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Reinhard Hirtler – Corona

Noch nie gab es so viele Propheten wie heute. In einer Zeit, in der jedem Christen versprochen wird, mit etwas Übung Prophet werden zu können, ist das eigentlich auch kein Wunder. Zahlreiche Menschen fühlen sich durch die Äußerungen dieser spirituellen Mittler ermutigt. Immerhin geben sie in gewisser Weise vor, Gott zu repräsentieren. Für denjenigen der ihnen vertraut, gibt es hier einen festen Halt in einer relativistischen und unübersichtlichen Welt.

Einer der gerade im Corona- Jahr 2020/21 stark an die Öffentlichkeit getretenen Propheten ist der Österreicher Reinhard Hirtler. Auf zahlreichen, insbesondere charismatischen Internetseiten, wurde seine Prophetie zur Pandemie verbreitet und gefeiert. Auch wenn Medizin und Politik der große Überblick in der Krise gelegentlich fehlte, durch den direkten Draht zu Gott konnten charismatische Christen demnach ziemlich beruhigt bleiben.

Vor allem ist Reinhard Hirtler in den vergangenen Monaten bekannt geworden als der Prophet, der Dämonen auf Corona- Viren reitend gesehen haben will. – Hirtlers Prophetie gewinnt aber nicht gerade an Glaubwürdigkeit, wenn er dann selbst sagt, er habe zu niemandem davon gesprochen, bis die Ereignisse schließlich eingetreten seien.

Hirtler beherrscht in seinen Prophetien die Kunst, mit vielen Worten wenig wirklich Greifbares zu sagen und dabei einen irgendwie positiven Eindruck zu hinterlassen. Seine Corona- Prophetie ist dafür ein gutes Beispiel. So beginnt er mit der erstaunlichen Behauptung, er habe die Corona- Pandemie bereits 11 Monate vor ihrem Beginn detailliert vorhergesehen. Irgendwelche Belege oder Einzelheiten zu dieser Prophetie hingegen nennt er keine. Er bleibt dann bei allgemeinen Hinweisen auf viele geschlossene Kirche beispielsweise. Zum einen aber sind Kirchen wagen Corona nicht andauernd geschlossen, sondern nutzen einfach mehr Online- Veranstaltungen, bis Lockerungen wieder gewöhnliche Präsenz- Gottesdienste erlauben. Zum anderen sind Kirchenschließungen seit mehreren Jahrzehnten in Westeuropa an der Tagesordnung, insbesondere durch das Schrumpfen der großen Konfessionen. Eine Prophetie, die beschreibt, was in jeder diesbezüglichen Fachuntersuchung nachzulesen ist, bietet keinen wirklichen Hinweis auf göttliche Offenbarung.

Und dann sagte Reinhard Hirtler  2019, in einem Jahr ziemlich bedrohlicher Klima- Diskussion, voraus, dass die Menschen Angst und Panik haben würden. Das stimmt natürlich, war aber bereits zum Zeitpunkt seiner Prophetien der Fall und nicht erst nach dem Auftreten von Corona.

Ohne konkret zu werden spricht Hirtler dann in seiner veröffentlichten Prophetie auch noch von „schlimmeren Dingen“ die er für die Zukunft gesehen haben will. Weil er damit wiederum so im Allgemeinen bleibt, muss seine Ansage fast sicher eintreffen, weil Katastrophen, Kriege und Ängste die Menschheit begleiten, seit man sich zurückerinnert. Die sehr pauschale Ankündigung irgendwelcher gravierender Schwierigkeiten ist deshalb zu allen Zeiten eine absolut sichere Prophetie, vor allem, wenn man nicht genau sagt, was konkret zu erwarten ist. Wer heute prophezeit, dass es in baldiger Zukunft einen schlimmen Krieg, eine Hungersnot oder eine Wirtschaftskrise geben wird, liegt damit eigentlich immer richtig. Allerdings braucht es dafür auch keine göttliche Offenbarung.

