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Organspende!? Wann ist der Mensch tot?

Im Mai 2021 sollten die Schweizer darüber abstimmen, ob künftig alle Bürger per Gesetz zu Organspendern erklärt werden; auch wenn sie nie willentlich zugestimmt haben. Nach intensiven Diskussionen wurde die Gesetzesinitiative schlussendlich angenommen. Ganz grundsätzlich wundert es natürlich, dass ein Patient auch bei dem kleinsten medizinischen Eingriff gründlich aufgeklärt wird und sich dann schriftlich einverstanden erklären muss. Wenn aber seine lebenswichtigen Organe entnommen werden, nur weil momentan keine Hirnaktivität mehr zu messen ist, dann soll das ganz ohne Einwilligung des Patienten und seiner Angehörigen passieren dürfen. Das klingt wenig ausgewogen und nicht gerade überzeugend.

Ohne Zweifel sind Organtransplantationen aus Sicht des potentiellen Empfängers eine gute Sache. Immerhin können die übertragenen Organe dessen Leben grundlegend erleichtern und deutlich verlängern. Wobei in vielen öffentlichen Diskussionen die medizinischen und psychischen Nebenwirkungen einer Organtransplantation deutlich zu wenig benannt werden. Man will halt oft auch nicht wirklich informieren, sondern eher für seine eigene, schon lange feststehende Position werben. Wer redlich über Organtransplantation spricht, der sollte auch auf die medizinischen Risiken der schweren Operation, auf die verbreiteten psychischen Probleme und auf die lebenslange Einnahme starker Medikamente eingehen, die oft mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind. Der hirntote Organspender muss sich darüber im Klaren sein, ob er wirklich tot ist oder lediglich sein Gehirn keine messbare Reaktion mehr aufweist. Angehörige können sich auch nicht mehr wirklich vom hirntoten Patienten verabschieden. Wen sie ihn zum letzten Mal sehen atmet er noch, verdaut und  wirkt auch sonst eher wie ein schlafender Mensch. Nachdem die Organe entnommen wurden bleibt lediglich eine kalte, verstümmelte Leiche übrig.

Es ist hoch anzurechnen, dass einige Menschen ganz bewusst ihren im Sterben befindlichen Körper Kranken zur Verfügung stellen wollen, um mit ihren Organen deren Leiden zu lindern. Weil das eine sehr persönliche Sache ist, sollte man dazu aber keinen Menschen verpflichten, wie die Schweiz und andere Länder es mit ihrer Gesetzgebung indirekt versuchen. Sehr hoch ist der Einsatz des Organspenders natürlich auch nicht, weil er sich ja bereits als tot betrachtet und seine Organe für ihn zwischenzeitlich weitgehend wertlos sind. Organspender mit dem freiwilligen und bewussten Opfer Jesu zu vergleichen, wie es gelegentlich geschieht, ist deshalb kaum zutreffend.

Ethisch gesehen besteht das wahrscheinlich größte Problem in der Todesdefinition, die bewusst den Erfordernissen der Organtransplantation angepasst wurden. Bei dem bis dahin geltenden dauerhaften Stillstand von Atmung und Herzschlag konnten keine Organe mehr verpflanzt werden. Dafür braucht man einen lebendigen Körper, der juristisch aber bereits als tot erklärt wird. Unter dieser Notwendigkeit identifizierte man den Menschen mit seinem Gehirn. Wenn keine Gehirnaktivität mehr zu messen ist, dann wird der Mensch demnach zur Leiche. Jetzt kann man dem noch lebenden Körper ohne Gewissensbisse Organe entnehmen, um ihn dann als unzweifelhafte Leiche zurückzulassen. Aus biblischer Sicht aber und auch aus dem Empfinden der meisten Menschen ist eine Person tot, wenn sie ganz tot ist, nicht nur wenn ein wichtiges Organ seinen Dienst aufgegeben hat.

Deshalb finden sich in der Bibel auch ausschließlich sichere Todeskriterien: der Mensch hat dauerhaft aufgehört zu atmen, sein Körper ist dauerhaft erkaltet oder in Verwesung übergegangen. Die Seele des Menschen befindet sich nach biblischer Auskunft auch nicht allein im Gehirn, sondern im ganzen Menschen. Darüber hinaus ist natürlich nicht nur das Gehirn ein absolut lebenswichtiges Organ, sondern ebenso die Leber, die Nieren, die Bauchspeicheldrüse und andere mehr. Ethisch sollte man deutlich zwischen einem toten und einem im Sterben befindlichen Menschen unterschieden. Dem kommt dann natürlich auch noch eine besondere Würde zu; gerade wenn man den Körper nicht nur als zufällige, biologische Maschine betrachtet sondern als Schöpfung Gottes.

Neuere medizinische Entwicklungen werfen zusätzliche ethische Fragen auf. Einerseits konnte man erst vor kurzem an Schweinehirnen erneute Hirnaktivität beobachten, obwohl man sie bereits stundenlang aus dem Körper entnommen und erst dann wieder durchblutet hatte. Auch wenn das natürlich nicht heißt, dass man ein Gehirn mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln wieder voll funktionsfähig machen kann, zeigen diese Untersuchungen zumindest, dass die Hirnaktivität nicht ganz so unumkehrbar ist, wie es bei der Hirntot- Definition vorausgesetzt wird. Im Frühjahr 2022 gab es darüber hinaus eine zumindest zeitweilig erfolgreiche Transplantation eines Schweineherzens in einen menschlichen Patienten. Auch in diesem Bereich wurden während der vergangenen Jahre große Fortschritte gemacht, die mit deutlich geringeren ethischen Problemen behaftet sind als die Entnahme von Organen aus sterbenden Menschen. Darüber hinaus gibt es spezielle technische Pumpen, die mittlerweile schon wochenlang das menschliche Herz ersetzen können.

Um die Würde des Menschen nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, sollte man das Hirntot- Kriterium neu überdenken und Transplantationen einschränken. Personen per Gesetz generell zu Organspendern zu erklären, scheint hier nicht der richtige Weg zu sein. Aus christlicher Sicht ist der Mensch ein von Gott gewolltes und geschaffenes Wesen von Anfang bis Ende, von seiner Entstehung, bis zu seinem Tod. Ihn alleine auf seine Gehirnaktivität zu beschränken ist demnach eine vollkommen unzulässige Reduktion und Entwürdigung.

„Da bildete Gott der Herr den Menschen aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; dadurch wurde der Mensch eine lebende Seele.“ (1.Mose 2, 7)

„Solange noch mein Atem in mir ist, in meiner Nase Gottes Hauch, kommt kein Unrecht über meine Lippen.“ (Hiob 27, 3)

Wichtige Fragen zur Medizinethik bespreche ich auch in meinem neuen Buch: Michael Kotsch: „Schutz des Lebens. Abtreibung und Sterbehilfe aus christlicher Sicht“, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg 2022

(von Michael Kotsch)

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