Wieder einmal ist Wahl in Deutschland. Nicht allen fällt es leicht, einer Partei bzw. einem Kandidaten ihre Stimme zu geben. Dabei sind die Versprechen, mit denen die Wähler gelockt werden, oft durchaus attraktiv. Immer wieder geht es um mehr Gerechtigkeit, mehr Freiheit, mehr Schutz der Umwelt, mehr Förderung der Bildung, mehr Frieden, mehr Hilfen für die Wirtschaft, für Rentner, Arbeitslose, Kinder oder eine anderer gesellschaftlich benachteiligte Gruppe. Zumeist aber bleibt es bei positiv klingenden Schlagworten und wenig konkreten Zusagen. Jeder weiß natürlich auch, dass Wahlversprechen sich gewöhnlich ziemlich schnell in Luft auflösen, wenn die Stimme erst einmal abgegeben ist. Regelmäßig verweisen die Kandidaten dann auf Sachzwänge, leere Kassen oder den unwilligen Koalitionspartner.
Christen haben es noch etwas schwerer sich für eine Partei zu entscheiden. Manches, was ihnen besonders am Herzen liegt, wird im Wahlkampf nur am Rande besprochen oder gar nicht; zum Beispiel die Förderung christlicher Initiativen, Steuerbegünstigung von Gemeinden und christlichen Werken, Genehmigungen für christliche Schulen, mehr religiöse Freiheit, wenige Tabuisierung von Glaubensthemen in der Öffentlichkeit, mehr christliche Lebenshilfe und die Förderung gesunder Familien.
Trotzdem, irgendwie setzen sich alle Parteien für Dinge ein, die auch Christen wichtig sind; aber leider eben nicht nur.
Die CDU ist seit langem eine von Christen bevorzugte Partei, insbesondere von Katholiken. Immerhin trägt sie das Christliche schon in ihrem Namen und verweist in Parteiprogrammen und Sonntagsreden regelmäßig auf christliche Wert, für deren Förderung sie sich einsetzen möchte. Manchem genügt es auch schon, dass die CDU als konservative Partei generell vorsichtig und zurückhaltend auftritt, wenn es um größere gesellschaftliche Veränderungen geht. Manche unangenehmen Werteverschiebungen werden auf diese Weise verzögert oder abgemildert. In den vergangenen Jahren aber ist die CDU eher als Partei eher in Erscheinung getreten, die sich stärker den Meinungsumfragen als einem christlichen Weltbild verpflichtet wusste; eine Partei, der es mehr ums Regieren ging als um den Schutz von Werten, für die sie immer wieder das Wort erhoben hatte. Heute weiß kaum noch ein CDU- Wähler welche Werte denn ganz konkret von seiner Partei geschützt und gefördert werden sollen.
Das Hauptthema der SPD ist die soziale Gerechtigkeit, der Einsatz für alle gesellschaftlich Benachteiligten. Den Gewinninteressen der Wirtschaft steht sie ebenso kritisch gegenüber wie militärischen Einsätzen im Ausland; auch wenn sie in konkreten Entscheidungen durchaus pragmatisch sein kann. Dem sozialen Engagement können Christen natürlich nur zustimmen. Seit der Zeit des neuen Testaments haben Christen ein Anliegen für Arme, Kranke und Leidende. Bei zwischenzeitlich 1200 Milliarden Euro jährlicher Sozialtransfers, einem Drittel der Gesamtwirtschaft, muss man sich allerdings auch fragen, wie weit die staatliche Umverteilung noch gehen soll. Ob am Ende Eigenverantwortung und Eigeninitiative nicht nachhaltig geschädigt werden. Langfristig kann man schließlich nicht bei Jeder Wahl neue Sozialversprechen geben ohne dem Land insgesamt zu schaden. Irritierend für Christen sind natürlich auch die offen glaubenskritischen Aussagen führender SPD- Politiker. In diesem Wahlkampf sprechen sie sich gegen die Förderung christlicher Bekenntnisschulen aus oder machen sich öffentlich über Leute lustig, die keinen Sex vor der Ehe haben wollen.
