Auch noch nach mehr als 100 Jahren sollte die europaweite Katastrophe des 1.Weltkriegs erschüttern und eine tiefe Abscheu gegen jede Art von Krieg wecken. Zwischen 1914 und 1918 starben 9,5 Millionen Soldaten aller Armeen in einem letztlich sinnlosen Krieg. Weitere Millionen waren für immer psychisch und körperlich geschädigt. Darüber hinaus verloren 5,3 Millionen Zivilisten ihr Leben. Kaum zu beziffern sind die finanziellen und materiellen Schäden, die viele Staaten und weite Teile der Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs brachten.
Monatelang hatte man sich schon erbittert bekämpft und aufeinander geschossen, in der Hoffnung möglichst viele Feinde zu töten. Bei Licht besehen hatten die Soldaten natürlich nichts gegeneinander. Ihre persönliche Lebenssituation als junge Männer verband sie eigentlich sogar vielfach miteinander. Die meisten von ihnen wären ohne gesellschaftlichen Druck und politische Ideologisierung wahrscheinlich wesentlich lieber Zuhause bei Frau, Kindern, Freuden und Arbeit geblieben.
Zwischenzeitlich standen sich Deutsche, Franzosen, Engländer und Belgier in ihren Schützengräben oft weniger als 100 Meter entfernt gegenüber. Den jeweiligen Feind konnte man relativ deutlich erkennen. Aus dem vorgeblich schnell zu beendenden Krieg, den man der Bevölkerung noch im Sommer 1914 versprochen hatte, war zwischenzeitlich ein Stellungskampf geworden, bei dem sich die gegnerischen Soldaten in schlammigen Löchern und Gräben versteckten, hungerten und froren. In manchen von oben angeordneten Offensiven rannten die Soldaten ins offene Gewehrfeuer der Feinde, um nach zahlreichen Opfern hinterher vielleicht 100 Meter Geländegewinn erreicht zu haben. Und der ging bei der nächsten Gegenoffensive gewöhnlich schon wieder verloren. Am Ende des 1.Weltkriges war der Boden der Schlachtfelder von Verdun und an der Somme mit Knochen und Leichen abgeschlachteter Soldaten vieler Nationen durchsetzt und die Landschaft durch den gegenseitigen Artillerie- Beschuss regelrecht umgepflügt. Bis heute erinnern in entsprechenden Gedenkstätten Haufen von menschlichen Kochen an die äußerst verlustreichen und vollkommen unsinnigen Kämpfe.
Umso erstaunlicher ist das, was als „Wunder von Weihnachten“ in die Geschichte einging; ein Hauch von Frieden und Menschlichkeit mitten zwischen Gewalt zu Tod, ausgelöst durch die Erinnerung an die Geburt von Jesus Christus. Am Heiligabend 1914 war die Verbundenheit durch den gemeinsamen christlichen Glauben plötzlich stärker als die durch Politiker und Ideologen aufgezwungene Feindschaft.
Erst waren es nur einzelne Soldaten, die sich entschieden, wenigstens zu Weihnachten nicht mehr auf die anderen jungen Männer auf der anderen Seite der Front zu schießen. Auch Gegenüber wurde daraufhin das Gewehrfeuer schon bald eingestellt. Dann dekorierten Soldaten gut sichtbar ihre Schützengräben mit Kerzen und kleinen Christbäumen. Schließlich begannen sie sogar laut einige bekannte Weihnachtslieder zu singen. Schon bald stimmten die feindlichen Soldaten ein und man sang gemeinsam, wenn auch in verschiedenen Sprachen. Erste Soldaten wagten sich auf beiden Seiten vorsichtig aus ihren Schützengräben. Als nicht gleich auf sie geschossen wurde, trafen sie sich im Niemandsland. Gegenseitig wünschte man sich „Frohe Weihnachten“; manche umarmten sich sogar.
