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Rumänien- Deutsche. Siebenbürger Sachsen

Seit den 1980er Jahren haben Zehntausende Rumänien- Deutsche ihre ehemalige Heimat verlassen. Über rund 800 Jahre hinweg war Transsilvanien, auch Siebenbürgen genannt,  stark deutsch geprägt. Zuerst gehörte die Region an den Karpaten zum Königreich Ungarn, später zu Österreich und seit dem Ende des 1.Weltkriegs zu Rumänien. Die ersten deutschen Siedler wurden im 12.Jahrhundert von den Ungarn zur Sicherung ihres südöstlichen Grenzgebiets angeworben, anfänglich etwa 2600 Personen. Überwiegend kamen sie aus dem flämischen Teil Belgiens, aus dem Großherzogtum Luxemburg und aus der Gegend von Köln. Sie waren katholisch und gründeten eigene Dörfer und Städte; neben den orthodoxen Rumänen, die vor allem von der Viehhaltung lebten. Später sprach man von den „Siebenbürger Sachsen“. Vor allem betätigten sie sich als Landwirte und als Handwerker. Unterstützt wurden die Einwanderer militärisch und organisatorisch durch den Deutschen Ritterorden. Schon bald brachten sie es zu einigem Wohlstand, sodass weitere deutsche Siedler nachkamen. Die Städte wuchsen; unter anderem Hermannstadt, benannt nach dem Kölner Erzbischof Hermann II., Kronstadt und Klausenburg. Viele Orte Siebenbürgens haben heute drei Namen, einen deutschen, einen rumänischen und einen ungarischen. Im Spätmittelalter waren die Deutschen so einflussreich, dass sie alle wichtigen öffentlichen Posten Siebenbürgens innehatten und in den Städten nur Deutsche als Handwerker zugelassen wurden.

Massiv bedroht wurde Siebenbürgen durch den Einfall der Tataren im 12. und 13. Jahrhundert, sowie der Türken (Osmanen) ab dem 15.Jahrhundert. Obwohl die Türken, aufgrund der starken Befestigungen, Transsilvanien nicht einnehmen konnten, musste das Land über rund 150 Jahre Tribut an die Osmanen zahlen. In dieser Periode entstanden die zu einem großen Teil bis heute erhaltenen Kirchenburgen. Mit hohen Mauern, Gräben und anderen Befestigungsanlagen wurden etwa 250 Kirchen zu regelrechten Burgen ausgebaut, in die sich die Bevölkerung vor den Angriffen der Türken zurückziehen konnte. Oft mussten sich die Menschen wochenlang mit ihrem Vieh und dem wichtigsten Besitz im ummauerten Kirchhof verbarrikadieren. Teilweise befanden sich hier auch einfache, oft an die Innenseite der Burgmauer gebaute Wohnräume. Die Kirchentürme wurden zu Wehrtürmen ausgebaut, von denen man aus die Feinde beobachten und beschießen konnte. 150 dieser Kirchenburgen sind bis heute mehr oder weniger gut erhalten geblieben. Über Jahrhunderte hinweg war Siebenbürgen eine wichtige Barriere für die islamische Expansion nach Europa.

Bereits sehr früh schlossen sich die Siebenbürger Sachsen der Reformation an. Innerhalb weniger Jahre war die Region überwiegend evangelisch- lutherisch geprägt. Als wichtige Reformatoren Siebenbürgens gelten Johannes Honterus (1498-1549) und Damasus Dürr (1535-1585). Der humanistisch gebildete Honterus war Lehrer, politischer Berater und Buchdrucker in Kronstadt (Brasov). Zeitweilig lehrte er auch in Krakau, Nürnberg und Basel. Die Durchsetzung der Reformation geht vor allem auf seine Bemühungen zurück. Außerdem organisierte er die diakonische Versorgung der Armen und Alten durch die evangelischen Gemeinden und sogenannte „Nachbarschaften“. Nach seinem Theologiestudium in Wittenberg festigte Dürr die Reformation in Siebenbürgen, insbesondere in Hermannstadt (Sibiu). Über Jahrhunderte hinweg war eine von ihm erstellte Predigtsammlung in der ganzen Region verbreitet und äußerst beliebt.

