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In Rumänien

Gerade hatte ich die Möglichkeit einige Zeit in Rumänien zu verbringen, vor allem in Siebenbürgen oder Transsylvanien, wie die Region auch genannt wird. Dort habe ich interessante Landschaften gesehen, neue Eindrücke gesammelt und nette Menschen getroffen. Manche Begegnungen waren ziemlich überraschend, wie die mit einem meiner ehemaligen Bibelschüler mitten in Hermannstadt / Sibiu. Während der Reise hat sich einiges bestätigt, was viele in Deutschland über Rumänien denken, anders nicht. Rein geographisch fällt auf, dass Rumänien zwar zu Europa gehört, doch aber ziemlich weit von Deutschland entfernt liegt. Auf dem Herweg bin ich über Tschechien, die Slowakei und Ungarn nach Rumänien gefahren, auf der Rückfahrt durch Ungarn und Österreich. Spätestens jenseits von Budapest bemerkt man, dass sich Landschaft und Leben der Menschen nach und nach verändern.

In den großen Städten Siebenbürgens, wie Hermannstadt oder Kronstadt / Braşov ist ein Unterschied zu anderen Orten Südeuropas kaum zu bemerken. Gerade die historischen Innenstädte sind hervorragend restauriert. Viele der in ganz Europa bekannten Ladenketten bieten auch hier ihre Waren und Dienstleistungen an. Draußen vor den Städten entstehen zahlreiche Siedlungen mit modernen Neubauten. Die angebotenen Waren und deren Preise unterschieden sich nur wenig von denen in Deutschland. Das wird noch durch die Vorliebe der Siebenbürger für Lidl, Kaufland und Penny unterstützt, deren Niederlassungen man in fast jedem Ort findet. Daneben gibt es natürlich noch immer die sozialistischen Plattenbauten in denen sehr viele Menschen ihre Wohnungen haben. Auch ich habe einige Tage dort übernachtet. In den oft schön eingerichteten Wohnungen spielt das wenig ansehnliche Äußere der Häuser nur eine untergeordnete Rolle. In den meisten Plattenbauten ist es erstaunlich ruhig und sauber. Vor Dieben, Einbrüchen oder Überfällen muss man in Rumänien zwischenzeitlich weniger Angst haben als in manchen deutschen Großstädten.

Die meisten Rumänen, denen ich auf meiner Reise begegnet bin, waren freundlich und hilfsbereit. Auf persönliche Auskünfte oder Angaben im Internet kann man sich allerdings nicht immer verlassen. Ein Museum beispielsweise sollte eigentlich geöffnet sein. Als ich dort ankam, fand ich einen Zettel an der Tür, mit dem Hinweis: „Ich bin in einer halben Stunde wieder da“. Ein anderes Museum war zwar geöffnet, doch auch nach längerer Suche ließ sich niemand finden, bei dem man ein Ticket kaufen konnte. Sowohl in der Tourist- Information als auch im Internet wurde mir versichert, dass eine beliebte Passstraße geöffnet sei. Nachdem ich dann eine Dreiviertelstunde zum entsprechenden Ort fuhr, musste ich allerdings feststellen, dass die Straße noch immer gesperrt war.

Schon einige Rumänienbesucher hatten mir gegenüber von der eindrucksvollen Natur geschwärmt. Dem kann ich nur zustimmen. Auf manchen Ebenen oder in manchen Tälern ist man vollkommen von Natur umgeben. Nirgendwo sind Häuser und Straßen oder gar Fabriken zu sehen. Sobald man die größeren Orte verlässt wird man vor Bären, gelegentlich auch vor Wölfen gewarnt. Es wird dann allerdings nicht genau angegeben, wie man sich den Raubtieren gegenüber am besten zu verhalten hat. Zweimal bin ich in Rumänen tatsächlich einem Braunbären begegnet. Zu meiner Beruhigung saß ich im Auto und konnte das Tier durchs Fenster beobachten. Dabei fühlte ich mich verhältnismäßig sicher. Einige zerbrochene Mülltonnen legten nahe, dass sich Bären zeitweilig auch dort bedienen. Viel häufiger traf ich in Siebenbürgen auf wilde Hunde. Oft waren es größere Exemplare, denen man überall auf Parkplätzen, in Ortschaften, an Straßen und auch im Wald begegnen kann. Die meisten dieser Tiere haben ein struppiges Fell, manche hinken, viele sind ziemlich abgemagert. Unwillkürlich fragt man sich, wovon diese Hunde leben. Angst muss man vor ihnen normalerweise nicht haben. Fast immer waren diese Hunde friedlich und zutraulich. Manche schrecken sogar zurück, wenn man auf sie zukommt, vermutlich weil sie in der Vergangenheit schon häufiger vertrieben oder geschlagen wurden. Manche leben auch in kleinen Rudeln zusammen. In der Nähe eines kleinen Bachs, mitten in der Natur war ich einmal sogar von 14 großen Hunden umringt, die um Nahrung bettelten.

