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Mennoniten in Paraguay

Paraguay ist ein in Europa nicht so bekannter Staat in Südamerika. Das Land grenzt an Bolivien, Argentinien und Brasilien. Von der Fläche her ist Paraguay etwa 10% größer als Deutschland, obwohl hier nur 7,5 Millionen Menschen leben. Offiziell werden Spanisch und die Indianersprache Guarani gesprochen. Im weltweiten Vergleich gesehen ist der Bildungsstand in Paraguay relativ hoch. Die Lebenserwartung liegt bei 78 Jahren und damit nur drei Jahre hinter Deutschland.

Die vor 500 Jahren in der Reformation entstandene Gruppe der Mennoniten wurde über lange Zeit hinweg wegen ihres Glaubens verfolgt. Aus diesem Grund flohen sie im 18.Jahrhundert über Preußen nach Russland, wo man ihnen Religionsfreiheit zusicherte. Viele siedelten im Gebiet der heutigen Ukraine und bildeten kulturell und wirtschaftlich weitgehend selbstständige Kolonien. Aufgrund neuer Einschränkungen und politischer Unsicherheiten verließen viele Mennoniten während des 19.Jahrhunderts Russland und zogen nach Kanada. Die in Russland Verbleibenden wurden vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs nach Sibirien und in andere östliche Landesteile der Sowjetunion deportiert. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus kamen sehr viele Mennoniten nach Deutschland. In Manitoba und Saskatchewan / Kanada entwickelten sich während des 19.Jahrhunderts weitgehend autonome und wirtschaftlich erfolgreiche Mennoniten- Kolonien. Staatliche Eingriffe zu Beginn des 20.Jahrhunderts, unter anderem im Schulwesen, empfanden viele Mennoniten als unzulässigen Eingriff in ihre Religionsfreiheit und sahen sich deshalb nach einem neuen Siedlungsgebiet um.

1919 besuchte eine mennonitische Delegation Paraguay und meinte im Chaco, einer Savannengegend in der Mitte des Landes, ein geeignetes Siedlungsgebiet gefunden zu haben. Paraguay war offen für neue Siedler und erließ das bis heute gültige Gesetz 514. Darin wird den Mennoniten die Befreiung vom Wehrdienst, die Führung eigener deutscher Schulen, eine weitgehend autonome Verwaltung und Rechtsprechung, absolute Religionsfreiheit, sowie die Möglichkeit weiterer Zuwanderung garantiert. Daraufhin kauften die auswanderungswilligen Mennoniten große Ländereinen im Chaco. 1926/27 kamen die ersten 1743 Siedler in Paraguay an. Aufgrund der zugesicherten, aber noch immer fehlenden Eisenbahnverbindung in den Chaco und ohne andere gangbare Weg, verbrachten die Mennoniten eineinhalb Jahre in provisorischen Lagern in Puerto Casado, wo 10% der Siedler an Krankheiten und schlechten Lebensbedingungen starben. 1200 Aussiedler erreichten schließlich den Chaco und gründeten 1927 die Kolonie Menno mit ihrer Hauptstadt Loma Plata.

Die ersten Jahrzehnte waren außerordentlich hart, weil man erst mit den neuen klimatischen und landwirtschaftlichen Bedingungen zurechtkommen musste. Aus Glaubensgründen lebte man hier ziemlich isoliert, was jeden Transport, Bildung und Handel deutlich erschwerte. Dazu kamen Krankheiten und die harte körperliche Arbeit. Erschwerend waren auch die allgemeine Skepsis gegenüber neuen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, sowie gegenüber höherer Bildung und ein Festhalten an zahlreichen, zum Teil einengenden religiösen Traditionen. Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten verließen viele Mennoniten in den 1950er Jahren Paraguay und kehrten zurück nach Kanada oder nach Deutschland.

Das ab 1955 angepflanzte, nordamerikanische Büffelgras bildete die Voraussetzung für eine erfolgreiche Viehhaltung. In den 1980er Jahren wurden Milchwirtschaft und Rinderzucht ausgebaut und modernisiert. Zwischenzeitlich gehören die Mennoniten- Kolonien Menno, Fernheim und Neuland zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Regionen Paraguays, weshalb sich hier auch immer mehr Menschen niederlassen. Die Reform und Ausweitung des Schulwesens, sowie eine nachhaltige geistliche Erneuerung trugen maßgeblich zum Wachstum der ehemals eher traditionellen Kolonien bei. Die in einer Kooperative zusammengeschlossen Landwirte erzeugen einen Großteil der paraguayischen Rindfleisch- und Milch- Produkte. Vieles wird mittlerweile auch international vermarktet. Mennoniten gründeten eine eigene Krankenkasse, ein Krankenhaus, ein Lehrerseminar, eine weiterführende Schule, ein Altenheim, einen Radiosender, eine Krankenpflegeschule, eine theologische Ausbildungsstätte und weitere Einrichtungen des öffentlichen Lebens. Heute finden in Loma Plate und den Nachbarkolonien regelmäßig Schulungen, Konzerte, Theateraufführungen und Vorträge statt.

