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Lag baOmer – Freude und Tod in Israel

Eigentlich ist der jüdische Feiertag Lag baOmer ein Freudenfest. Am 29.April 2021 wurde es zu einem Trauertag. In einer plötzlich ausbrechenden Massenpanik wurden 44 Menschen totgetrampelt, 150 Personen wurden verletzt. Zehntausende, insbesondere ultraorthodoxe Juden hatten sich wie jedes Jahr am Berg Meron in Galiläa im Norden Israels versammelt um zu feiern, als Menschen auf einer Metallrampe abrutschten, andere nachdrängten und schließlich immer mehr Personen in einen schmalen Durchgang gedrängt und erdrückt wurden.

Für ultraorthodoxe Juden gilt zwischen Pessach und Schawuot eine 50tägige Fastenzeit, die nur einmal, eben am Lag baOmer unterbrochen wird. Die hebräischen Buchstaben L und G (ל״ג) stehen auch für die Zahl 33. Lag baOmer wird am 33. Tag dieser Fastenzeit gefeiert. An diesem Tag dürfen auch fromme Juden wieder großzügig essen und vor allem heiraten, was ihnen in den übrigen Tagen zwischen Pessach und Schawuot verboten ist. Viele Familien unternehmen am Lag baOmer Ausflüge oder treffen sich zum Picknick und zünden Lagerfeuer an. Nur an diesem Tag der Fastenzeit ist es auch erlaubt sich zu rasieren und die Haare zu schneiden. In der feierlichen Zeremonie der Chalaka werden dreijährigen Jungen aus ultraorthodoxen Familien zum ersten Mal die Haare geschnitten, auch das ist für viele ein besonders feierlicher Anlass.

Unweit der für viele Juden heiligen Stadt Safet, die insbesondere dem mystischen, kabbalistischen Judentum geweiht ist, liegt der Berg Maron mit dem Grabmal des Rabbi Schimon ben Jochai, der sich während des Bar Kochba- Aufstandes (132-135) aktiv am Kampfes gegen die römischen Unterdrücker beteiligt hatte. Der jüdischen Überlieferung zufolge stieg der Rabbi an seinem Todestag direkt in den Himmel auf. Zur Erinnerung daran feiert man bis heute jährlich das Freudenfest des „Zaddik“, des Gerechten, mit fröhlichen Liedern, Tanz und Gebeten.

Am Lag Ba’Omer wird auch an Rabbi Akiba erinnert, der sich ebenfalls am Bar Kochba- Aufstand beteiligte. An diesem Tag soll durch ein Wunder Gottes eine rätselhafte tödliche Epidemie unter seinen zahlreichen Schülern zum Ende gekommen sein; ein weiterer guter Grund zum Feiern.

Im Gedenken an die frommen Rabbis, ziehen an diesem Tag mit Pfeil und Bogen spielerisch bewaffnete Kinder durch Wald und Feld. Sie sollen an den mutigen, wenn auch vergeblichen Widerstand der Juden gegen die römischen Besetzer im Bar Kocha- Aufstand erinnern. Am Abend des Lag baOmer werden zahlreiche Fackeln angezündet, die größte über dem Grab Rabbi Schimon ben Jochais in Meron. Der Rabbi gilt nicht nur als vorbildlicher Freiheitskämpfer, sondern auch als er eigentliche Urheber des „Sohar“, zu Deutsch des „strahlenden Glanzes“, des wichtigsten Buches der Kabbala, einer mystischen, sehr auf magische und symbolische Interpretationen des Judentums ausgerichteten religiösen Strömung.

2021 ist Lag Ba’Omer nicht mehr nur ein freudiger Tag der Erinnerung an einflussreiche Rabbis, den Freiheitswillen der Israeliten des 2.Jahrhunderts und den Beistand Gottes, sondern auch ein Tag der Trauer über 44 Tote und 150 Verletzte am Berg Meron.

(von Michael Kotsch)

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