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Reinhard Hirtler. Das Herz!?

In der europäischen Kultur spielt das Herz eine außerordentliche, zumeist symbolische Rolle. Wenn man die „Hand aufs Herz“ legt, meint man es außerordentlich ehrlich. Steht man einem Menschen besonders nahe, dann grüßt man ihn „von ganzem Herzen“. Vielfach wurde das Herz als Sitz des Gefühls, stellenweise sogar der Seele betrachtet. Eine ganz besondere Rolle spielt das Herz, wenn sich ein Mensch verliebt. Tatsächlich schlägt es in der damit verbundenen Aufregung deutlich schneller. Rote Herzen sind in Europa das Symbol für Liebe und Verliebtsein. Aufgrund dieser Tradition sah man im Stillstand des Herzens lange den Todeszeitpunkt und war gegenüber einer Herztransplantation wesentlich distanzierter als bei einer Übertragung der Leber; auch wenn beide Organe  äußerst wichtig zum Überleben sind.

In der Bibel wird der hebräische, bzw. griechische Begriff für „Herz“ auch als Verstand, Sinn, Gesinnung, Mut und Aufmerksamkeit übersetzt. Fast immer geht es um etwas Geistiges, Mentales, selten um etwas Materielles oder um das Organ mit gleichem Namen; ähnlich wie bei dem biblischen, auf den Menschen bezogenen Begriff „Fleisch“.

In der biblischen Beschreibung des Menschen spielt das Herz eine wichtige Rolle. Das Herz ist eine Art Persönlichkeitskern. Manchmal wird auch von dem Wesen, dem Charakter oder der Vernunft eines Menschen als von seinem Herzen gesprochen. Die von König Salomo erbetene und von Gott geschenkte Weisheit wird dann beispielsweise im Herzen lokalisiert (1Kön 3, 12). Heute werden Verstand und Persönlichkeit anatomisch eher mit dem Gehirn in Verbindung gebracht, das in der Bibel fast nie erwähnt wird. Das biblische Herz sollte nicht schnell mit dem entsprechenden Organ verwechselt werden, wie das beispielsweise bei Reinhard Hirtler andauernd geschieht. Menschen mit einem transplantierten Herzen haben, bis auf kleine Veränderungen, noch immer dieselben Erinnerungen und dasselbe Wesen wie vorher. Wenn hingegen das Gehirn aussetzt, dann ist von der Persönlichkeit und auch von der Geistlichkeit eines Menschen nichts mehr zu erkennen. Die Seele eines Menschen und sein biblisches „Herz“ lassen sich anatomisch an kein materielles Organ binden, wie Hirtler das gerne tut. Es handelt sich hier in erster Linie um eine geistige Instanz, weshalb sie den Tod des Körpers überleben kann, wie es von Gott versprochen wurde (Lk 16, 19-31).

Überhaupt finden sich bei Hirlers Ausführungen zum Herzen zahlreiche pseudomedizinische Aussagen, die in ähnlicher Weise auch von vielen Esoterikern vertreten werden. Der Zusammenhang zwischen Psyche und Körper wird seit vielen Jahren intensiv erforscht. Bei chronischen Erkrankungen spielen psychische Faktoren oft eine wichtige Rolle. Sie ins Zentrum zu rücken, wie Hirtler das macht, ist allerdings sowohl medizinisch als auch sachlich falsch. Zum einen führen nicht nur psychische Belastungen zu körperlichen Symptomen. Es ist oft auch genau umgekehrt, dass nämlich langwierige chronische Krankheiten zu Entmutigung, Angst oder Aggression führen. Medizinische Untersuchungen gehen bei manchen chronischen Erkrankungen davon aus, dass psychische Faktoren statistisch gesehen bis zu 50% als Ursache infrage kommen.

