Bei der Oscar-Verleihung Ende März 2022 in Los Angeles kam es zum Eklat. Nachdem sich Chris Rock, Moderator der Veranstaltung, über die Frau des Schauspielers Will Smith lustig gemacht hatte, ging dieser zu ihm auf die Bühne beschimpfte ihn und schlug ihn ins Gesicht. Die meisten Zuschauer und Gäste waren vollkommen überrascht und teilweise auch geschockt. Einige erwarten von Smith eine Entschuldigung für seinen Gewaltausbruch oder zumindest das Verlassen der Veranstaltung. Der allerdings blieb und nahm wenig später seinen Oscar als bester Hauptdarsteller in dem Filmdrama „King Richard“ entgegen. In den nächsten Tagen wurde heftig darüber diskutiert, ob Will Smith überreagiert hatte, ob er sich möglichst sofort zu entschuldigen oder ob er mit seiner Ohrfeige vielleicht sogar ganz richtig gehandelt hätte. Will Smith bedauerte später vor allem seinen Imageschaden. Er bemüht sich als freundlicher, selbstbewusster und beherrschter Mann aufzutreten. Durch seinen impulsiven Gewaltausbruch ist diese Selbstinszenierung natürlich etwas angeschlagen.
Seit 1997 ist Will Smith in zweiter Ehe mit der Sängerin und Schauspielerin Jada Pinkett Smith verheiratet. Das Paar lebt seither in einer „offen Beziehung“, in der jeder auch außereheliche sexuelle Freundschaften unterhält. Das Paar hat zwei Kinder, die mit Vermittlung ihrer Eltern zwischenzeitlich ebenfalls schauspielern. Will Smiths Frau Jada leidet seit einigen Jahren an einem krankheitsbedingten Haarausfall. Darüber hatte der Komiker Chris Rock während der Show zur Verleihung der Oscars gelästert. Wie bei vielen ähnlichen Veranstaltungen üblich, nahm der allerdings nicht nur Smiths Frau aufs Korn, sondern lästerte auch über zahlreiche andere Kollegen und weitere Personen des öffentlichen Lebens.
Will Smith wurde 1968 in einer gutbürgerlichen Familie in Philadelphia geboren. Seine erste Karriere machte er als Rapper in den 1980er Jahren. Anfang der 90er Jahre wurde Smith als Schauspieler mit der nach ihm benannten Sitcom „Der Prinz von Bel-Air“ international bekannt. Danach konzentrierte er sich auf Rollen in Spielfilmen und war 2007 mit 80 Millionen Dollar Jahreseinkommen der bestbezahlte Schauspieler Hollywoods. Darüber hinaus ist er bekannt geworden mit seiner Vorliebe für ein luxuriöses Leben; was bei dem ihm zur verfüg stehenden Finanzen natürlich auch nur wenig verwundert.
Dem christlichen Glauben steht Will Smith eher gleichgültig bis distanziert gegenüber. Als typisch postmodern orientiertem Schauspieler geht es ihm vor allem um sich selbst und um seine Karriere. Allerdings hat Will Smith enge Freunde bei der weithin bekannten Psychosekte Scientology und spendete dieser Organisation schon mehrfach hohe Summen. Smith und sein Sohn hatten 2013 auch bei einem Werbefilm für Scientology mitgespielt, in dem auf unterhaltsame Weise die seltsame Philosophie der Sekte dargestellt wird. Scientology kam in den letzten Jahrzehnten immer wieder in die Kritik, vor allem weil ehemalige Mitglieder aussagten, sie seien in der Organisation unterdrückt und eggen ihren Willen festgehalten worden. Scientology wird auch vorgeworfen, Kritiker ausspioniert und unter Druck gesetzt, sowie Dokumente gefälscht zu haben. Der Kern von Scientology ist ein endloses Selbstoptimierungs- Programm, das den Anhängern verspricht alle inneren Hemmnisse zu überwinden, um dann selbst zu einem unumschränkten Herrscher des Universums werden zu können. Scientologen verstehen sich als gesellschaftliche Elite, deren Aufgabe es sei, gegen Psychiatrie und herkömmliche Religionen zu kämpfen, die durch die eigene Ideologie ersetzt werden sollten.
