Noch ist es gar nicht lange her, seit rechte Demonstranten in Deutschland sich einen Regierungschef vom Format des russischen Präsidenten Putin gewünscht hatten. Im Gegensatz zu westlichen Politikern stehe Putin für Stabilität, Seriosität, christlich Werte und Ehrlichkeit, war man überzeugt. Sogar konservative Christen hatten sich damals an diesen Sympathiekundgebungen für Wladimir Putin angeschlossen. So einen starken Mann wünschte man sich auch hierzulande. Gut, heute will das dann doch niemand mehr so gesagt haben. Manche werden jetzt auch entschuldigen, dass man die gegenwärtige Politik des russischen Präsidenten nicht hat vorhersehen können. Doch das ist ein offenkundiger Irrtum. Seit vielen Jahren ist sich Putin treu geblieben, in seinen Zielen und in der Art diese auch zu erreichen. Als ehemaliger Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes KGB und als ausgeprägter Machtmensch weiß er natürlich auch seine Ziele mit breit gestreuter Desinformation zu begleiten, sodass Leichtgläubige noch immer von den vorgeblich „guten Absichten“ Putins überzeugt sind.
Wer aber genauer hinsah, der konnte schon lange die Wahrheit hinter der medial aufgebauten Fassade erkennen. Als das russische Gesetz weitere Amtszeiten Putins verbot, ließ er diese Vorschriften mit einigen Winkelzügen einfach im eigenen Interesse abändern, sodass er jetzt theoretisch bis zu seinem Lebensende Präsident Russlands bleiben kann. Offiziell lässt Putin ein Propaganda- Märchen seiner großen Bescheidenheit verbreiten. Vorgeblich besäße er demnach nur zwei alte Autos, eine kleine Privatwohnung und wenige tausend Euro Bargeld. Wie verschiedene unabhängige Recherchen allerdings ergaben, hat der russische Präsident in seinen Amtszeiten aber ein Vermögen von über 40 Milliarden Euro zusammengebracht; die teilweise, wie bei westlichen Politikern auch, hinter entsprechenden Tarnfirmen versteckt sind. Jeden Oppositionsführer, der ihm gefährlich werden konnte, hat Putin entweder einsperren lassen oder ins Ausland vertrieben. Staatsunabhängige Medien wurden nach und nach bedroht oder gleich verboten, sodass heute in der russischen Öffentlichkeit fast nur noch die Stimme der Regierung zu hören ist. Freikirchliche Gemeinde, die in den 1990er Jahren noch verhältnismäßig unbehindert arbeiten konnten, werden zwischenzeitlich zunehmend eingeschränkt, unter anderem auch in ihren Verbindungen zu westlichen Christen. Damit hat Putin die Orthodoxe Kirche hinter sich gebracht, die Katholiken, Evangelische und Freikirchler zunehmend als unwillkommene Konkurrenten betrachtet.
Auch in der Außenpolitik verfolgte Putin seine machtpolitischen Ziele ohne größere Rücksicht auf die Interessen anderer Staaten. Putins Annektion der Krim erregte 2014 zumindest kurzfristig international die Gemüter. Doch verhältnismäßig schnell hatte man sich an den neuen Status Quo gewöhnt und der Protest erlahmte zunehmend. Das hat der russische Präsident offensichtlich gut in Erinnerung behalten und rechnet auch bei seiner momentanen Militäraktion in der Ukraine damit, dass sich der Sturm der Empörung ebenso rasch wieder legen wird, wenn er erst einmal Tatsachen geschaffen hat. Putin hat seine Eroberung der Ukraine offensichtlich langfristig geplant. Seit Jahren destabilisierten von Russland unterstützte und finanzierte Milizen den Osten des Landes. In diesen Regionen ließ der russische Präsident eine Marionettenregierung installieren, die ihn jetzt wie geplant zur Hilfe ruft, gegen die Ordnungskräfte des eigenen Landes. Ein solches Theater hatte auch schon Hitler gespielt, als er die Tschechoslowakei überfiel, vorgeblich um den dort lebenden Deutschen zur Hilfe zu kommen. Auch die Sowjets bedienten sich immer wieder dieses eigentlich schnell durchschaubaren Tricks; beispielsweise bei ihrer Besetzung Afghanistans. Froh war der russische Präsident, dass die westliche Welt in dieser Zeit vor allem mit Corona und mit dem Klimaschutz beschäftigt war, sodass seine Vorbereitungen weithin unbemerkt blieben.
Gerade die ersten Wochen im Februar 2022 waren im Rückblick gesehen voller wohlkalkulierter Lügen Putins. Der große Aufmarsch von russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine sei natürlich nur ein vollkommen harmloses Manöver, ließ er durch seine Medien verbreiten. Selbstverständlich wolle der russische Präsident eine friedliche Lösung des Konflikts in der Ostukraine. Alle westlichen Warnungen vor einer möglichen Kriegsgefahr seien böswillige Unterstellungen, behauptete er mit einer gut gespielten Entrüstung. Dem deutschen Bundeskanzler kündigte Putin sogar den bereits eingeleiteten Rückzug der russischen Truppen an. Zwischenzeitlich aber ist ganz offensichtlich, dass diese Militäraktion gegen die Ukraine sehr wohl genau und langfristig vorher geplant war, ganz im Gegensatz zu allen medialen Beteuerungen Putins.
