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Gott & Krieg

Viele sind überrascht, dass im aufgeklärten, modernen Europa noch immer Kriege stattfinden. Andere rechnen ganz realistisch damit, weil sie wissen, dass Bildung und Wohlstand den Menschen nicht grundsätzlich besser machen können. Zur egoistischen und gottfernen Menschheit gehören eben auch Krieg und Gewalt. Keine Bildung und keine politischen Reformen werden Kriege dauerhaft abschaffen können. Und auch Gott verhindert Kriege leider nicht immer.

Gott muss dem Menschen über sein Handeln natürlich keine Rechenschaft abgeben, auch nicht über sein Eingreifen oder Nichteingreifen bei Kriegen. Je nach dem gerade vorherrschenden Zeitgeist und der ganz persönlichen Welteinstellung erscheint Gott manchen zu sanft und anderen zu rücksichtslos. Je nach dem, worauf man sich gerade konzentriert, kann man scheinbar beides entdecken. Schlussendlich gibt es keine Erklärung für jede von Gott zugelassene oder angeordnete Gewalttat. Nie allerdings hat Gott dazu aufgefordert, Menschen allein deshalb zu töten oder zu verfolgen, weil sie nicht glauben oder weil sie einem aus anderen Gründen nicht passen. In den allgemeinen, für alle Menschen und Zeiten gültigen Regeln Gottes findet sich vielmehr die eindeutige Aufforderung „liebe deinen Nächsten“; sowohl im Alten, als auch im Neuen Testament (Mt 22, 37-39).

Trotzdem werden sündige Menschen immer scheinbar plausible Gründe dafür finden Krieg zu führen. Dabei werden die kriegerischen Handlungen gewöhnlich von entsprechenden Rechtfertigungsversuchen begleitet. Oft will man dann vorgeblich um das Recht kämpfen, um Gerechtigkeit, um die Freiheit, die Zivilisation, die Menschenrechte, um Glaubwürdigkeit oder andere scheinbar edle Werte. In Wirklichkeit aber geht es im Krieg fast immer vor allem um Macht, um das Ego der gerade regierenden Politiker, um die Aussicht auf materillen Gewinn, um die Abenteuerlust junger Männer und um Sünde. Selbst viele sogenannte „Verteidigungskriege“ sind bei Licht besehen nicht so harmlos wie sie aussehen.

Klar ist jedenfalls, dass in der ursprünglich, von Gott geschaffenen Welt kein Krieg vorgesehen war. Im Garten Eden lebten die Menschen harmonisch miteinander und auch mit Gott. Morde und Kriege begannen erst mit der grundsätzlichen Abkehr der Menschen von Gott. Seither allerdings ist die Geschichte gekennzeichnet von Gewalt und Mord.

Auch für das Ende der Zeiten hat Gott ein von ihm geführtes Friedensreich angekündigt, in dem keine Armee mehr nötig sein und Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden (Jes 2, 4). Auch ganz am Schluss der Heilsgeschichte Gottes, im sogenannten „himmlischen Jerusalem“, soll absoluter Friede herrschen, weil jede Sünde und damit auch alle Gewalt verbannt sein wird (Offb 21, 4). Das wünschen Israeliten seit Jahrtausenden, wenn sie sich mit dem hebräischen „Schalom“ (= Frieden) begrüßen. Dieser umfassende, totale Friede ist das eigentlich Ziel göttlichen Handelns. Alles andere ist aus christlicher Sicht nur eine unumgängliche, aber zeitlich begrenzte Notordnung.

