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Geburtstag

Die meisten Deutschen lieben es Geburtstag zu feiern. Und dass, obwohl Geburtstage keine wirklichen Erinnerungstage sind; schließlich weiß man nur aus den Erzählungen der Älteren was wirklich am Tag der eigenen Geburt geschehen war. Außerdem kennt auch heute ein Viertel der Menschheit den wirklichen Tag ihrer Geburt nicht. Damit leben die Betroffenen zumeist sehr gut. Falls man einen Pass braucht, wird dort einfach ein beliebiges, fiktives Datum eingetragen.

Ab einem bestimmten Alter feiern Menschen zwar noch immer gerne Geburtstag, als willkommenen Anlass, um mit den Freunden und der Familie zusammen zu feiern. Eigentlich aber wollen sie nicht wirklich an ihr Lebensalter und damit an den unaufhaltsam näher rückenden Tod erinnert werden.

Zeugen Jehovas kritisieren Geburtstagsfeiern, weil sich nicht positiv in der Bibel erwähnt werden. Tatsächlich beschreiben die einzigen beiden Stellen, an denen in der Bibel über Geburtstage gesprochen wird, ausschweifende Feste gottloser Herrscher. Der Pharao ließ anlässlich seines Geburtstages seinen Mundschenk begnadigen und einen Bäcker hinrichten, wird im Alten Testament berichtet (1Mose 40, 20). Bei seinem Geburtstagsfest betrank sich der neutestamentliche König Herodes und stimmte leichtfertig der Enthauptung Johannes des Täufers zu (Mt 14, 6). Und stieß nicht auch Hiob während eines Geburtstagsfestes ein schweres Unglück zu, argumentierte man früher unter Christen. Alle seine Söhne starben, als die Festgesellschaft unter dem einstürzenden Dach eines Hauses begraben wurde. „Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, und die Nacht, da man sprach: Ein Knabe kam zur Welt!“ (Hi 3, 1ff.), heißt es dazu im Alten Testament.

Allerdings gibt es in der Bibel auch keine direkte Kritik oder gar ein Verbot von Geburtstagsfeiern. Für die Normalbevölkerung waren diese Feste zu biblischen Zeiten weitgehend unbekannt. Viele Menschen kannten nicht einmal ihr Geburtsdatum, weil man das damals als nicht so wichtig ansah. Schon gar nicht betrachteten sich die meisten Menschen als so erinnerungswürdig, dass sie zumindest einmal im Jahr sich selbst feiern wollten.

In Griechenland traf man sich einmal im Monat mit allen, die am gleichen Tag geboren waren, um sich gemeinsam zu betrinken. Auch die alten Römer liebten rauschende Feste. So wundert es kaum, dass insbesondere unter den Reichen auch der Geburtstag gebührend gefeiert wurde. Weil viele den genauen Tag ihrer Geburt aber nicht kannten, wählten sie irgendein passendes Datum, um mit ihren Freunden Wein und Kuchen zu genießen, Gedichte vorzutragen und Geschenke auszutauschen. Natürlich wurde bei dieser Gelegenheit auch dem Schutzgott der jeweiligen Person ein Opfer gebracht, um sie günstig zu stimmen und das Geburtstagskind auch im kommenden Jahr zu segnen. Irgendwie wurde nicht so sehr der Mensch gefeiert, sondern der betreffende Gott, den man hinter dem Geburtstagskind vermutete.

Vor allem aber wurden von den Römern die Jahrestage der Götter ausgiebig gefeiert; in späteren Jahren auch die Geburtstage der Kaiser, die man ja als lebende Götter verehrte. An dieser Stelle weigerten sich die Christen mitzumachen, da es für sie nur ein Gott gab, den man ehren und feiern durfte. Das wiederum nahmen ihnen viele Römer übel, weil sie eine solche Weigerung als destruktive Ablehnung des Staates interpretierten.

Die Christen der Spätantike hielten insgesamt nicht so viel von Geburtstagsfeiern. Aus ihrer Sicht wurden damit Menschen und fremde Götter illegitim in den Mittelpunkt gerückt. Außerdem betrachteten sie das Leben, in dem sie oftmals schwer verfolgt wurden, als Zeit des Leidens und der Gefährdung durch die Sünde. Vielmehr begingen sie deshalb die Todestage feierlich, insbesondere die der  als Märtyrer für den Glauben an Jesus Christus Gestorbenen. Den Todestag betrachtete man als Befreiung aus dem irdischen und als Eingang in das himmlische Leben. Das empfand man als viel bedeutenderen Grund zum Feiern, als das Geborenwerden in eine von Sünde gekennzeichnete Welt.