Die Straßen in Siebenbürgen sind so eine Sache. Abgesehen von der im Ausbau befindlichen Autobahn und den größeren Verbindungsstraßen befinden sich viele Wege in einem eher schlechten Zustand. Bei einer Fahrt benötigte ich schlussendlich die dreifache Zeit, weil ein längerer Teil des Weges über eine Schotterpiste verlief. Auf dem Rest der Strecke konnte ich auch höchstens 50 Stundenkilometer fahren, weil sich in der Fahrbahn immer wieder große und auch tiefe Schlaglöcher befanden, denen es rechtzeitig auszuweichen galt. Es kann durchaus auch passieren, dass plötzlich vor einem ein Pferdefuhrwerk auftaucht, und man deshalb abbremsen oder im Schritttempo weiterfahren muss. Auf größeren Straßen kann man auf Verkehrsschilder stoßen mit denen Pferdewagen verboten wird, hier zu fahren. Wenn es dann doch möglich ist, lieben Rumänen, meiner Erfahrung nach, schnelles und risikoreiches Fahren. Kaum jemand hält sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen oder an Überholverbote. Selbst durch die kleineren Ortschaften, in denen die Menschen direkt and er Straße gehen, weil es keinen Bürgersteig gibt, wird zumeist deutlich schneller gefahren als erlaubt. So wundert es kaum, dass Rumänien statistisch gesehen, die höchste Zahl von Verkehrstoten in ganz Europa hat.

Wer in Siebenbürgen, bzw. Transsilvanien heute auf die Suche nach Vampiren, insbesondere nach deren Stammvater dem Dracula geht, ist hier eigentlich an der falschen Adresse. Zwar wird er in Schäßburg / Sighișoara und in Schloss Bran groß vermarktet. Bei einer genaueren Recherche stellt sich allerdings schnell heraus, dass der Herrscher namens Vlad Țepeș, das historische Vorbild Draculas, eigentlich gar nicht hier gelebt hat, sondern weiter südlich in der Walachei. Die Behauptung, er sei in Schäßburg geboren, ist reine Spekulation. In Schloss Bran, einem der größten Besuchermagneten Siebenbürgens, war er höchstwahrscheinlich nie gewesen. Dafür aber wohnte dort die eigentlich aus Deutschland stammende Königin Maria von Rumänien. Unabhängig von der historischen Realität lässt sich Dracula aber noch immer hervorragend verkaufen.

Manchem Rumänienreisenden aus Deutschland wird die deutlich größere Bedeutung des Glaubens ins Auge fallen. Klöster und Kirchen werden in Rumänien häufiger besucht als in Deutschland. An zentralen Stellen in Dörfern und Städten wurden auch in den Letzen Jahrzehnten  noch prächtige neue Kirche gebaut, zumeist orthodoxe. An vielen Straßen und Wegen finden sich Kreuze und Heiligenbilder. Rund 55% der Bevölkerung bezeichnet sich, einer aktuellen Umfrage zufolge, als stark religiös. Tägliches Beten und regelmäßige Gottesdienstbesuche sind durchaus keine Seltenheit. Das erstaunt, vor allem wegen der jahrzehntelangen atheistischen Propaganda des ehemals sozialistischen Staates. Die eisten Rumänen sind heute orthodox. Ökumene spielt hier eine untergeordnete Rolle. Evangelische und Katholiken werden von vielen Rumänen gleichermaßen als höchst zweifelhaft, wenn nicht sogar als sektiererisch betrachtet. Die ehemals mit den in Siebenbürgen lebenden Deutschen stark verwurzelte evangelische Kirche hat zwischenzeitlich kaum noch eine öffentliche Bedeutung. Freikirchliche Gruppen, wie die Brüdergemeinde, hingegen wachsen, weil sie einen nachvollziehbaren und gelebten Glauben repräsentieren, nach dem auch viele Rumänen suchen.

Obwohl Rumänien derzeit in Deutschland nicht gerade als Urlaubsland bekannt ist, lohnt es sich hier die Ferien zu verbringen. In Rumänien gibt es kulturell viel zu entdecken, auch zahlreiche uralte Beziehungen nach Deutschland. Außerdem ist die Natur des Landes tatsächlich ziemlich beeindruckend. Darüber hinaus kann  man in Rumänen viele freundliche und interessante Menschen kennenlernen, wenn man sich erst einmal auf das Land eingelassen hat. Christen treffen hier auf andere Gläubige. Vor allem aber sollten Christen die Chance nutzen, mit schon geringen Mitteln materille Probleme der Menschen zu lindern. Gleichzeitig gilt es, nach Gott suchenden Rumänen den Zugang zu Jesus und zur Bibel zu öffnen, den sie in einer sehr traditionalistischen Kirche häufig nicht finden. Noch gibt es für den Glauben in Rumänien eine verhältnismäßig große Offenheit. Hier gilt es anzuknüpfen.

(von Michael Kotsch)

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