Im Gegensatz zu den langwierigen und blutigen Auseinandersetzungen in Deutschland verlief die Reformation in Transsilvanien überwiegend friedlich. Schon bald wurden hier neben den Evangelischen auch die Reformierten (Calvinisten) und die Unitarier als gleichberechtigt anerkannt. Unitarier betonten den Glauben an einen einzigen Gott. Jesus wurde von ihnen deshalb lediglich als Geschöpf angesehen und der Heilige Geist als Kraft Gottes. Im Rahmen der Reformation wurden viele Kunstgegenstände aus den Kirchen Siebenbürgens entfernt und die religiösen Wandmalereien weiß überstrichen. Die von der Bevölkerung hochangesehenen Pfarrer studierten zumeist in Wittenberg. Die geistliche Erneuerungsbewegung des Pietismus konnte sich in Transsilvanien nicht wirklich etablieren.

Zwischen 1734 und 1756 deportierten die Habsburger Herrscher Karl VI. (1685-1740) und Maria Theresia (1717-180) zahlreiche evangelische Österreicher nach Transsilvanien. Im Rahmen der Gegenreformation sollte das ganze österreichische Kernland wieder rein katholisch werden. Die sogenannten Landler verstärkten mit ihrem Zuzug den deutschsprachigen Einfluss in Siebenbürgen noch einmal deutlich. Ihnen war der von Bibel und persönlicher Frömmigkeit geprägte Glaube äußerst wichtig. Immerhin hatten sie aus diesem Grund ihre Heimat Österreich verlassen müssen. Sie trugen zu einer gewissen geistlichen Erneuerung bei.

Seit dem 18.Jahrhundert übernahm die evangelische Kirche Siebenbürgens zumeist die theologischen Modeströmungen aus Deutschland. Dominierte im 18.Jahrhundert erst noch die lutherische Orthodoxie, wurde sie schon bald von der Aufklärung verdrängt. Im 19.Jahrhundert förderten die meisten Pfarrer zuerst den Nationalismus und dann den Rationalismus. Die Betonung persönlicher Bekehrung und Frömmigkeit traten zugunsten von Tradition und vermeintlicher Modernität zurück. Im sogenannten Kulturprotestantismus engagierte sich die evangelische Kirche für eine verbesserte Bildung, den Ausbau der Technik, beispielsweise der Elektrizität und der Eisenbahn, sowie der Pflege der Kultur. Biblische Wunder, Sünde, jenseits und das stellvertretende Leiden Jesu empfand man als altmodisch. Diese Entwicklung entfremdete viele Siebenbürger Sachsen allerdings von Kirche und Glaube.

Daneben etablierte sich im 19.Jahrhundert eine Gruppe praktizierender Gläubigen, denen die Beziehung zu Jesus, Bibellesen, Gebet und gelebte Frömmigkeit besonders am Herzen lagen. Gerade in einigen kleineren Städten etablierten sich pietistisch orientierte Kreise. Außerdem entstanden einige Brüder- und Baptistengemeinden, denen ein persönlicher, alltagsbewährter Glaube wichtiger war, als die Anpassung an Modernität und Zeitgeist. Allerdings befand sich diese Gruppen in der Minderheit.

Nach dem Ende des 1.Weltkriegs, in dem sich die Deutschen Siebenbürgens dafür aussprachen, künftig nicht mehr zu Ungarn, sondern zu Rumänien zu gehören, wurde die Volksmission und die persönlicher Frömmigkeit wieder stärker hervorgehoben. Gleichzeitig etablierten sich aber auch schon in den 1920er Jahren nationalsozialistische Ideen. Sprache und Alltagsleben wurden ideologisch umgestaltet. Plötzlich legte man großen Wert auf seine möglichst reinen „deutschen Wurzeln“. Nachbarschaftsvereine und kirchliche Gruppen wurden für nationalsozialistische Vereinigungen aufgegeben. Man empfand sich als deutscher als viele Deutsche. Nach anfänglichem Zögern, arbeitete auch die Kirchenleitung eng mit den Nationalsozialisten zusammen. Einige evangelische Kirchenführer wollten sogar den ganzen christlichen Glauben „entjudaisieren“, wie sie das nannten. Jesus sollte von einem Juden in einen germanischen Helden umgedeutet werden. Die Verfolgung und Deportation der Juden betrachtete man als politische Notwendigkeit. Gegen die nationalsozialistische Ideologie positionierte sich der ehemalige Katholik und spätere Bischof der evangelischen Kirche Siebenbürgens, Viktor Glondys (1882-1945). Aufgrund des großen politischen Drucks wurde Glondys im Februar 1941 allerdings zwangsweise in den Ruhestand versetzt. An seine Stelle trat ein linientreuer, nationalsozialistisch orientierter Theologe.