Krebs zu einem großen Teil auf den schlechten Zustand des geistlichen Herzens, bzw. mangelnde Vergebungsbereitschaft zurückzuführen, wie Hirtler das macht, klingt zwar spektakulär, ist sachlich und biblisch allerdings nicht zu begründen. In der Bibel werden sehr verschiedene Ursachen für Krankheiten genannte, von eigener Sünde, über den Verfall einer vergänglichen Welt oder die Pädagogik Gottes bis hin zu einem Angriff des Satan. Es ist medizinisch mehrfach nachgewiesen, dass Krebs in erster Linie auf Vererbung, chemische und physische Einflüsse, sowie radioaktive Strahlung zurückgeht. Es ist doch seltsam, dass viele Menschen um das Atomkraftwerk Tschernobyl an Krebs gestorben sind, wer einige hundert Kilometer weiten wohnte aber nicht. Hatten die Mitarbeiter des Atomkraftwerks alle ein „schlechtes Herz“ oder „Probleme mit Vergebung“, wie Hirtler nahelegt? Wie sollte man mit diese Hypothese dann erklären, dass auch viele Tiere mit höherem Alter Krebs bekommen, obwohl sie nach biblischer Beschreibung weder ein spirituelles Herz haben, noch Vergebung praktizieren können.

Vollkommen zurecht verweist Hirtler darauf, dass der Mensch den Zustand seines Herzens in einem gewissen Rahmen beeinflussen kann. Das bei ihm zitierte „Gleichnis vom vierfachen Acker“ beschreibt die unterschiedliche Wirkung des Wortes Gottes auf verschiedene Menschenherzen. Alle hören dasselbe. Bei den einen passiert fast nichts, bei den anderen entsteht vielfältige, geistliche Frucht (Lk 8, 4-15). Es wird dann aber auch genau angegeben, was Menschen in dieser Situation falsch, bzw. richtig machen können. Wer nicht genau zuhört, keine Ausdauer hat, sich von Sorgen oder der Suche nach Vergnügungen ablenken lässt, bei dem kommt das Wort Gottes, nach den Aussagen Jesu, nicht zum Ziel. Wer genau das nicht macht, bei und durch den bewirkt Gott viel positive Veränderung und Frucht. An keiner Stelle aber spricht Jesus hier, wie Hirtler, von irgendwelchen Formen der Meditation. Stattdessen wird der Mensch aufgerufen, die Worte Gottes langfristig in Erinnerung zu behalten, in der Verbindung zu Jesus zu bleiben, sich nicht auf Vergnügungen und Reichtum zu konzentrieren und seine Sorgen schnell zu Gott zu bringen.

Hirtler weist berechtigterweise darauf hin, dass der Mensch aus Eigensucht und Unwilligkeit sein Herz gegenüber Gott verhärten kann, wie es die Pharisäer und Schriftgelehrten Jesus gegenüber getan haben (Lk 11, 52; Joh 12, 40). Es wird dann aber nur wenig darauf eingegangen, dass auch Gott das Herz eines Menschen verhärten kann, sodass er Gottes Reden nicht mehr wahrnimmt und jede positive Veränderung unmöglich zu sein scheint, wie beispielsweise beim Pharao, als Mose ihn um den Abzug Israels bat (2Mose 10, 1).

Das Herz des von Gott getrennten Menschen ist nach Auskunft der Bibel grundsätzlich böse, selbst wenn es fromme Gefühle entwickeln kann. „Alles, was aus Herzen des Menschen kommt, ist ja böse – von seiner frühesten Jugend an.“ (1Mose 8, 21; vgl. 6, 5) Aus diesem Grund sollte man allen Versuchen spiritueller Selbstverbesserung, wie die Esoterik sie anbietet, skeptisch gegenüberstehen.

Zu Verbesserung des Herzens schlägt Hirtler Meditation vor; in manchen seiner Predigten auch esoterische Traumreisen, in denen man dann in seinem Innern einem Phantasie- Jesus begegnet. Das alles baut auf dem methodischen Machbarkeitswahn der Esoterik auf, die geistliche Dinge mit spirituellen Übungen selbst erzeugen will. Man redet zwar von Gott, seinem Geist und der Energie, die einen positiv verändern soll. Am Ende bestimmt aber der Menschen, wie stark man sich von dieser kosmischen Energie beeinflussen lässt und was sie im eigenen Leben verändern darf. Aus biblischer Sicht fehlt hier das Entscheidende, nämlich die Auslieferung des von Sünde gekennzeichneten Eigenwillens an Gott und die Bereitschaft, das aus Gottes Hand zu nehmen, was er für einen vorgesehen hat. Stattdessen drängt man Gott dazu, das eigene Leben so glücklich, gesund und abwechslungsreich zu gestalten, wie man das für sich selbst gerne hätte. An dieser Stelle wird Gott zum geistlichen Dienstleister für den Menschen. Man meint Gott mit bestimmten Methoden zum Handeln im eigenen Sinne drängen zu können; bei Hirtler durch bestimmte Formen der Meditation.

