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Mit Leidenschaft!?

Wer heute nur einfach seine Arbeit tut, der ist deutlich von gestern. Die Werbewirtschaft hat die „Leidenschaft“ entdeckt. Zwischenzeitlich hat jeder, der etwas auf sich hält, Leidenschaft für das was er will oder tut. Der Verkäufer im Supermarkt hat Leidenschaft für Lebensmittel. Der Bauer auf dem Milchkarton beteuert die Leidenschaft für seine Kühe. Wer bei Google nach „Leidenschaft“ und ähnlichen Formulierungen sucht, der stößt sofort auf viele tausend Verweise. Die „Arcasa Wohnbau“ beteuert: „Bauen ist unsere Leidenschaft!“. „WMV Apparatebau GmbH & Co. KG“ wirbt: „Technik ist unsere Leidenschaft!“. Eine Kellerei lässt ihre Kunden wissen: „Wein ist unsere Leidenschaft!“ Bei einem nächsten Shop ist zu lesen: „Naturbelassene Säfte sind unsere Leidenschaft!“ Irgendwie ist es ja schön, dass gegenwärtig alle, die auf der Höhe der Zeit sind, ihre Arbeit „mit Leidenschaft“ machen. Manchen beschleichen bei so viel Leidenschaftlichkeit gewisse Zweifel. Unwillkürlich fragt man sich natürlich,  wie all diese Personen, Verkäufer, Politiker und Prediger früher gearbeitet hatten, ehe sie ihre Leidenschaft entdeckten und, ob heute wirklich alle mit totaler Begeisterung bei der Sache sind, auch wenn gerade niemand zuschaut oder Beifall klatscht.

Offensichtlich soll Leidenschaft hier etwas Positives vermitteln, ein besonderes Interesse, ein außergewöhnliches Engagement. Bei dem allzu häufigen Gebrauch der Leidenschaft entleert sich der Begriff allerdings zusehends. Jeder, der etwas an den Mann bringen will, beteuert zwischenzeitlich Leidenschaft für sein Produkt oder seine Dienstleistung.

Auch im christlichen Umfeld hat die Leidenschaft längst Einzug gehalten. Missionare wollen mir Öko- Kakao aus Südamerika verkaufen, der natürlich auch mit Leidenschaft hergestellt wurde. Lobpreisleiter werten ihre Aufgabe auf, weil sie vorgeblich eine besondere Leidenschaft für Musik haben. Irgendwie seltsam, dass ich bisher nichts von einer Leidenschaft für Verfolgung um des Glaubens willen oder Leidenschaft für den Kampf gegen die Sünde gehört habe. Scheinbar entdecken auch Christen zunehmend ihre Leidenschaft für die beliebten und angenehmen Dinge des Lebens, zumindest aus der Perspektive des momentanen Zeitgeistes.

Es lässt sich auch noch eine andere Gesetzmäßigkeit beobachten: Je teurer ein Produkt ist, desto stärker wird auf die Leidenschaft hingewiesen mit der es produziert und verkauft wird. Man kauft sozusagen die Leidenschaft als positiven Faktor gleich mit. Ganz besonders betrifft das beispielsweise Öko- Waren und Fair- Trade- Produkte.

Um den Gedanken der Leidenschaft zu verstärken werden, heute gewöhnlich kleine Geschichten erzählt, von dem alten Bauern Willi, dem man zufällig begegnet ist, dem Indianer im Amazonasurwald oder der Sozialarbeiterin in den Slums von Kalkutta. Die betreffende Person muss natürlich grundsätzlich positive Assoziationen auslösen; scheinbar ohne irgendwelche tieferen Interessen, allein ihrer ehrenvollen Aufgabe ergeben. Mit solchen Geschichten, die es zwischenzeitlich für fast jedes höherpreisiges Produkt gibt, steigt das gute Gefühl, Teil dieser reinen, engagierten Welt zu werden, wenn man die betreffende Ware kauft oder die Idee dahinter unterstützt. Solche, meist etwas klischeehaften Geschichten, entbinden von der Notwendigkeit das eigene Produkt oder die beworbene Idee wirklich gut begründen zu müssen. Denn wer will schon auf den Euro schauen oder etwas kritisieren, wenn es um das Wohlergehen von Bauer Willi oder die verarmten Kinder von Kalkutta geht. Die wirklichen Zusammenhänge werden dann fast nur noch verschwommen dargestellt, weil durch eine genauere Erklärung der emotionalisierende Effekt der Geschichte schnell wieder zunichte gemacht werden könnte.