Zwischenzeitlich ist deshalb aus Russland auch kaum noch etwas von einer friedlichen Lösung zu hören. Stattdessen lässt Putin sogar verbreiten, die Ukraine sei aus seiner Sicht gar kein rechtsgültiger Staat, weshalb die Einnahme dieses Landes vollkommen legitim sei. Außerdem hätten, die von ihm erst installieren und finanzierten Milizenführer ihn doch um Hilfe gebeten. Als Präsident aller Russen sei er deshalb natürlich auch verpflichtet, diesen russischsprachigen Ukrainern zur Hilfe zu kommen. Um die Freunde Russlands bei den Kämpfen nicht zu stark zu schädigen, ließ er zehntausende russenfreundliche Ukrainer vor dem Überfall in Sicherheit bringen. Putin scheint es auch gar nicht mehr zu interessieren, dass er mit seinem Einmarsch in die Ukraine das von ihm selbst mitunterzeichnete Abkommen von Minsk, zur friedlichen Lösung der Spannungen, einfach ignoriert.
Es ist mittlerweile ziemlich unglaubwürdig, wenn Putin beteuert, er wolle Frieden und fühle sich durch die NATO bedroht. Durch den Überfall auf ein Nachbarland werden sich die Beziehungen zur NATO ganz sicher nicht verbessern. Auch andere Nachbarländer Russlands, ganz besonders diejenigen mit russischen Minderheiten, werden sich jetzt verständlicherweise eher von Russland bedroht fühlen. Andere Länder entgegen selbst geschlossen Verträgen zu überfallen, ist kein Ausdruck besonderer Friedfertigkeit oder einer verständlichen Furcht vor äußerer Bedrohung. Die Ukraine jedenfalls schmiedete keine Kriegspläne gegen Russland.
Nachdem er lange von seinem vorgeblichen Friedenswillen gesprochen hatte, versucht der russische Präsident jetzt sein gewaltsames Vorgehen gegen das Nachbarland Ukraine mit einem vorgeblichen „Genozid“ an Russen zu rechtfertigen. Dabei handelt es sich um einen deutlichen Missbrauch dieses symbolträchtigen Begriffs, womit von der eigenen Gewalt abgelenkt werden soll. Von einem Massenmord an Russen in der Ukraine hat in den vergangenen Jahren jedenfalls kein einziger unabhängiger Beobachter gesprochen.
Sehr wahrscheinlich geht es Putin nicht darum, die Ukraine dauerhaft zu besetzen. Stattdessen wird er eher versuchen, alle militärischen Einrichtungen des Landes zu vernichten und in der Ukraine eine neue von ihm abhängige Regierung zu installieren, ähnlich wie in Weißrussland. Am liebsten wäre ihm sicher ein Präsident, der in Wirklichkeit als kleiner Diktator in seinem Sinne regiert.
Wladimir Putin ist natürlich nicht der schlimmste Politiker aller Zeiten. Er ist halt nur der rücksichtslose Führer eines mächtigen Landes. Das macht ihn auch für seine Nachbarn und vielleicht sogar für den Rest der Welt gefährlich. Wieder einmal zeigt sich die Realität weltlicher Herrschaft und irdischer Heilsversprechen. „Politik ist ein schmutziges Geschäft“, wie man so schön sagt. Daran ist viel Wahres, auch wenn Politiker natürlich immer das Gegenteil versprechen; vor allem, wenn es darum geht ihnen die heiß ersehnte Macht zu übertragen. Am besten haben sich deshalb politische Systeme bewährt, die Macht beschränken und sorgsam überwachen. Christen sollten vorsichtig sein, wenn sie mit politischen Versprechungen konfrontiert werden, die ihnen den Himmel auf Erden ankündigen, ganz gleich ob die von rechts oder links kommen oder aus einer anderen ideologischen Ecke. Unabhängig davon, wie moralisch, menschenfreundlich oder fortschrittlich sich Politiker auch geben, fast immer geht es ihnen vor allem um Macht, um die Neuverteilung von Einfluss und Besitz, sowie die Durchsetzung der eigenen Weltanschauung.
Ein neuer Krieg in Europa ist eine Katastrophe für alle Menschen; ganz besonders natürlich für die direkt Betroffenen. Gerade jetzt sind Christen ehrausgefordert, sich nicht ideologisch einspannen und manipulieren zu lassen. Christen müssen für alle beteiligten Politiker und Regierungen beten. Damit jetzt kein ausgedehnter, langanhaltender Krieg und keine tiefgreifende Wirtschaftskrise entstehen braucht es einen kühlen Kopf, Weisheit, die nur Gott geben kann und auch das direkte Eingreifen Gotten, um politische Machtmenschen zur Raison zu bringen. Vor allem müssen Christen für die zahlreichen direkt betroffenen Glaubensgeschwister und ihre Bewahrung beten. Außerdem beten Christen natürlich für Frieden und Vergebung, statt Hass, Gewalt und Selbstsucht, die in der Politik leider immer wieder im Vordergrund stehen. Gott aber ist der, der in jeder Frage der Weltgeschichte das letzte Wort hat. Dieses Wissen hilft, in allem Durcheinander innerlich ruhig bleiben zu können.
„Ich habe die Erde gemacht und Menschen und Tiere, die auf Erden sind, durch meine große Kraft und meinen ausgereckten Arm und ich gebe sie, wem ich will.“ (Jeremia 27, 5)
(von Michael Kotsch)