Christen können ihr Herz aber nicht selbst programmieren oder optimieren, wie Hirtler und andere esoterische Lehrer es vorschlagen. Es geht in erster Linie darum, sich Gottes Prägung auszusetzen. In der Bibel wird der Christ auch nicht dazu aufgefordert, Bilder, Gefühle und Emotionen zu erzeugen, wie von Hirtler und in der Esoterik gefordert. Stattdessen soll der Mensch einfach Gott gehorsam sein und deutlich „nein“ zur Sünde sagen.

Es ist eine Form von Kleinglauben, den Willen und das Handeln Gottes vom Glauben des jeweiligen Menschen abhängig zu machen. Wenn Gott es wirklich will, dann handelt er auch ganz unabhängig von der eigenen, positiven Programmierung des menschlichen Herzens. Das sehen wir beispielsweise bei der Bekehrung des Saulus, der Gott gegenüber vollkommen verhärtet und sogar an der Tötung von Christen beteiligt war. Trotzdem handelt Gott mit ihm nach seinem Willen, lässt ihn Wunder und seine Gegenwart erleben, um ihn ganz grundlegend zu verändern. Esoterik fokussiert auf die spirituellen Methoden des Menschen, um geistliche Ziele zu erreichen. In der Bibel wird demgegenüber stärker das Handeln Gottes hervorgehoben, gerade wenn es um Wunder oder besondere geistliche Erfahrungen geht. Allerdings gibt es auch Aufforderungen, die sich an den Menschen richten. Dann geht es sehr oft aber um konkrete Handlungen wie Arbeiten, Helfen und Spenden oder das Unterlassen von Sünden.

Das Herz, das Gewissen, der Sinn und das ganze Wesen des Christen sollen durch den Geist Gottes umgewandelt werden. Das geschieht, indem sich ein Mensch der beständigen Prägung Gottes aussetzt, seinem Wort, der Gemeinschaft mit anderen Christen, dem Tuen des Guten, dem Gebet, dem Zurückstellen eigener Interessen usw. „Hüte dich vor den Begierden, die besonders junge Menschen gefährden! Strebe aber zusammen mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen, nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden!“ (2Tim 2, 22; vgl. Röm 12, 1+2; 1Tim 1, 5)

Hirtler konzentriert sich vor allem auf das Herz des Menschen. Dabei sind am Glauben aber ebenfalls das Gewissen, der Wille, der eigene Sinn, die Seele usw. beteiligt. Es ist auch falsch zu behaupten, dass es dem, der nicht das „richtige glaubt“ schlecht geht. Hier wird unbiblisch die egoistische Absicht eines angenehmen Lebens als Motivation für den richtigen Glauben missbraucht. Dabei klagen viele Fromme der Bibel gerade darüber, dass es ihnen äußerlich gesehen, trotz des richtigen Glaubens, schlechter geht als denen die weitgehend ohne Gott leben und damit Erfolg zu haben scheinen. „Ja, das sind die, die Gott verachten; ungestört mehren sie ihre Macht. Ganz umsonst hielt ich mein Herz rein, wusch in Unschuld meine Hände“ (Ps 73, 3.12+13) Das Streben danach, das Richtige zu glauben, ist in der Bibel eben nicht immer mit irdischem Glück und Erfolg verknüpft. Menschen mit „reinem Herzen“ wird von Jesus nicht Gesundheit und Glück versprochen, sondern lediglich Gott zu erkennen in diesem Leben und natürlich auch in der Ewigkeit (Mt 5, 8).

(von Michael Kotsch)

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