Wer in der Bibel blättert, dem fällt schnell auf, dass „Leidenschaft“ hier gelegentlich auch einen deutlich negativen Beigeschmack hat. Paulus schreibt in diesem Zusammenhang: „Darum tötet alles, was zu eurer irdischen Natur gehört: sexuelle Unmoral, Schamlosigkeit, Leidenschaft, böse Lüste und Habgier, die Götzendienst ist.“ (Kol 3, 5) Leidenschaftlich ist jemand, der von seiner Lust, seinem unmittelbarem Empfinden getrieben wird und nicht vom Geist Gottes oder der Weisheit. Leidenschaft reißt den Menschen mit sich, oft zu einem unüberlegten oder sogar unmoralischen Handeln (Hl 8, 6). In manchen Bibelübersetzungen wird dann auch der Begriff „Eifer“ für „Leidenschaft“ verwendet. Menschen oder Gott eifern um eine Sache oder Person. Es ist ihnen nicht gleichgültig. Sie kümmern sich darum, mit ganzem Einsatz. Wie man diesen Eifer, die Leidenschaft konkret bewertet, hängt dann natürlich immer wesentlich davon ab, für was genau man sich so begeistert engagiert.

Leidenschaft ist offensichtlich kein prinzipiell positiver Begriff, selbst wenn man ihn mit besonders motiviertem Engagement verbindet. Denn natürlich kommt es dann ganz darauf an, auf was sich die Leidenschaft richtet und mit welchen Mitteln man das Ziel der Leidenschaft zu erreichen versucht. Wer aus Leidenschaft für ein schönes Auto Geld unterschlägt, handelt aus Gottes Sicht falsch. Wer aus Leidenschaft zur Musik andere Aspekte des geistlichen Lebens vernachlässigt, der ist nach Auskunft der Bibel ebenfalls auf einem schlechten Weg. König Salomo beispielsweise distanzierte sich aufgrund seiner Leidenschaft für hübsche Frauen zunehmend von Gott und öffnete das Land für den Götzendienst.

Eine Welt ohne Gott meint in der Leidenschaft etwas von der verlorengegangenen Echtheit und festen Überzeugung wiedergefunden zu haben, die mit der Verabschiedung vom Glauben verschwand. Leidenschaft ist für viele Menschen so etwas wie Lebenserfüllung. Dabei kommt es schon kaum noch darauf an, worauf man seine Leidenschaft richtet. Vorgeblich geht es alleine darum, „seinem Herzen zu folgen“, sich an seinen Gefühlen und Vorlieben zu orientieren. Eine biblische Perspektive ist das natürlich nicht. Wird das Herz des Menschen und seine Leidenschaft nicht nach den Maßstäben Gottes geprüft und gereinigt, dann kann man mit voller Begeisterung auf einen ziemlich problematischen Weg geraten, selbst wenn sich das eigenen Engagement natürlich irgendwie noch mit einigen frommen Begriffen verbinden lässt. Plötzlich investieren sich Christen ganz für den Sport, für ihre Lieblingsmusik, für Reisen oder für intellektuelle Diskussionen, nur weil es ihnen Spaß macht. Nur weil man aber vorgeblich „mit Jesus“ Kaffee trinkt, tanzt oder Yoga macht, dann wird diese Leidenschaft sogar noch als positiv interpretiert.

Dabei klammere ich einmal aus, dass „Leidenschaft“ heute sowieso schon fest in den Händen der Werbestrategen liegt und lediglich zur Erzeugung einer positiven Assoziation benutzt wird, die eine gewünschte Kaufentscheidung oder politische Ausrichtung begünstigen soll. Deshalb gibt es auch unter Christen viel „Leidenschaft“ für Kunst, Musik, Tanz, Zeit mit Freunden und an der eigenen Karriere, aber nur wenig Leidenschaft für das Leiden um Jesu willen, dafür ein heiliges Leben zu führen oder möglichst vielen Menschen begeistert von Jesus zu erzählen. Der eigenen  Lust oder dem Trend der Zeit zu folgen, ist aus geistlicher Sicht kein generell positiver Wert. Positiv verstandene Leidenschaft hat in der Bibel selten damit zu tun, dass man seinen frommen oder weniger frommen Hobbys nachgeht, sondern damit, sich in einer unfrommen Welt beherzt und langfristig gegen die Sünde und für Gott einzusetzen (vgl. Jes 42, 13; Röm 12, 11; 2Kor 8, 16). Mit Leidenschaft ruft Gott die Menschen zur Umkehr. Er ist aber auch bereit, mit Leidenschaft strafend gegen Leute vorzugehen, wenn sie nicht auf ihr zerstörerisches Handeln verzichten (Hes 5, 13; 35,11; Sach 8, 2).

Von Jesus heißt es: „Der Eifer (die Leidenschaft) um dein Haus wird mich verzehren.“ (Joh 2, 17)

 „Natürlich ist es immer gut, sich für einen guten Zweck zu bemühen (Leidenschaft), und das auch nicht nur, wenn ich bei euch bin.“ (Gal 4, 18)

„Wir wünschen nur, dass jeder von euch diesen Eifer (Leidenschaft) für Gott bis ans Ende beweist, damit ihr voller Zuversicht an der Hoffnung festhalten könnt.“ (Hebr 6, 11)

(von Michael Kotsch)

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