1965 wurde die Ruta Trans-Chaco, die Verbindungsstraße nach Asunción, gebaut, wodurch die Kolonien Menno, Fenheim und Neuland mit dem Rest des Landes in Verbindung stehen. Derzeit wird diese Straße vierspurig ausgebaut. Darüber hinaus verfügt Loma Plata über einen kleinen Flughafen. Mit rund 7500 Quadratkilometern ist alleine die Kolonie Menno etwa halb so groß wie die Bundesländer Thüringen oder Schleswig Holstein.

In direkter Nachbarschaft befinden sich die mennonitischen Kolonien Fernheim und Neuland, die kurze Zeit nach Menno von aus Russland und Deutschland ausgewanderten Mennoniten gegründet wurden. In vielen Bereichen arbeiten die mehrheitlich von Mennoniten bewohnte Kolonie Menno und die eher von Mennoniten- Brüdergemeinden bewohnten Nachbar- Kolonien heute durchaus gut zusammen.

Zu Anfang des 20.Jahrhunderts wohnten rund 600 Lengua- Indianer im Gebiet der heutigen Kolonie Menno. Von Anfang an lebten mennonitische Eiwanderer und Indigene friedlich und in gegenseitiger Kooperation zusammen. Aufgrund der, durch die Mennoniten deutlich verbesserten Lebensverhältnisse wohnen heute in der Region mehr als 25 000 Indigene. Auch verschiedene andere Stämme sind deshalb zugezogen. Viele Indianer verstehen und sprechen neben ihrer eigenen Sprache das bei Mennoniten gebräuchliche Plattdeutsch.

In einer gemeinsamen, 1961 gegründeten Kooperative arbeiten Mennoniten und Indigene gleichberechtigt zusammen. Im Bereich von Landwirtschaft, Krankenversorgung und Bildung leisten die Mennoniten wichtige Entwicklungsarbeit für die indigene Bevölkerung. Durch die Bemühungen mennonitischer Missionare sind zwischenzeitlich einige selbstständige indianische Gemeinden entstanden. Deren Leiter werden kultursensibel in einer eigenen Bibelschule ausgebildet. Man steht zumeist in einer freundschaftlichen Verbindung zu den Mennoniten und den ebenfalls durch deren Missionsarbeit initiierten spanischsprachigen Gemeinden der Region.

Heute umfasst die Kolonie Menno rund 100 Dörfer und der Hauptstadt Loma Plata mit rund 13 000 Einwohnern. In Menno wohnen neben 9000 Mennoniten zahlreiche Indigene und spanischsprachige Paraguayer, die sich hier aufgrund der relativ guten Arbeits- und Lebensbedingungen niedergelassen haben. Auch wenn sich nicht alle Kinder aus mennonitischen Familien zu den Überzeugungen ihrer Vorfahren bekennen, spielt der christliche Glaube für die meisten hier lebenden Mennoniten noch immer eine große Rolle. Fast alle sind in einer der vielen mennonitischen Gemeinden engagiert, die gute Beziehungen nach Kanada und nach Deutschland unterhalten.

Mennoniten aus Paraguay helfen den sogenannten Altkoloniern in Bolivien und Mexiko ihre sehr traditionsorientierte und rückwärtsgewandte Lebensweise zu verändern. Zehntausende Mennoniten leben in diesen Ländern, weitgehend abgeschieden vom Rest der Bevölkerung, nach überkommenen Regeln, die einen lebendigen Glauben an Jesus Christus und die persönliche Verwurzelung in der Bibel deutlich überdeckt haben. Oftmals spielen Kleider- und Verhaltensregeln sowie eine ausgeprägte Technikfeindschaft eine weitaus wichtigere Rolle, als die Vergebung der Schuld durch Jesus Christus und das verantwortliche Christenleben im Alltag. Mennoniten helfen hier ganz praktisch bei der Bewältigung des Alltags und durch eine Rückorientierung am Evangelium der Bibel.

Wer heute nach Paraguay reist, der sollte auch die Kolonien der Mennoniten im Chaco besuchen, vor allem, wenn er als Christ unterwegs ist. Hier wird er auf freundliche, hilfsbereite und am christlichen Glauben orientierte Menschen treffen, sowie ihre vielfältige Lebenswelt kennenlernen. Man kann hoffen, dass ihr Glaube auch zukünftig weder durch Traditionalismus noch durch Materialismus beeinträchtigt wird.

(von Michael Kotsch)

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