Das Wetter ist wohl eines der Lieblingsthemen für den täglichen Smalltalk, nicht nur in Deutschland. Dabei gibt es immer etwas zu klagen oder zu kommentieren und das ohne dabei zu persönlich oder kontrovers werden zu müssen. In den letzten Jahren aber hat sich das Wetter zu einem hochpolitischen, äußerst konfliktträchtigem Thema entwickelt. Nach der Atomkraft und der Gentechnologie haben die Ökoverbände das Wetter für sich entdeckt. Nachdem noch in den 1980er Jahren manche Wissenschaftler vor einer neuen, bald anbrechenden Eiszeit gewarnt hatten, dominiert seitdem die Angst vor der sich abzeichnenden Klimaerwärmung; korrekter vor dem Klimawandel. Relativ eindeutige Daten weisen darauf hin, dass das langfristige Klima nicht nur von Vulkanausbrüchen, Sonnenflecken und Meeresströmungen abhängig ist, sondern auch von Wasserdampf, Methan und von dem durch Menschen freigesetzten CO2. Vieles deutet auf eine Erwärmung des weltweiten Klimas um 1-3 Grad innerhalb der nächsten 50 Jahre. Das führt dann zu steigenden Meeresspiegeln, mehr Wetterextremen, an einigen Orten zu mehr an den anderen zu weniger Regen. Aufgrund dieser Veränderungen werden sich die Lebensräume von Pflanzen, Tieren und Menschen verschieben, was bei allen Betroffenen zu einer großen Herausforderung werden dürfte.
Die Reaktionen auf die mittelfristig zu erwartenden Klima- Veränderungen sind unterschiedlich. Manche versuchen sie generell zu leugnen und wollen weitermachen wie bisher. Andere stellen die negativen Folgen den positiven gegenüber und plädieren erst einmal für eine unaufgeregte Analyse. Noch andere fordern schnellstmögliche Maßnahmen zur Anpassung an veränderte Wasserstände und Temperaturen. Am häufigsten und lautesten aber ist der Ruf nach einer Klima- Revolution zu hören. Möglichst alle Lebensbereiche der Gesellschaft sollen nach Klima- Gesichtspunkten analysiert und umgebaut werden, in der Hoffnung, die Klima- Veränderung damit deutlich einzuschränken. Im Zentrum der meisten Veränderungs- Vorschläge steht die Reduktion, des vom Menschen verursachten CO2. Am besten solle die Mobilität generell drastisch eingeschränkt und alle fossilen Brennstoffe massiv verteuert werden. Alle Produkte und jedes Verhalten soll moralisch danach gewertet werden, wieviel CO2 dadurch ausgestoßen wird.
Schon jetzt hat ein regelrechter Ablasshandel um die Klima- Neutralität begonnen. In diesem Rahmen kaufen Fluggesellschaften oder Pharmafirmen Wälder in Südamerika oder finanzieren deren Aufforstung. Das von den dort wachsenden Bäumen aufgenommene CO2 darf dann beim Betrieb des eigenen Unternehmens mit gutem Gewissen wieder abgegeben werden. Selbst nicht unmittelbar erkennbare Zusammenhänge sollen in Hinsicht auf das Klima durchdacht und neu geregelt werden. Bestenfalls soll man auf Auslandsurlaube verzichten, sich höchstens noch mit Elektro- Fahrzeugen fortbewegen und keine Kinder mehr bekommen, weil auch die in ihrem Leben Waren konsumieren, zu deren Erzeugung CO2 abgegeben wird. Am besten ernährt man sich auch nur noch vegetarisch, natürlich aus der Region, um die CO2– Emissionen gründlich zu reduzieren.
Nach jahrelanger und intensiver medialer Werbung wagt kein Unternehmen, keine Person des öffentlichen Lebens und auch kein Politiker mehr, irgendwelche Kritik gegen Maßnahmen zu formulieren, die mit dem Klima begründet werden. Manche fordern bereits, dass alle politischen Entscheidungen künftig nach Klima- Gesichtspunkten beschlossen werden sollen. Es entwickelt sich ein regelrechter Katechismus von akzeptablen und nicht mehr akzeptablen Meinungen und Handlungen. Die über lange Jahre postmodern individualisierte Moral wird jetzt mit großen Schritten wieder unhinterfragbar zentralisiert. Einige Umweltverbände und Ökoaktivisten bestimmen darüber, was künftig als richtig und als falsch zu gelten hat. Kritische Diskussionen sind hier unerwünscht. Rückfragen werden als unzulässige Infragestellung allgemein zu akzeptierender Glaubensaussagen betrachtet. Allein wer die eine oder andere Maßnahme zur Erreichung der Klima- Neutralität kritisiert, der wird schnell zum Klima- Leugner abgestempelt und steht damit außerhalb der Gesellschaft, geächtet von allen zeitgemäß „guten“ Menschen.