Will Smiths Gewaltausbruch gegen den Komiker Chris Rock könnte man als gerechtfertigt oder sogar mutig interpretieren, weil er damit deutlich gegen die unangemessene Beleidigung seiner Frau protestiert hat. Natürlich könnte man fragen, ob das nicht auch ohne Schläge, einfach mit ein paar empörten Worten gegangen wäre. Bei der nicht sehr innigen Beziehung des Paars wäre es allerdings auch möglich, dass es Will Smith nicht nur um Jada gegangen war, sondern um sein eigenes Image, das durch den Haarausfall seiner Frau irgendwie geschmälert werden könnte. Das wäre dann natürlich wesentlich weniger ehrenvoll. Irgendwie erinnert sie Szene auch an tausende ähnlich Vorfälle, die sich täglich in Kneipen und Clubs abspielen, wo jemand pöbelt oder eine Schlägerei beginnt, weil man vorgeblich seine Freundin beleidigt oder falsch angesehen habe.
Durchaus berechtigt kann man natürlich fragen, ob das äußerst verbreitere und allseits beliebte Lästern über andere Leute wirklich sein muss. Solange dabei über Personen gesprochen wird, die nicht anwesend sind, bekommt man ja nicht mit, wie diese verletzt oder anderweitig betroffen werden. Deshalb wird auf allen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Schichten so häufig und gerne über Andere hergezogen. Das wirkt unterhaltsam. Außerdem werten sich die Lästernden immer selbst etwas auf, weil sie über denen stehen, die sie leichthin beurteilen. Weil die anderen vorgeblich so seltsam oder dumm sind, fühlt man sich selbst schon deutlich besser. Würde sich Will Smith aber ganz allgemein darüber ärgern, dass immer wieder andere Menschen lächerlich gemacht werden, dann hätte er viel früher Protest erheben müssen, nicht erst, wenn es ihn selbst, bzw. seine Familie betrifft. Offensichtlich hat er nichts dagegen, wenn man über andere herzieht, vorausgesetzt es trifft nicht ihn selbst. Das allerdings ist wenig ehrenhaft oder moralisch, sondern ganz im Gegenteil nur ziemlich gewöhnlich und egoistisch. Man kann sich nun zwar über Will Smith und seinen Gewaltausbruch ärgern oder schlecht über ihn reden. Vielleicht hat man damit sogar irgendwie Recht.
Eigentlich aber sollte diese vielbeachtete Szene während der Oscar- Verleihung zum Nachdenken anregen über den eigenen Umgang mit dem alltäglichen Lästern. Jeder kann und sollte sich selbst fragen, wann und wie er sich an überflüssigem oder sogar schädlichem Lästern beteiligt. Jesus jedenfalls will das nicht. Wenn Kritik wirklich nötig ist, dann sollte sie offen und liebevoll dem Betreffenden gegenüber ausgesprochen werden. Darüber hinaus sollten die Worte eines Christen auferbauend sein, freundlich und weiterführend. Das ganz normale negative Reden sollte deutlich in den Hintergrund treten. Auch im Reden sollen Christen einen deutlichen Unterschied machen. Gerade hier kann man ziemlich schnell Schuld auf sich laden, andere Menschen verletzen oder schädliche Unwahrheit verbreiten. Ehrliche Kritik an destruktivem Lästern sollte sich nicht nur darin zeigen, dass man sich selbst nicht daran beteiligt, sondern auch daran, dass man in einer Gesprächsrunde auf dieses Unrecht aufmerksam macht, auch wenn man momentan nicht selbst davon betroffen ist.
„Lasst kein hässliches Wort über eure Lippen kommen, sondern habt da, wo es nötig ist, ein gutes Wort, das weiterhilft und allen wohltut. (…) Fort also mit aller Bitterkeit, mit Wut, Zorn und gehässigem Gerede! Schreit euch nicht gegenseitig an und verbannt jede Bosheit aus eurer Mitte.“ (Epheser 4, 29+31)
„Legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede.“ (1.Petrus 2, 1)
(von Michael Kotsch)