In der ganzen Bibel wird schnell allerdings auch deutlich, dass Gott bis zum Erreichen des von allen ersehnten Friedens durchaus bereit ist Gewalt anzuwenden; vor allem, um böse Menschen zu stoppen und zu bestrafen. Gott setzte massive Gewalt ein, um mit der Sintflut die unmoralisch gewordene Menschheit auszulöschen. Auch später in der Geschichte Israels griff Gott verschiedentlich mit militärischer Gewalt ein. Wenn nötig, beauftragte er heidnische Könige, um sein Volk zur Ordnung zu rufen und israelische Herrscher, um selbstgerechte Völker zu demütigen (Hes 21, 6-32). Obwohl an Leiden und Ungerechtigkeit der Kriege kaum Zweifel gelassen wird, benutzt Gott in einer sündigen Welt Gewalt zumeist als letztes aber notwendiges Mittel. Die von ihm berufenen Leiter Mose, Josua, Elia, David und Salomo griffen im Auftrag Gottes zu Gewalt (4Mose 31, 2; Jos 6). Auch im Neuen Testament fordert Jesus seine Nachfolger auf, Schwerter zu kaufen (Lk 22, 36). Er selbst griff durchaus gewalttätig zur Geißel, um rücksichtslose Geschäftemacher aus dem Tempel Gottes zu vertreiben (Mt 21, 12f.). Vorbildliche Christen dienten im römischen Militär als Soldaten, ohne deshalb kritisiert zu werden (Apg 10). Wenn Jesus widerkommt, um den hinterhältigen Antichristen in die Schranken zu weisen, soll er ihn im Krieg besiegen (Offb 19, 11ff.; 20, 7-10). Gott selbst wird mehrfach in der Bibel sogar als Heerführer bezeichnet (2Mose 15, 3; Ps 24, 10).

Obwohl diese Gewalt notwendig ist, stehen dahinter Liebe und Friedfertigkeit als eigentliche Eigenschaften Gottes (2Thess 3, 16; 1Joh 4, 16). Gerade seinen größten in der Bibel beschriebenen Triumph über Hölle, Tod und Teufel erreichte Gott durch freiwilliges Leiden und Friedfertigkeit, nicht durch militärische Gewalt. Jesus ließ sich am Kreuz hinrichten, um dadurch erfolgreich die Macht des Teufels und der Sünde zu besiegen. Auch später werden die Nachfolger Jesu aufgefordert, dem Bösen mit Gutem zu begegnen, nicht mit scheinbar gerechtfertigte Gegengewalt. Feinde sollen nach Jesu Aufforderung nicht so sehr mit Gewalt bekämpft, sondern mit Liebe gewonnen werden (Röm 12, 14-21). Für eine irdische, von Sünde gekennzeichnete Logik klingt das natürlich vollkommen unsinnig. Nach Gottes Logik aber ist gerade das der weitaus bessere Weg.

Jeder der das wirklich will, findet schnell auch einen scheinbar passenden Grund für seinen Krieg oder seinen Gegenkrieg. Jeder, der dann zum Frieden aufruft, wird gerne als Träumer, als feige oder als realitätsfern bezeichnet. Und wenn am vorläufigen Ende dieser unseligen Kette der Gewalt wieder einmal viele Tausend Tote, Verstümmelte und Traumatisierte, sowie zerstörte Städte und Länder zurückbleiben, erklärt man den Menschen, dass es eben nicht anders ginge, dass man zu diesem Handeln sozusagen gezwungen worden sei. Die wahren Opfer eines Krieges sind natürlich weniger die Politiker oder Monarchen, die ihn befehlen, als vielmehr die Soldaten und Zivilisten die sterben und deren Eigentum zerstört wird. In der Berichterstattung über die Kämpfe und in der späteren, geschichtlichen Darstellung kommen diese zumeist aber nur als Zahlenmaterial vor.

Eine gottferne Pragmatik sollte für überzeugte Christen auch in der Einordnung von Kriegen nie die einzige Option sein. Immerhin zeigt die Geschichte, dass Kriege weit häufiger zu immer neuer Gewalt geführt haben, als zu längerfristigem Frieden. In manchen Fällen sind Gebet, passiver Widerstand und das Ertragen von Ungerechtigkeit für ein Land weniger zerstörerisch als ein ausgedehnter Krieg mit all seinen Schrecken.

Selten, aber durchaus erfolgreich wurden mächtige militärische Feinde durch absolut gewaltlosen Widerstand besiegt. Zu den beeindruckenden Beispielen der jüngeren Vergangenheit gehören Mahatma Gandhis Befreiung Indiens von den britischen Kolonialtruppen und der Zusammenbruch der DDR- Diktatur nach den friedlichen Montagsdemonstrationen im Jahr 1989.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Polizei und Militär für die Zeit bis zum Friedensreich Gottes verboten wären. Sie erfüllen eine unschöne aber notwendige Aufgabe. Ihre Gewalt ist von Gott legitimiert, um andere, anarchische Gewalt im Zaum zu halten (Röm 13, 1-7). Auch der Christ soll sich dieser Gewalt beugen (Mt 5, 39; 1Thess 5, 15). Allerdings ist Gewalt immer nur die vorletzte Antwort, die letzte ist die Liebe.

(von Michael Kotsch)

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