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Die Spenden- Industrie

Jeder hat wahrscheinlich schon einmal in der Fußgängerzone einer größeren Stadt die Stände von Amnesty International, dem WWF, Greenpeace oder Target gesehen. Zumeist finden sich da junge Leute, die motiviert auf die gute Arbeit der jeweiligen Organisation hinweisen und ganz nebenher um eine finanzielle Unterstützung für den Schutz der Umwelt oder die Durchsetzung der Menschenrechte bitten. Mancher wird sich über das Engagement der Schüler und Studenten freuen und gerne etwas spenden. Sehr oft handelt es sich hier aber nicht um freundliche Umwelt- oder Menschenrechtsaktivisten, sondern um speziell geschulte Studenten, die mit solchen Geld-Sammel-Aktionen ihr Einkommen aufbessern.

Wer hübsch aussieht und auf andere sympathisch wirkt, der kann mit dieser Masche viel schneller und leichter sein Geld verdienen, als im Restaurant oder bei der Altenpflege. Damit werben die Vermittlungs- Firmen auch ganz offen, die nach neuen Mitarbeitern für ihre Spenden-Werbeaktionen

suchen. Zusätzlich werden die zumeist jungen und attraktiven Spenden- Werber auch durch Provisionen motiviert, die ihnen für besonders viele und hohe Verträge versprochen werden. Natürlich reden die jungen Teilzeitangestellten gegenüber ihren potentiellen Geldgebern im Allgemeinen nicht über eigenen finanziellen Interessen. Gerade der Eindruck des ehrenamtlichen Engagements öffnet eben viel schneller das Portemonnaie.

Bevor sie auf die Menschen losgelassen werden, erhalten die zukünftigen Spenden- Werber ein spezielles Verkäufer- Training, bei dem ihnen beigebracht wird, welche Menschen sie ansprechen sollen und mit welchen Tricks sie ihre Gesprächspartner am leichtesten zu einem Spenden- Abschluss bringen können. Beispielsweise werden Passanten mit den Worten angesprochen „Sie wirken wie ein guter Mensch“. Das ist nett und bindet gleich emotional. Jeder will doch gerne ein „guter Mensch“ sein und diese Einschätzung nicht aufs Spiel setzen, indem man sich weigert, für eine so notwenige und gute Sache zu spenden. Andere versuchen es mit Formulierungen wie: „Sie möchten doch bestimmt etwas für arme Kinder tun!“. Wer kann da schon einfach nein sagen, ohne sich als schlechter, gefühlloser Mensch zu empfinden.

Sicher ist die Arbeit der jeweiligen Organisationen für die diese Spenden- Werbungen veranstaltet werden häufig sogar gut. Dem Spender ist allerdings nur selten bewusst, dass ein durchaus beachtlicher Teil seines Gelds nicht für die beworbene Sache, sondern für das Einkommen der Werber, die Verwaltung und die Medienaktionen verwendet werden. Wenn das Geld am Ende eben nur zu einem deutlich kleineren Teil in die Unterstützung der Flüchtlinge oder die Rettung des Urwalds fließt, würde sich mancher seine Spendenzusage vielleicht noch einmal gründlich überlegen.

Auch die Spenden- Werber werden mit nicht ganz lauteren Methoden gesucht. Im Mittelpunkt steht hier nicht das Engagement für eine gute Sache, sondern der in Aussicht gestellte Verdienst. Man bezeichnet die Tätigkeit auch nicht banal als Spenden- Werbung, obwohl es natürlich genau das ist. Stattdessen werden die Klinkenputzer „Dialoger“ genannt, weil sie ihre Gesprächspartner mit rhetorischen Tricks und eingeübten Antworten zum Vertragsabschluss bringen sollen.

Eigentlich zielen die Aktionen nicht so sehr auf Einzelspenden, sondern mehr auf Spenden- Abos, bei denen regelmäßig Geld vom eigenen Konto abgebucht wird. Menschen immer wieder neu um Geld zu bitten ist nämlich deutlich schwerer. Und schon allein aus mangelnder Aufmerksamkeit oder Gewohnheit behalten viele Menschen einen einmal eingerichteten Dauerauftrag bei.

