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In Argentinien

„Wort des Lebens“ (WDL) kennen viele in Deutschland im Zusammenhang mit Jugendfreizeiten und einer von ihnen angebotenen Jahres- Bibelschule. WDL gibt es aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern der Welt, unter anderem in Argentinien. Neben Camps für Jugendliche und Schulungen für Gemeindemitarbeiter gibt es hier eine dreijährige Bibelschule. Die meisten der rund 250 Schüler sind spanischsprachig, einige kommen auch aus den USA oder aus Deutschland. Hier kann man die Grundlagen des Glaubens vertiefen, sich  an praktischen christlichen Einsätzen beteiligen und natürlich Spanisch lernen. Außerdem bekommt man während der Zeit in Argentinien den Einblick in eine andere Kultur, was ziemlich hilfreich ist, um sich selbst besser zu verstehen. Abgesehen von der Bibelschule unterstützt „Wort des Lebens“ Argentinien Jugendarbeit und Evangelisation und unterhält eine recht erfolgreiche Einrichtung zur Drogen- Rehabilitation. 

Gerade komme ich aus Südamerika zurück. Für eine Woche habe ich an der WDL- Bibelschule in Argentinien unterrichtet, etwas mehr als zwei Autostunden von Buenos Aires entfernt. Es war eine großartige Zeit, während der ich auch in einer einheimischen Brüdergemeinde sprechen konnte. Wer daran denkt, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, um dabei eine andere Kultur  und etwas mehr von der Bibel kennenzulernen, der sollte sich das Angebot von WDL- Argentinien näher ansehen. Nebenher lernt man hier auch noch Spanisch.

Endlos ziehen sich die Vororte von Buenos Aires ins Land. An den schachbrettartig, rechtwinklig verlaufenden Straßen stehen unzählige, kleine meist nur ein oder zweistöckige Häuser. Die meisten sind durch ein hohes Gitter von der Straße getrennt. Blumen oder einen richtigen Vorgarten sucht man vergeblich. Im Vergleich zu Deutschland liegt hier mehr Müll auf dem Bürgersteig und die Straßen sind in einem schlechteren Zustand. Obwohl Argentinien eher südlich liegt, sieht man nur relativ wenige Menschen auf der Straße oder vor ihren Häusern sitzen, wie in anderen lateinamerikanischen Ländern.

Einige Argentinier gaben mir zu verstehen, dass sie mehr als die Menschen anderer Nationen zynisch reden und in gewissen Grenzen übereinander spotten. Andere Südamerikaner empfinden das dann oft als ziemlich rau und unangenehm direkt.

Vegetarier sind in Argentinien deutlich im Nachteil. Wer hingegen Fleisch mag, der kommt hier voll auf seine Kosten. Viele der eher einfach eingerichteten Restaurants bieten Gegrilltes an. Oft kann man schon im Eingangsbereich zuschauen, wie große Fleischstücke auf dem Grill schmoren. Am Tisch ist das dann die Hauptsache. Gemüse, Salat, Brot und Pommes Frites werden eher als Beilage betrachtet. Scheinbar kommt hier alles aufs Grill was lebt, bzw. gelebt hat. So wurden mir neben anderen, sehr schmackhaft zubereiteten Fleischstück auch Zunge, Hoden und Innereien vorgesetzt. Ist ein argentinisches Restaurant erst einmal besetzt, dann kann es auch sehr laut werden. Man unterhält sich engagiert, ohne große Gedanken, was man am Nachbartisch davon mitbekommt. Es kann auch vorkommen, dass plötzlich an einem Tisch laut geklatscht wird. Dann beginnen an den Nachbartischen viele andere in die Hände zu schlagen, auch wenn sie nicht genau wissen, warum.

Wirtschaftlich ist Argentinien augenblicklich eine Katastrophe. Misswirtschaft, Korruption und eine immense Inflation lähmen die Geschäftstätigkeit und haben viele Menschen gerade aus der Mittelschicht sozial abstützen lassen. Im einheimischen Peso zu sparen ist absolut ruinös, weil das Geld fast täglich an Wert verliert. Daran scheint sich momentan auch nur wenig zu ändern. Politiker, egal welcher Partei, scheuen sich vor grundsätzlichen und schmerzhaften Reformen. Stattdessen verspricht man immer neue Sozialleistungen, die aber eigentlich nicht bezahlt werden können. Zahlreiche Argentinier haben deshalb ihrem Land schon frustriert den Rücken gekehrt und suchen anderswo ihr Glück.

Wie in nur wenigen südamerikanischen Ländern ist die europäische Gender- Ideologie in Argentinien auf fruchtbaren Boden gefallen. Man eifert Europa auch nach, indem Religiosität im öffentlichen Leben strikt bekämpft und reglementiert wird.

