mitten in einer rücksichtslosen Diktatur, einer massiven Christenverfolgung und kurz vor der Schreckensherrschaft des Antichristen leben würden. Andere Christen schlugen sich mit einem schlechten Gewissen herum, weil Internet- Prediger ihnen mit zweifelhaften medizinischen und biblischen Argumenten einreden wollten, sie hätten schwer gesündigt und hätten mit ihrer Impfung womöglich bereits das „Mal des Tieres“ angenommen. Immer wieder wurde dann auch, etwas unredlich, auf die Macht und den Schutz Gottes hingewiesen. Dabei versuchte man Gott für seine Anti- Corona und Anti- Impf- Kampagne einzuspannen; als wären Infektionsschutz und Impfung generell ein Zeichen von Unglauben.

Prediger, die ehemals ihre besondere Bibelorientierung betont und sich deutlich gegen jede Bibelkritik gewandt hatten, benutzten plötzlich selbst Strategien der Bibelkritik, um die Bibel ihrer politischen Meinung anzupassen. Da wo die Bibel beispielsweise deutlich die Unterordnung unter den Staat fordert, erklärten sie ihren Anhängern nun, das genaue Gegenteil sei richtig. Man solle aktiv gegen den Staat arbeiten. Als Rechtfertigung genüge bereits, dass man einzelne Entscheidungen der Politik als ungerecht empfinde oder, dass man das Grundgesetz anders interpretiere als Politiker und Verfassungsrichter. Pastoren, die sich früher deutlich gegen die Beliebigkeit der Postmoderne gewandt hatten, vertraten plötzlich selber postmoderne Positionen, indem sie ihre eigenen Einschätzungen der Lage unhinterfragbar über die der medizinisch, juristisch und politisch Verantwortlichen stellten. Das, was sie früher andern vorwarfen, machten sie nun selbst. Sie bearbeiteten die Bibel solange, bis sie wieder einigermaßen zu ihrer bereits feststehenden Überzeugung passte. Sie prüften nicht mehr die Argumente, sondern suchten sich lediglich die Gewährsleute, die ihnen das sagten, was sie gerne hören wollten.

Traurig ist nicht nur die schnelle Ideologisierung und Politisierung vieler Christen und der geistliche Schaden, der durch Unterstellungen und Beschimpfungen in den Gemeinden entstanden ist. Traurig ist natürlich auch der deutliche Vertrauensverlust, den Christen durch ihre oftmalige und unkritische Identifikation mit Anti- Corona und Anti- Impf- Parolen angerichtet haben. Bisher wurde Christen immer wieder vorgehalten, dass sie unwissenschaftliche für die Glaubwürdigkeit der Bibel, für schwer beweisbare Wunder oder für eine Schöpfung Gottes argumentierten würden. Zwischenzeitlich werden evangelikale Christen an vielen Orten auch pauschal als Corona- Leugner angesehen, obwohl das mit grundlegenden biblischen Überzeugungen natürlich gar nichts zu tun hat. Es wird bei ausgedehnten Anti- Corona und Anti- Impf- Diskussionen  nicht nur viel Zeit vertan, Hass geschürt und Unfrieden zwischen Christen geschaffen, sondern auch noch das Evangelium vor der Welt lächerlich gemacht.

Am Ende, das ist natürlich vollkommen klar, werden all die Internet- Prediger, die jetzt Corona- Irritation und – Aggression schüren von nichts gewusst haben. Niemand wird schlussendlich die Verantwortung für den einmal angerichteten geistlichen und gesellschaftlichen Schaden übernehmen. Die betreffenden Pastoren werden sich, sobald die Corona- Diskussionen einigermaßen vorbei ist, als Helden darstellen und einem neuen kontroversen politischen Thema zuwenden, mit dem ihnen die erhoffte Aufmerksamkeit sicher ist. Vielleicht werden sie sogar behaupten, ihre Aktivitäten hätten schwere Corona- Schäden durch Politik und Impfung verhindert. Wirklich geholfen haben die Panik- schürenden Predigten weder einzelnen Christen noch Gemeinde und schon gar nicht Menschen die in der Krise auf der Suche nach Gott waren.