Wie nicht anders zu erwarten, standen die Siebenbürger Sachsen nach der Niederlage des Nationalsozialismus unter Generalverdacht. Im sozialistischen Rumänien galten sie als Feinde. 75 000 Rumäniendeutsche wurden zur Zwangsarbeit in sowjetische Gefangenenlager gebracht. Über 10 000 starben unter den belastendenden Lebens- und Arbeitsbedingungen. Im sozialistischen Rumänen wurde Christen das Leben massiv erschwert. Die Kirche verlor einen erheblichen Teil ihres Besitzes und ihrer Mitglieder. Unter dem politischen Druck orientierte man sich wieder stärker an der Bibel und an grundsätzlichen Glaubensfragen. Die in der Nachkriegszeit in Deutschland blühende Bibelkritik fand hier nur wenige Anhänger. Allerdings bemühten sich führende Kirchenvertreter um ein gutes, gelegentlich auch sehr angepasstes Verhältnis gegenüber der diesseitig und ideologisch ausgerichteten Staatsführung.

Nach dem Ende des Sozialismus verließen fast 90 % der Siebenbürger Sachsen die Heimat ihrer Vorfahren und zogen nach Deutschland. Vor allem in der ersten und zweiten Generation pflegten sie die Verbundenheit mit Transsilvanien noch stark. Jedes Jahr zu Pfingsten treffen sich zehntausende Siebenbürger Sachsen im fränkischen Dinkelsbühl. Hier geht es nicht so sehr um Religion, sondern mehr um die Pflege der eigenen Tradition, um Folklore und das Wiedersehen von Menschen mit denen man früher einmal in demselben Ort gewohnt hat. Die Verbundenheit mit der rumänischen Heimat der Vorfahren schwindet erfahrungsgemäß mit jeder nächsten Generation. Einige Rumäniendeutsche setzten sich heute für den Erhalt der Kirchenburgen Transsilvaniens ein oder sind sogar in ihre ehemalige Heimat zurückgezogen. Eine reichhaltige Literatur informiert über Geschichte und Kultur der Deutschen in Siebenbürgen. Der momentan bekannteste Siebenbürger Sachse ist wahrscheinlich der seit 2014 amtierende rumänische Präsident Klaus Werner Johannis (geb. 1959).

Die enge Verbindung zwischen Glauben und ethnischer Herkunft ermöglichte den jahrhundertelangen Erhalt einer eigenständigen kulturellen Identität in einem fremden Land. Andererseits führte es auch zu einer nicht unproblematischen Isolation von Rumänen und Ungarn. Nach der flächendeckenden Auswanderung der Siebenbürger Sachsen blieb deshalb kaum etwas übrig von der evangelischen Religiosität. Über Jahrhunderte hinweg gab es kaum Versuche, auch Rumänen oder Ungarn für einen am Evangelium orientierten Glauben zu gewinnen. Baptisten und Brüdergemeinden hingegen erreichten eine gewisse Inkulturation des Glaubens. Ihre Gemeinden werden heute zumeist nicht mehr nur von Deutschen sondern auch von Rumänen besucht.

Ehemals kämpften Siebenbürger Sachsen für den christlichen Glauben, gegen die drohende Zwangsislamisierung. Das ließen sie sich viel kosten. In der Reformation engagierten sie sich für die Rückorientierung des Glaubens an dem Vorbild Jesu und den Lehren der Bibel. Es ist zu wünschen, dass die Nachfahren der Siebenbürger Sachsen etwas von diesem Glauben auch in einer überwiegend materialistisch orientierten Gesellschaft bewahren.

(von Michael Kotsch)

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