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Wo Harry Potter Recht hat

Eigentlich bin ich kein besonderer Freund von Joanne Rowling und ihrem zaubernden Superhelden Harry Potter. Mir enthalten die Erfolgsromane entschieden zu viel Magie und Esoterik. Außerdem kommen darin auch die Familie und der Glaube ziemlich schlecht weg. Insgesamt ist Rowling sicher keine Revoluzzerin und keine eingeschworene Konservative. Umso mehr wundert man sich, dass sie von vielen Medien jetzt als „transphob“ beschimpft wird. Ein regelrechter Shitstorm hatte sich jüngst über die erfolgsverwöhnte Autorin ergossen. Sie wurde als vollkommen rückständig, ja sogar als böse bezeichnet, weil sie vorgeblich Transgender- Menschen kritisiert haben sollte. Selbst andere Prominente distanzierten sich öffentlichkeitswirksam von Rowling. Keiner wollte riskieren auch in die Schusslinie der selbsternannten Moralwächter zu geraten.

Wer nicht direkt mit der aktuellen Diskussion vertraut ist, wird die Aufregung wahrscheinlich kaum nachvollziehen können. Im Kern geht es bei der Diskussion um Rowlings Äußerungen um die Frage der korrekten Einordnung von Männern und Frauen, die eine Geschlechtsumwandlung hinter sich haben und nun als Transfrauen und Transmänner leben.

Im Herbst 2019 war die britische Wissenschaftlerin Maya Forstater von einer staatlichen Forschungseinrichtung entlassen worden, weil sie öffentlich geäußert hatten, dass man sein Geschlecht nicht ändern könne. „Ich glaube, dass männliche Menschen keine Frauen sind. […] Dabei geht es geht um Biologie.“ LGBTQ+-Gruppen forderten daraufhin erfolgreich die Kündigung der Forscherin. Durch solche Aussagen würden Trans- Männer und Frauen diskriminiert, die zwar in einem Geschlecht geboren worden seien, jetzt aber in einem anderen leben würden. Schon damals hatte Rowling Sympathie mit der entlassenen Wissenschaftlerin geäußert und war dafür angegriffen worden. „Kleide dich gerne, wie du willst. Nenne dich, wie du willst. Schlafe einvernehmlich mit jedem Erwachsenen, mit dem du willst. […] Aber kündigt doch nicht einer Frau, nur weil sie sagt, dass es Geschlechter gibt.“ Daraufhin organisierten LGBTQ+-Aktivisten eine Kampagne gegen Rowling und riefen zum Boykott ihrer Bücher auf.

Im Sommer 2020 äußerte sich die Bestseller- Autorin etwas spöttisch zu einem Artikel über Probleme von „Menschen die menstruieren“ in Corona- Zeiten. „Menschen, die menstruieren. Ich bin mir sicher, dass es dafür mal ein Wort gab. Kann mir jemand aushelfen? […] Frauen?“ LGBTQ+-Gruppen griffen Rowling erneut an und diffamierten sie öffentlichkeitswirksam als „transphob“ und als diskriminierend, weil sie mit ihrer Aussage Transfrauen, also ehemalige Männer, aufgrund ihrer fehlenden Menstruation nicht als vollwertige Frauen ansehen würde. Außerdem würden Transmänner, also ehemalige Frauen, die noch menstruierten in ihrer neuen Rolle nicht wirklich ernst genommen. Was man bei dieser Kritik allerdings vergaß, war die Diskriminierung, die von „Menschen, die menstruieren“ ausgeht. Diese Formulierung spaltet die Frauen und suggeriert unterschwellig, die aufgrund von Alter oder Krankheit nichtmestruierende Frauen seinen irgendwie unvollständig. – Wie auch immer, jedenfalls distanzierten sich Politiker, Schauspieler und Künstler schon sehr bald nach den Angriffen auf Rowling von der Autorin, ohne vorher detaillierter nachzufragen. Auch Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe fühlte sich herausgefordert, öffentlich gegen Rowling Stellung zu beziehen: „Transgender-Frauen sind Frauen. Jede gegenteilige Aussage löscht die Identität und Würde von Transgender-Menschen aus.“

Über Twitter antwortete Rowling: „Wenn es Geschlechter nicht gibt, kann es auch nicht gleichgeschlechtliche Anziehung geben. […] Sobald wir aber das Konzept von Geschlecht auslöschen, gibt es keine Möglichkeit mehr, sinnvoll über das Thema Transsexualität zu sprechen. Es ist nicht Hassrede, wenn man die Wahrheit spricht.“ Außerdem stellte sie fest: „Das biologische Geschlecht ist eine Realität, die man nicht einfach ignorieren kann.“

Ganz offensichtlich wird bei der wissenschaftlichen und verbalen  Einordnung von Transmenschen mit harten Bandagen gekämpft. Vollkommen unbefriedigend ist eine Auseinandersetzung, die schnell in Diskriminierungen und Beschimpfungen mündet. Wenig hilfreich ist aber auch die reflexartige Diskreditierung Andersdenkender als „transphob“. Mit solchen wertenden Zuschreibungen wird jedes Argument und jedes weitere Gespräch verunmöglicht, weil der andere nur noch als Feind betrachtet wird.

Natürlich kann man das Empfinden eines Menschen als wichtigen Maßstab sein soziales Geschlecht (gender) heranziehen. Gleichzeitig aber sollte die biologische Realität von Mann und Frau auch nicht einfach geleugnet werden. Viele biologische und psychische Faktoren sind ganz offensichtlich natürlich und können selbst mit einer Behandlung zum Geschlechterwechsel nicht ganz beseitigt werden. Auch sollte nicht vergessen werden, dass die Selbstdefinition als Mann oder Frau weder unabhängig wissenschaftlich nachweisbar noch in jedem Fall dauerhaft ist. Wer die Unterschiede zwischen biologischem und sozialem Geschlecht verwischt, schädigt die Wissenschaft oder unterwirft sie einem  weltanschaulichen Korsett. Auch wenn man sich bemühen kann, die Lebensbedingungen von Transmenschen beständig zu verbessern, bleiben bisher immer wissenschaftlich deutlich benennbare Unterschiede zwischen Transfrauen und biologischen Frauen, sowie zwischen Transmännern und biologischen Männern. Diese Unterschiede zu benennen ist ebenso wenig „transphob“ wie die Feststellung, dass sich die Trans- Identität im Laufe des Lebens auch wieder verändern kann.

(von Michael Kotsch)

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