Dabei hätten Christen die Corona- Zeit wirklich viel besser nutzen können. Sie hätten diese Phase dankbar als von Gott gegeben geistliche Chance wahrnehmen können. Gerade in einer gesellschaftlich aufgewühlten Zeit können sich Christen als die erweisen, die Frieden stiften, trösten und Hoffnung vermitteln, wozu sie in der Bibel auch immer wieder aufgefordert werden. Sie können sich als diejenigen etablieren, die keine wirkliche Angst um ihr Leben haben, weder vor Corona noch vor den spekulativen Nebenwirkungen einer Impfung. Sie hätten viel stärker auftreten können als Menschen, die anderen helfen, beispielsweise denen, die unter Long- Covid leiden oder denen, die Angehörige in der Corona- Pandemie verloren haben. Sie hätten Menschen tragfähige Zuversicht vermitteln können, die durch Corona- Nachrichten und Anti- Corona- Parolen schwer verunsichert waren.

Christen hätten die Corona- Zeit, in der das Internet noch viel mehr verwendet wurde, nutzen können, um glaubwürdig das Evangelium zu vermitteln, auf Vergebung der Schuld und das ewige Leben aufmerksam zu machen. Sie hätten bei Anti- Corona-Demonstrationen christliche Schriften an diejenigen weitergeben können, die in Panik und Verzweiflung waren. Sie hätten die persönlichen Beziehungen in unter Geschwistern stärken können, auch wenn keine christlichen Großveranstaltungen mehr möglich waren und andere Freizeitbeschäftigungen vorläufig eingeschränkt waren. Sie hätten die zusätzlich zur Verfügung stehende Zeit zu Gebet, Bibellesen und Nachdenken verwenden können. Sie hätten, mit dem aufgrund eingeschränkter Möglichkeiten zusätzlich verfügbares Geld, Mission und notleidende Christen in anderen Ländern der Welt massiv unterstützen können. Mache Christen haben all diese einzigartigen Chancen auch genutzt. Viele aber waren wie gelähmt oder betätigten sich in erster Line, um Angst vor der Regierung, vor Impfungen und dem Antichristen zu verbreiten.

Corona war eine von Gott zugelassene Chance und Herausforderung, die es zu nutzen galt. Kein Christ sollte sich in einer solchen Situation schnell politisieren lassen, weder in der Überwachung seiner Nachbarn oder der Bewerbung von Impfungen noch für die Propaganda der Anti- Corona und Anti- Impf- Aktivisten. Gott äußert sich bezüglich schwieriger Lebenslagen ziemlich eindeutig: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ (Röm 8, 28) „Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“ (1Thess 5, 18)

Mit etwas Abstand betrachtet wirken manche christlichen Aktivitäten der Corona- Zeit tatsächlich etwas absurd. Erst schieben manche Christen Panik, weil mit der mutmaßlichen Pflicht- Impfung gleich die Diktatur, die Christenverfolgung oder der Antichrist im Anmarsch sind. Wenn sich ihre falsche Prophezeiung dann aber nicht erfüllt, dann versuchen sie sich das auch gleich wieder zurechtzubiegen, statt einfach ihren Irrtum einzugestehen. Außerdem steckt hinter vielen Anti- Corona und Anti- Impf- Aktivitäten bei Licht besehen eine ziemlich problematische Ignoranz all den an Corona schwer Erkrankten und Verstorbenen gegenüber. Wer sich aber einmal ideologisch festgelegt hat, der kann gewöhnlich auch durch nichts mehr davon abgebracht werden.