Weil aber auch viele Christen durchaus gerne Geburtstag feierten, begnügten sich manche Prediger mit einem Aufruf zum Maßhalten. Wenigstens sollten die Gläubigen nicht zu viel trinken und keiner sexuellen Ausschweifung nachgehen. Ab dem 4.Jahrhudnert feierten Christen dann allerdings vollkommen legitim das Christfest, die Geburt Jesu. Jesus betrachte man in den nächsten 1000 Jahren als den einzigen irdisch Geborenen, den man mit gutem Gewissen so umfassend ehren und feiern konnte. Schließlich ging es darum, Gott und nicht den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.

Im gesamten Mittelalter feierte man höchstens die geistlichen und weltlichen Herrn, vor allem natürlich Gott und seinen Sohn Jesus Christus. An die Geburt und das Leben „wichtiger“ Menschen sollte und wollte man sich gerne erinnern. Dabei wurde ehrlich oder mit sanftem Druck ein Loblied auf die eigenen Herrn gesungen; die zumeist eifersüchtig darauf achteten, dass ihnen kein anderer vorgezogen wurde. Hierbei ging es um die Sache der Ehe, die in früheren Jahrhunderten sowieso weit wichtiger war aus heutzutage.

Die Feier des eigenen Geburtstags ist eigentlich ein Ergebnis der europäischen Aufklärung. Erst zu dieser Zeit begann man in allen Schichten der Gesellschaft seinen eigenen Geburtstag zu feiern, vor allem in Deutschland. Durch deutsche Auswanderer verbreiteten sich Geburtstagsfeiern weltweit und mit ihnen beliebte Bräuche, wie das Singen von Geburtstagsliedern, Geschenke oder das Ausblasen der Geburtstagskerzen.

In der Neuzeit führte der Staat genaue Geburtsregister ein, nicht so sehr um später einen Anlass zum Feiern zu haben, sondern um die Steuern korrekt eintreiben und die jungen Männer rechtzeitig zum Militär zwingen zu können.

In protestantischen Regionen, die den Individualismus deutlich stärker betonten, wurden Geburtstage ab dem 17.Jahrhundert verbreitet gefeiert. Katholiken hingegen, die immer noch stärker auf Gott verweisen wollten, begingen eher den Namenstag und ehrten damit den Heiligen nach dem sie benannt worden waren. Zur weiteren Popularisierung des Geburtstagsfests trug ab dem 18.Jahrhundert die zunehmende Höherbewertung der Kindheit bei. Geburtstagsfeiern wurden zum typischen Kinderfest. Im 19. und 20. Jahrhundert trat Gott im Bewusstsein vieler Menschen immer weiter in den Hintergrund. Zunehmend stellte der Mensch sich selbst in den Mittelpunkt und damit natürlich auch seinen Geburtstag.

Christen stehen heute irgendwie zwiespältig zum Geburtstag. Verboten ist er ihnen nicht. Trotzdem können sie auch nicht einfach bedenkenlos mitmachen, wenn Menschen sich selbst feiern. Vielleicht ist der Geburtstag aber doch ein guter Anlass zurückzuschauen und auch die Zukunft zu bedenken. Man muss sich ja am Geburtstag nicht in den Mittelpunkt spielen. Ein Christ könnte sich an diesem Datum daran erinnern, dass alles was er ist und kann letztendlich von Gott stammt. Er hat im vergangenen Jahr geholfen, beschenkt und die geistliche Perspektive erweitert. Hier gibt es gleich mehrere Gründe Gott „Danke“ zu sagen. Im Blick auf das nächste Lebensjahr weiß der Christ, dass Gott die Zukunft kennt und bestimmt. So ist es durchaus angeraten, die kommenden Monate mit ihm zu bedenken und zu planen. Ganz sicher soll der Geburtstag nicht dazu beitragen, den Blick noch mehr auf sich selbst und die eigene irdische Gegenwart zu lenken. Wenn man sich dafür entscheidet, kann der Geburtstag aber eben durchaus auch eine Feier im Hinblick auf Gott sein.

(von Michael Kotsch)

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