Die meisten von mir besuchten Gemeinden waren eher klein. Ihre Mitglieder kamen aus der direkten Umgebung, der unmittelbaren Nachbarschaft der Gemeinde. Wie man mir sagt, gehören äußerlich gesehen fast alle Argentinier zur katholischen Kirche, auch wenn sie sie sie nur selten besuchen. Im Alltag aber bedeutet das nur wenig. Manche sind nebenher in seltsamen Sekten aktiv, wie in einer Gruppe, die einen Gaucho verehrt, der ähnlich wie Robin Hood, zu Lebzeiten die Reichen beraubt und die Armen beschenkt hatte (Gauchito Gil). Andere bitten den bereits in seinem ersten Lebensjahr verstorbenen Miguel Ángel Gaitán um Hilfe und Schutz. Auch okkulte Praktiken sind weit verbreitet. Katholische Gottesdienste aber sind nur selten gut besucht.

In den größeren Städten gibt es einige boomende charismatische Gemeinden, die aufgrund ihrer Musik und der Versprechen von Reichtum und Gesundheit viel Zulauf erhalten. Gleichzeitig verlassen aber auch viele Menschen diese Gruppen, weil sich deren großartige Zusagen nicht erfüllt haben. Zu den anderen, kleineren Gemeinden kommen meist die Leute aus dem jeweiligen Stadtteil. Man kennt sich untereinander. Hier trifft man freundliche und oft auch engagierte Christen. Man begrüßt sich mit einer kleinen Umarmung und mit Wangenkuss. Der Gottesdienstablauf ist einfach, ebenso die häufig ziemlich kahl wirkenden Räume. Man sagt mir, dass Argentinier sich oft schnell für etwas begeistern lassen, auch für den Glauben, dass dann aber für lange Zeit kein großes Wachstum zu erkennen ist oder man den christlichen Glauben auch schnell wieder für ein neues Angebot verlässt.

Im Vergleich zu Deutschland ist Argentinien ein riesiges Land, mit einer deutlich geringeren Bevölkerung. Fast ein Drittel der Menschen leben im Ballungsraum um die Hauptstadt Buenos Aires. Hier ist es laut, schmutzig und eng. Aber es gibt Arbeit, viele Freizeitangebote und massenweise Geschäfte. Wer auf dem Land lebt, der muss schon einmal zwei Stunden mit dem Auto fahren, um sich Kleidung oder ein neues Elektrogerät zu kaufen. Wer zwischendurch tankt, wird überrascht sein, dass das er hier zumeist von einem Tankwart bedient wird, der auch gleich am Autofenster kassiert. Auf den großen Straßen wird man regelmäßig angehalten, um Maut zu bezahlen. Anders als in Deutschland hat hier derjenige Vorfahrt, der in einen Kreisel einfährt. Es ist keine Seltenheit, dass man Autowracks oder verfallene bzw. nur halb fertiggestellte Gebäude am Rande der Straßen zu sehen bekommt. Die typisch argentinische Stadt gruppiert sich um einen quadratischen Platz mit Rathaus, Restaurants und natürlich mit einer katholischen Kirche.

Besucher aus Deutschland beeindruckt die reiche Natur Argentiniens. Jeden Morgen wurde ich gegen 5.20 Uhr von lautem Vogelzwitschern geweckt. Große Eidechsen, und wilde Hunde liefen mir regelmäßig über den Weg. Auch frei fliegende Papageien konnte ich beobachten. Das Gelände von Word of Life liegt sehr schön an einem großen See. Das ist immer wieder ein tolles Bild und gibt eine  beeindruckende Atmosphäre. Allerdings sieht man niemanden baden oder schwimmen. Das Wasser ist ziemlich schmutzig und um eine Verbesserung der Verhältnisse kümmert sich hier niemand, ebenso wie um andere Maßnahmen zum Umweltschutz. Natürlich ist das in einem deutlich ärmeren Land auch immer etwas heikel, denn irgendjemand muss das am Ende ja auch bezahlen.

Um nicht noch mehr Mittel abfließen zu lassen subventioniert der Staat den Urlaub im eigenen Land. Zweifellos gibt es hier auch wirklich viel zu sehen. Im Norden ist es tropisch warm und im Süden kann es empfindlich kalt werden. Argentinien hat eine weite steppenähnliche Landschaft und an anderen Stellen beeindruckende Berge.

Viele Argentinier sind absolut Fußballbegeistert, wie man mir immer wieder sagt. Als das Land bei einer Weltmeisterschaft gegen Deutschland verloren hatte, stand das öffentliche Leben eine Zeitlang still. Manche kamen nicht einmal zur Arbeit andere weinten. Momentan aber steht es um den Fußball eher gut, sind die Argentinier überzeugt.

(von Michael Kotsch)

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