Manche christlichen Corona- Warner produzieren auch nach ihrem Scheitern weiterhin mediale Mythen. Erst stellen sie eine biblisch und fachlich problematische Behauptung auf, die ihre Zuhörer in Angst und Schrecken treibt. Wenn diese sich dann offensichtlich nicht erfüllt, dann verbuchen sie das als ihren Erfolg, weil sie durch ihr Gebet oder ihre Warnungen das prognostizierte Schreckens- Szenario verhindern konnten. Ganz ähnlich haben auch schon viele Sekten vergangener Jahrzehnte argumentiert. Erst nenne sie beispielsweise ein konkretes Datum der sichtbaren Wiederkunft Jesu oder des Weltuntergangs. Nachdem sich das dann aber nicht erfüllte, argumentierten sie mit einer überraschenden Fristverlängerung Gottes oder dem Erfolg ihrer inständigen Bitten.

Nach diesem Rezept kann man natürlich jeden Tag zahlreiche „Wunder“ erleben. Man könnte beispielsweise behaupten, dass im nächsten Monat die Chinesen Indien mit Atomwaffen überfallen wollen oder dass die sogenannten „Welteliten“ im nächsten Jahr alles Privatvermögen zu verstaatlichen planen. Wenn das, wie zu erwarten, nicht passiert, gesteht man seine Fehlprognose nicht etwa ein, sondern lässt sich deshalb sogar noch feiern, weil man die angekündigte Katastrophe durch seine Warnungen und Gebete verhindern konnte. Dadurch werden zweifelhafte Prediger gleichzeitig zu authentischen Warnern vor einer globalen Gefahr und zu deren Überwindern. In Wirklichkeit stimmt natürlich weder das eine noch das andere. Die treuen Anhänger dieser christlichen Gurus aber werden ihnen glauben, weil es auch für sie peinlicher wäre, einen Irrtum einzusehen als weiter an dem einmal geschaffenen Mythos festzuhalten. Schon sehr bald werden diese Internet- Spekulanten, nach dem vorgeblichen „Erfolg“ in Fragen Corona und Impfung, mit neuen Warnungen vor der nächsten, unmittelbar bevorstehenden Katastrophe warnen, die wiederum „ganz klar“ von ein paar Bibelversen und einigen YouTube- Videos bewiesen würde. Anhänger dieser christlichen Gurus verzeihen ihnen fast jede falsche Prognose und Mißinterpretation.

Obwohl fast alle ihre Ankündigungen und Prognosen nicht eintrafen, fühlen sich viele Corona- Prediger als geistliche „Helden“. Dabei gab es in direktem Zusammenhang mit Corona keine Unterdrückung von Christen, im Gegensatz zu den Prognosen vieler Internet- Prediger. Ganz im Gegenteil wurden kirchliche Veranstaltungen während Corona vom Staat sogar außerordentlich bevorzugt. Es gab auch keine Computer- Chips, die heimlich implantiert wurden. Es gab keine beängstigende Sterbewelle nach Corona- Impfungen. Es gab keine Zwangs- Impfung – so etwas wurde nicht einmal ernsthaft politisch diskutiert. Einige Parteien forderten lediglich eine „Impfpflicht“. Es gab keine dauerhafte Streichung der Menschen- und Freiheitsrechte, wie von Internet-Predigern behauptet. Es gab keine totalitäre, politische Diktatur, sondern sogar einen Regierungswechsel. Es gab auch keinen erkennbaren Regierungsantritt des Antichristen.

Gerade weil Christen biblische Prophetie wirklich ernst nehmen sollten, müssen sie sich vor wilden Spekulationen und unsachgemäßer Instrumentalisierung der gerade vorherrschenden gesellschaftlichen Ängste hüten. Christen sollten sich nicht mitreißen lassen, wenn medial wieder einmal „die Welt untergeht“ oder vorgeblich zumindest die „größte Katastrophe des Jahrhunderts“ stattfindet. Christen sollten die sein, die genauer hinschauen, die sich nicht so schnell in Angst und Schrecken treiben lassen, diejenigen, die begründet Hoffnung und Trost im jeweiligen Sturm der Diskussionen verbreiten, weil sie ganz real mit Gott, mit seinem Eingreifen und seiner Gegenwart rechnen.

(von Michael Kotsch)

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