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Sanktionen töten Menschen

Immer wieder werden in Deutschland Strategien zum besseren oder vorgeblich gerechteren Leben entworfen. Manchmal geht es dann um gesunde Nahrungsmittel, um Biosprit, um möglichst exakte Corona- Schutzmaßnahmen oder um schwere Sanktionen, mit dem Ziel irgendeinen internationalen Bösewicht in die Schranken zu weisen. Oftmals klingen die vorgestellten Konzepte auf den ersten Blick durchaus gut. Zumeist aber werden die Kosten und Nebenwirkungen deutlich zu wenig berücksichtigt. Viel zu sehr geht man lediglich von den kurzfristigen eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten aus.

Die natürlichen Rohstoffe für Biosprit und Biogas beispielsweise müssen irgendwo angebaut werden, oftmals auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion. Wenn südamerikanische Bauern dann aber Regenwald roden, um genügend zusätzlichen Boden für den geforderten Biosprit zu haben, dann bekommen sie moralischen und politischen Druck aus Europa, weil man gerne ein ökologisch reines Gewissen haben will und gelichzeitig keine neuen Ackerflächen akzeptiert. Im Endeffekt ist das allerdings nur möglich, wenn auf derselben Fläche weniger Nahrungsmittel produziert werden und dadurch die Preise massiv steigen. In Deutschland ärgert man sich dann über höhere Kosten für Mehl, Futtergetreide und Pflanzenöl. In den armen Ländern der Welt müssen die Menschen hungern, weil sie sich selbst Grundnahrungsmitten nicht mehr in ausreichender Menge leisten können.

Die in Europa konzipierten Corona- Schutzverordnungen fordern strenge Isolierung der Erkrankten, Abstände, Masken und Homeoffice. All das ist hierzulande höchstens mühsam oder schlägt irgendwann auf Gemüt. In vielen armen Ländern der Welt, wo ganze Familien in Wohnungen mit einem oder zwei Räumen zusammenleben müssen, sind diese Forderungen schlicht unmöglich. Wer darüber hinaus sein Geld als einfacher Arbeiter verdient, der ist jeden Tag auf seinen Lohn angewiesen und kann kaum einfach einmal zwei Wochen in Quarantäne gehen oder von Zuhause aus arbeiten. Wenn man diese Menschen zu solch drastischen Maßnahmen zwingt, dann treibt man sie noch tiefer in Armut und Hunger.

Wenn der russische Präsident Putin durch strenge und konsequente Sanktionen zum Einlenken gezwungen werden soll, dann besänftigt das vor allem das westeuropäische Gewissen. Man meint jetzt wirklich etwas Entscheidendes getan zu haben und lässt sich das sogar immens hohe Energie- und Lebensmittelpreise kosten. Damit diese Sanktionen aber überhaupt eine Aussicht auf Erfolg haben, müssen natürlich alle anderen Länder gedrängt werden auch mitzumachen. Oftmals aber ist genau das sehr einseitig und rücksichtslos. Wer in Deutschland über Energie- und Lebensmittelpreise stöhnt, der steht zumeist nicht wirklich in der Gefahr zu verhungern. In vielen Ländern, in denen die Menschen sowieso schon am Existenzminimum leben, bedeuten solche politisch erzwungenen Maßnahmen Hunger, Armut und Tod. Das sollte man durchaus auch bedenken, wenn man seine politischen Programme durchzusetzen versucht. Arme Bauern haben schlicht kein Geld um sich den verteuerten Diesel für ihren Traktor zu leisten. Und bei stark steigenden Getreidepreisen verkaufen Landwirte alle verfügbaren Ressourcen nach Europa, wo man auch hohe Preise noch zu zahlen bereit ist. Das Nachsehen haben wieder einmal die Armen, die sich diese Weltmarktpreise nicht leisten können.

Schnell wird gegenwärtig auch damit argumentiert, dass Deutschland durch den Kauf russischer Güter den Ukraine- Krieg Putins finanziert. Das ist so allerdings ziemlich vereinfacht und eigentlich sogar falsch. Ebenso könnte man sagen, wer russische Güter kauft, der sorgt für russische Kinder und Rentner, denn die würden durch knappere Güter und Kündigungen am ehesten leiden. Auch in anderem Zusammenhang würde wohl kaum jemand ernsthaft behaupten: „Ich kaufe nicht mehr bei MacDonalds, weil damit auch amerikanische Militärhilfe im Jemen finanziert wird“ oder „Ich kaufe kein in China produziertes Handy, weil ich damit die Unterdrückung der Meinungsfreiheit dieses Landes unterstütze“. Wer von privaten Firmen aus Russland irgendetwas kauft, der unterstützt nur sehr indirekt den Krieg Putins, aber er hilft damit ganz normalen Russen.