Hirtler verspricht in seiner Prophetie, dass Corona- Viren keine Macht über Christen haben würden. Nach zwischenzeitlich weltweit vielen tausend an Corona erkrankten und gestorbenen Christen zeigt sich bereits heute der Irrtum von Hirtlers Ansage und lässt damit natürlich auch den Rest zweifelhaft erscheinen.

Nach Hirtler suchen Dämonen einen Weg, wie sie in Menschen eindringen können. Ihre, durch Corona umgesetzte Strategie sei die Angst. Dabei ist es natürlich seltsam, dass von diesem dämonischen Vorgehen in der Bibel nichts zu finden ist. Dort muss Angst nicht immer auf den Teufel oder auf Unglauben zurückgehen. So kündigt Jesus den Jüngern an, dass sie zukünftig Angst haben werden, sich aber trotzdem seiner Nähe sicher sein dürfen (Joh 16, 33). Andererseits wird uns in Neuen Testament von einige dämonisch Besessenen berichtet, die aber keineswegs ängstlich wirkten.

Schließlich bewirbt Hirtler eine magische Praxis der Esoterik. Demnach wird ein Wunder sicher passieren, wenn ein Mensch nur fest genug daran glaubt. Nur wer an die Gefahr der Dämonen, bzw. von Corona glaubt, der kann oder wird auch erkranken. Demnach sind also alle an Corona gestorbenen Christen selbst schuld an ihrem Tod, sie hätten einfach rechtzeitig glauben sollen, dass ihnen nichts hätte passieren können. Das ist allerdings keine im Neuen Testament angekündigte Wahrheit. Petrus beispielsweise verspricht Jesus sogar, dass ihm schwere Dinge passieren werden, obwohl er das definitiv nicht will (Joh 21, 17-19).

Nach Hirtlers Corona- Prophetie sind die Medien Werkzeuge des Teufels und der Dämonen, deshalb solle man nicht mehr auf sie hören. – Eine gewisse Medienkritik ist natürlich immer sinnvoll, gerade, wenn wieder einmal in einer gesellschaftlichen Krise ein medialer Tunnelblick entsteht. Medien aber generell als „dämonisch“ und „teuflisch“ zu bezeichnen, lässt sich weder in der Realität noch mit der Bibel wirklich gut begründen. Das klingt teilweise eher nach der Strategie: „Lass uns nicht an die Probleme denken, dann können sie uns auch nicht schaden.“

Der allgemeine Hinweis auf eine globale Angst ist viel zu sehr Allgemeinplatz, als dass dahinter eine deutliche  Offenbarung Gottes vermutet werden kann. Denn seit die Staaten vielfältig miteinander versnetzt sind, löst jede größere Krise weltweite Ängste aus. Die allgemeine Prophezeiung einer global sich ausbreitenden Angst ist also ähnlich sicher, wie die Vorhersage eines nächsten Sommers. Vor Corona lebten Menschen weltweit in Angst vor der Klimaerwärmung, dem Terror und der Weltwirtschaftskrise, um nur einige Beispiele der letzten 20 Jahre zu nennen. Seltsam auch, dass Hirtler eindringlich vor der Corona- Angst warnt, gleichzeitig bei seinen Hörern aber neue Ängste weckt, vor den noch schlimmeren Ereignissen, die seiner Auskunft nach bald eintreffen würden und vor den Dämonen, die mit Corona in die Menschen eindringen könnten. Zusammenfassend muss man wohl feststellen, dass Reinhard Hirtler in seiner Corona- Prophetie keine Information liefert, die ein aufmerksamer Zeitungsleser im März 2020 nicht auch ohne ihn hätte wissen können. Hilfreich für die Überprüfung der Glaubwürdigkeit von Hirtlers Aussagen wären konkrete Angaben über die Länge oder den weiteren Verlauf der Pandemie. Das alles aber bleibt bei ihm weitgehend im Dunkeln.

(von Michael Kotsch)

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