So, wie von unseren Vorfahren in früheren Jahrhunderten nach dem Seelenheil gerungen wurde, sucht man heute nach größtmöglicher Klima- Gerechtigkeit. Wer sich hierfür einsetzt, dem sind das Ansehen und die Zustimmung der übrigen Gesellschaft sicher. Selbst begründete und berechtigte Kritik wird als unzulässig abgelehnt. Die „Helden“ der Gegenwart sind Klima- Aktivisten. Wie Heilige werden sie behandelt und hofiert. Was am Ende messbar bei der einen oder anderen Aktion herauskommt, das spielt bei dieser grundsätzlichen Wertschätzung kaum mehr eine Rolle. Zwischenzeitlich geht es weit eher darum, den neuen Megatrend nicht zu verpassen. Bei jedem Produkt und jeder Dienstleistung muss möglichst angegeben werden, inwieweit sie positiv auf das Klima wirkt; wobei auch ein Tunnelblick allein auf das klimaschädliche CO2 gerne in Kauf genommen wird.
Einige sprechen zwischenzeitlich auch schon ganz offen von der Ökologie, bzw. aktuell vom Klima- Schutz als der Religion der Zukunft, die unhinterfragbare Normen und Tabus setzt, die ihre Priester, Gottesdienste und ihren eigenen Himmel kreiert. Erreicht der Klima- Schutz erst einmal diesen Status, dann kann mit dem Hinweis auf das Klima alles begründet und gerechtfertigt werden, auch Handlungen, die bislang noch als eindeutig unmoralisch gelten. Die Natur wird zum Selbstzweck. Wer gesellschaftlich irgendetwas fordert, der muss das in Beziehung zum Klima- Schutz bringen, um überhaupt noch eine Chance zu bekommen ernsthaft gehört zu werden. Viele Menschen sind zwischenzeitlich auch bereit, schwere Opfer für ökologische Ziele in Kauf zu nehmen, sich stark einzuschränken, Freiheiten aufzugeben und feste Gewohnheiten zu verändern.
Ein deutlicher Umschwung in der öffentlichen Moral zeichnet sich ab. Mit dem Klima- Wandel werden viele Menschen wieder religiös und sind bereit, sich einer höheren Autorität zu unterwerfen. Allerdings handelt es sich hier um eine Religion ohne Gott, eine autoritäre Natur- Spiritualität. An dieser Stelle müssen Christen auf Distanz gehen, auch wenn das nicht eben zu ihrer Popularität beitragen wird. Schon der Apostel Paulus warnt deutlich vor der Tendenz, statt den Schöpfer die Schöpfung anzubeten und ihr den höchsten Rang einzuräumen (Röm 1, 18-25; vgl. Jes 44, 14-20). Natürlich sind Christen für den achtsamen Umgang mit der Natur, gerade weil sie eine Schöpfung Gottes ist. Trotzdem aber steht für sie Gott noch weit über der Natur. Letztendlich ist auch er alleine der Garant für die Zukunft der Schöpfung. Trotz aller notwendiger ökologischer Maßnahmen wird die eigene Begrenztheit anerkannt und die Relativität menschlicher Erkenntnis.
Die Vergöttlichung der Natur ist letztlich unmenschlich und wird notwendig zu menschenverachtenden Ergebnissen führen, wenn man Gott irrtümlich aus der Rechnung streicht. Ebenso lief es immer in der Weltgeschichte, wenn Menschen versuchten, ohne Gott den vorgeblichen „Himmel auf Erden“ zu schaffen; manchmal auch über zahlreiche Leichen. Eine Klima- Religion wird den Menschen langfristig schaden. Nur ein auf Gott ausgerichteter Umgang mit der Natur wird den ökologischen Problemen und dem Menschen dauerhaft gerecht.
(von Michael Kotsch)