Viele Sanktionen schaden der Wirtschaft Europas massiv. Das wiederum schränkt zukünftige politische Entscheidungsmöglichkeiten deutlich ein und bringt viele Bürger in Armut. In anderen Ländern führen diese Sanktionen und die damit einhergehende massive Verteuerung von Energie, technischen Produkten und Nahrungsmitteln zu Hunger und Tod. Man muss schon wirklich sehr sicher sein, dass diese Sanktionen Menschenleben in der Ukraine retten, um deren deutlich absehbare, negative Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen.

In Russland jedenfalls treiben die starken Worte, die Drohungen und Sanktionen westlicher Saaten viele Menschen in Putins Arme. Jetzt fühlen sie sich tatsächlich vom Westen angegriffen, so wie ihr Präsident ihnen das schon immer erklärt hatte. Zwischenzeitlich hören sie das auch selbst, wörtlich aus dem Mund zahlreicher westlicher Politiker. Mit den immer umfangreicheren Sanktionen schürt man einen neuen „kalten Krieg“, eine langfristige Konfrontation mit Russland, selbst dann wenn die Regierung Putin einmal abgetreten ein sollte. Sowohl politisch, als auch menschlich und wirtschaftlich könnte sich die Entscheidung für immer mehr und immer stärkere Sanktionen schlussendlich als kontraproduktiv und falsch herausstellen. In dieser Frage sollte man nicht zu schnell und zu unüberlegt den Forderungen der ukrainischen Regierung nachkommen. Ziel verantwortungsvoller Politik sollte die Unterstützung der Ukraine und gleichzeitig die Gewinnung der russischen Bevölkerung sein.

Sich einfach zu ergeben ist für die Ukrainer natürlich ebensowenig eine realistische Option wie der schnelle und endgültige Rückzug russischer Truppen. Ganz gleich, was künftig noch im Ukraine- Krieg passiert, es ist nur eine Frage der Zeit, wann der russische Präsident Putin den Sieg seiner Truppen ausrufen wird. Das gleiche werden dann wohl auch die Ukrainer machen. Wahrscheinlich werden dann die für Russland interessanten Grenzregionen der Ukraine von russischen Truppen „befreit“ worden sein und die ukrainischen „Nazis“ wurden dann vorgeblich besiegt, sodass man sich nach erfolgreichem Militäreinsatz ohne Geschichtsverlust zurückziehen kann. Ohne sichtbaren, medial verwertbaren Erfolg wird Putin seine Armee kaum abziehen; trotz vieler Strafmaßnahmen.

China profitiert deutlich von den Sanktionen westlicher Staaten gegen Russland. Die Entwicklung Chinas zur dominierenden Wirtschaftsmacht der Welt wird dadurch unweigerlich beschleunigt. Andere asiatische Staaten werden sich den von westlichen Politikern geforderten Sanktionen nicht oder nur halbherzig anschließen, wodurch ihre mögliche Wirkung weiter sinkt. Zukünftige Konflikte werden da immer wahrscheinlicher. Europäische Staaten schaden sich mit ihrer Sanktionspolitik vor allem selbst, und das mit zweifelhaftem Erfolg bezüglich des Ukraine- Kriegs. Stark ideologisierte Staaten haben sich bisher nur sehr selten durch ähnliche Sanktionen von ihrem Kurs abbringen lassen; schon gar nicht große Nationen wie Russland.

Zweifellos handelt es sich wieder einmal um einen brutaler Krieg in dem es hinterher nur noch propagandistische „Sieger“ gibt. Die Verlierer sind dann tot, ihr Eigentum ist zerstört oder geraubt. Man sollte sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, wie man längerfristig mit Russland und der Ukraine leben will. Vielleicht richten Sanktionen und fast bedingungslose Unterstützungen der Ukraine am Ende weltweit gesehen deutlich mehr Schaden als Nutzen an.

Echte christliche Nächstenliebe konzentriert sich nicht nur auf die Möglichkeiten und Ziele des eigenen Landes, sondern hat auch im Blick, was Gesundheitsforderungen und Sanktionen in anderen Staaten bewirken. Kann man wirklich hunderttausende Hungertote oder einen kriegerischen Flächenbrand billigend in Kauf nehmen, um die russische Armee vielleicht etwas eher zum Rückzug zu bewegen? Aus Gottes Sicht ist das Leben aller Menschen gleichwertig, das eines Deutschen, eines Ukrainers und das eines Bürgers von Mali. Christen sind weit mehr an einer Deeskalation interessiert, als an einer weiteren Zuspitzung militärischer Konflikte.

(von Michael Kotsch)

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