Überall auf einem Frontabschnitt von ungefähr 800 Kilometern spielten sich ähnliche Szenen ab. Ohne feindlichen Beschuss beerdigte man die toten Soldaten auf dem sonst heiß umkämpften Schlachtfeld. An einem Ort tauschten die Soldaten sogar kleine Geschenke aus und zeigten sich gegenseitig die Fotos ihrer Familien. An einer anderen Stelle feierten feindliche Soldaten zusammen einen Gottesdienst. Nachher aß man gemeinsam ein Improvisiertes Festmahl mit allem was dazu in den Schützengraben zu finden war. Zwischen den Granattrichtern gab es auch ein Fußballspiel deutscher gegen englische Soldaten. Viele erleben eine erstaunliche Pause des Friedens und der inneren Ruhe zwischen dem mörderischen Kampf. Ein deutscher Soldat schrieb nach Hause: „Zwischen den Schützengräben stehen die verhassten und erbittertsten Gegner um den Christbaum und singen Weihnachtslieder. Diesen Anblick werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“ Auf den Befehl kampfversessener Offiziere hin schossen die Soldaten eine Zeitlang in den Himmel, um ihre Vorgesetzten zu beruhigen, die in der unwillkommenen „Verbrüderung mit dem Feind“, eine große Gefahr für den weiteren Verlauf des Krieges befürchten.
Bis heute wirken diese Ereignisse zu Weihnachten 1914 wie ein unverständliches Wunder. Offiziere auf beiden Seiten waren zutiefst besorgt, dass die Soldaten ihren Hass und ihre Kampfbereitschaft verlieren könnten, wenn sie einmal erkannt hätten, dass die Feinde auf der anderen Seite nicht so fürchterlich und unmenschlich waren, wie man ihnen das immer eigeredet hatte. Deshalb war man äußerst erleichtert, als das Morden und Töten nach einigem Zögern Anfang Januar 1915 wieder ordentlich in Gang kam.
In den nächsten Kriegsjahren kam es nur noch sehr vereinzelt zu einem ähnlichen, kurzzeitigen Weihnachtsfrieden. Die Verbitterung an der Front und die heimische Propaganda hatten nachhaltig dafür gesorgt, dass man den jeweiligen Feind nicht mehr als Christen und oft nicht einmal mehr als Menschen betrachten wollte.
Auch heute noch können Liebe und Vergebung Hass und Gewalt beenden, wenn Menschen wirklich den Mut und die Kraft dafür aufbringen. Sowohl im Privaten, als auch im gesellschaftlichen Leben ist es häufig der weit einfachere und scheinbar naheliegendere Weg, Gewalt mit Gewalt und Hass mit Hass zu begegnen. Das ist schon fast ein Automatismus, der sich durch die gesamte Weltgeschichte zieht, auch wenn er nur selten zu einem dauerhaften Frieden geführt hat. Gott hingegen fordert in der Bibel dazu auf, das Böse mit Gutem zu überwinden (Röm 12, 21). Das beließ er auch nicht nur bei einem einfachen Appell. Er war bereit, die Feindschaft der Menschen mit seinem Leiden und seiner Liebe zu beantworten. Nur so kann es wirklichen Frieden geben zwischen Gott und Mensch ebenso wie zwischen Mensch und Mensch.
Auch heute noch könnte man in manchen persönlichen und auch politischen Konflikten ein solches „Wunder von Weihnachten“ dringend gebrauchen. Allen Betroffenen tut es gut, wenn sie ihre Feindschaft zu Gott überwinden, der ihnen Vergebung und einen echten Neuanfang anbietet. Ebenso könnte Weihnachten ein Anlas sein, Ärger und Feindschaft untereinander zu überwinden, statt immer nur bei Schuldzuweisungen und Selbstentschuldigungen stehenzubleiben. Der von Gott angeboten Friede ist eben höher als jede menschliche Logik und deutlich hilfreicher als viele psychologischen und gewohnheitsmäßigen Strategien: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.“ (Phil 4, 7)
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Krieg passt so gar nicht zu Weihnachten, dem fest von Frieden und Freude. Im Dezember 1914 standen sich in Nordfrankreich deutsche und alliierte Soldaten gegenüber. Täglich wurde aufeinander geschossen. Viele Menschen starben. Und es würde noch Millionen weitere Opfer geben, was damals aber natürlich niemand wissen konnte.
Zu Weihnachten 1914 passierte dann ein regelrechtes Wunder. Tausende Soldaten auf beiden Seiten legten ihre Waffen nieder. Sie trafen sich im Niemandsland, feierten zusammen Weihnachten und tauschten kleine Geschenke aus. – Später hatten die Generäle einige Probleme, die Soldaten wieder zum Kämpfen zu bewegen. Weihnachten kann eben wirklich Frieden bringen, wenn man sich darauf einlässt.
(von Michael Kotsch)