Eine Organisation wirbt mit dem für viele junge Leute verführerischen Spruch „Gutes tun auf Reisen“. Reisen wollen viele Schüler und Studenten, auch wenn oft die nötigen Finanzen fehlen. Abgesehen von einer kostenlosen Reise werden einem dann noch ein motiviertes Team, Abenteuer, ein attraktiver Verdienst und der Einsatz für eine gute Sache versprochen. Das Unternehmen arbeitet mal für Greenpeace und mal für SOS- Kinderdörfer oder eine der vielen anderen NGOs mit gutem Namen. In jedem Fall sollte der Werber unter 30 Jahren als sein, wird verlangt, weil im Spendengeschäft der jugendliche Sympathiefaktor eine nicht u unterschätzende Rolle spielt.

Gefordert, bzw. versprochen werden „Motivation und Bereitschaft für ein Abenteuer“. Realistisch gesehen geht es aber weniger um Abenteuer, sondern viel eher darum, an der Haustür und in den Innenstädten Menschen für Dauerspenden zu werben. Versprochen werden dem potentiellen Mitarbeiter ein Lohn zwischen 2500 und 3500 EUR im Monat, ein kostenloses Verkäufertraining, kostenloses Unterkunft und Verpflegung, sowie Fahrtkosten. Alleine um den eigenen Lohn und weitere Ausgaben wieder einzuspielen, müsste der Werber also monatlich etwa 3000 EUR Spendengelder zusammenbringen. Weil ein Teil des Lohns aber in Provisionen für getätigte Abschlüsse liegt, verdienen die meisten schlussendlich weniger als ursprünglich versprochen.

Mit der Organisation, die sie vertreten müssen sich die Spenden- Werber nicht besonders identifizieren. Das kann auch relativ schnell, von Woche zu Woche wechseln, je nachdem welche Hilfsorganisation sie gerade anheuert. Hier geht es nicht in erster Linie um die gute Sache, hier geht es ums Geld; um möglichst hohe Provisionen auf der einen und um möglichst viele Spenden- Abos auf der anderen Seite.

Ein Sprecher des WWF gibt offen zu, das Spender sozusagen auf dem freien Merkt gekauft werden. Je nach Spendenhöhe und Alter des Spenders, das entscheidet wie lange er in der Zukunft noch überweisen könnte, werden den professionellen Spenden- Werber entsprechende Provisionen bezahlt.

Die durch den ehemaligen Survival- Helden Rüdiger Nehberg gegründete Hilfsorganisation TARGET beauftragt keine Leiharbeiter, sondern hat ihre eigene Werber- Truppe, die allerdings zu ähnlichen Konditionen arbeitet. TARGET kümmert sich um die Rechte südamerikanischer Indios und engagiert sich gegen Genitalbeschneidung. Auf der eigenen Homepage nimmt die Spendenwerbung einen großen Raum ein. Ausführliche Anleitungen informieren, wie man möglichst dauerhaft für die Organisation spendet, stiftet  oder ihr gleich sein Erbe vermacht. Selbstverständlich kann man auch Online spenden oder mit einer vorbereiteten Spendenaktion seine Kontakte auf den Sozialen Netzwerken zur Verfügung stellen.

Man kann sich hier auch als Spenden- Werber betätigen. Dafür wird ein Einkommen von mindestens 2160 EUR im Monat versprochen. „Wir suchen: Humanisten, Aktivisten, Entertainer, Abenteurer, Reisende, Weltenbummler, Weltverbesserer“, heißt es im Anforderungsprofiel. Auch hier wird nicht wirklich deutlich gesagt, um was es eigentlich geht. Stattdessen werden die Ideale und Interessen junger Leute zur Anwerbung benutzt. Zielorientierung und ein „charmantes Auftreten“ werden darüber hinaus gefordert. Ohne diese Eigenschaften lassen sich eben nur weniger Passanten zu einem Spende- Abo bewegen. Nach TARGET- Angabe werden rund 460 000 EUR von 2,2 Millionen jährlich für Werbung, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit verwendet.

Daniela Felser, Geschäftsführerin beim Deutschen Spendenrat kritisiert: „Vergütungsmodelle auf Provisionsbasis bringen Spendensammler manchmal dazu, auch Druck auf die Spender auszuüben – und das geht natürlich überhaupt nicht.“

Eine Kommerzialisierung der Spenden- Einwerbung entspricht durchaus dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Trend. Eigentlich aber ist es ein Problem, wenn Menschen für Spenden werben, die ein echtes Interesse an den entsprechenden sozialen oder menschenrechtlichen Aktivitäten nur vortäuschen und ihre Kunden mit rhetorischen Tricks zur Unterschrift überreden, von der sie selbst dann finanziell profitieren.

(von Michael Kotsch)

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