Die Grünen stechen immer noch irgendwie hervor in der etablierten Parteienlandschaft, wenn das auch viel mehr in ihrer Vergangenheit begründet liegt als in der Gegenwart, in der sie durchaus ähnlich taktieren, manipulieren und verdienen wie alle anderen großen Parteien auch. Gläubige schätzen an den Grünen ihren Einsatz zum Schutz der Natur und ihr Engagement für Randgruppen der Gesellschaft, außer für evangelikale Christen, die eher zu den Feindbildern grüner Politiker zu gehören scheinen. Leider aber wird die Natur in grünen Händen allzu oft instrumentalisiert und für einen grundlegenden Gesellschaftsumbau benutzt. Wie kaum eine andere Partei kämpfen Grüne für die Abschaffung christlicher Familienvorstellungen, für Patchwork- Partnerschaften, Gender und verschiedene andere sexuelle Orientierungen. Gleichzeitig tendieren sie oft dazu, die Schöpfung zu vergöttlichen und den Schöpfer dabei ganz zu vergessen. Außerdem fordern Politiker der Grünen längerfristig allen Organisationen die Gemeinnützigkeit zu entziehen, wenn sie sich gegen die neuen Gender- Werte stellen sollten. Damit entfielen Förderungen für viele christliche Werke und die Möglichkeit Spendenbescheinigungen ausstellen zu können.
Das Grundbekenntnis der FDP zu mehr bürgerlicher Eigenverantwortung und weniger staatlicher Bevormundung entspricht durchaus auch den Wünschen vieler Christen. Zwar sind sie für soziale Hilfe und gute Erziehung; die Verantwortung dafür aber sehen sie vor allem bei den einzelnen Bürgern. Die FDP dämpft auch weitere politische Regelungswut in Hinsicht auf weltanschauliche Gleichschaltung; beispielsweise in Hinsicht auf Gender und unchristliche Werte. Auf der anderen Seite merkt man natürlich auch schon bald, dass es den meisten FDP- Kandidaten weite mehr um die Förderung der Wirtschaft geht, als um die Freiheit des einfachen Bürgers. Die Unternehmen sollen weniger von staatlichen Vorschriften gegängelt werden. Auch das ist natürlich bedenkenswert. Die Maximierung von Unternehmensgewinnen ist dann aber auch nicht das höchste Anliegen gläubiger Christen.
Die Partei der LINKEN macht Christen wahrscheinlich schon chronisch Bauchschmerzen. Immerhin ist sie die offizielle Nachfolgeorganisation der sozialistischen Partei der DDR, die verantwortlich ist für eine systematische Unterdrückung christlichen Glaubens und zahllose Menschenrechtsverletzungen. Die Politiker der LINKEN bekommen zwischenzeitlich ihre meisten Stimmen bei idealistischen jungen Menschen. Dort stößt die generelle Kritik am Kapitalismus und an den Weltgestaltungsplänen der USA zumeist auf offene Ohren. Dass führende Politiker der LINKEN selbst ausgewiesene Kapitalisten und erfolgreiche Millionäre sind fällt dabei kaum ins Gewicht. Auch wenn Christen natürlich für Gleichberechtigung und soziale Hilfen sind, wie die LINKEN, eine noch umfassendere Verstaatlichung des privaten Lebens und eine noch stärkere staatliche Bevormundung eigener Entscheidungen kann kaum in ihrem Interesse liegen. Außerdem fordern auch die LINKEN eine deutliche Einschränkung staatlicher Vergünstigungen für christliche Initiativen und Gemeinden, sowie eine weitgehende Streichung alles Religiösen aus dem öffentlichen Leben.
Aufgrund ihrer offen konservativen Aussagen sehen manche Christen in der AfD ihre Hoffnung. Zweifellos, mache Aussagen von AfD- Politikern klingen wie Reden von der CDU vor 20 Jahren. Natürlich weiß auch keiner, was wirklich umgesetzt würde, wenn man den einmal die politische Macht dazu hat. Noch ist die AfD in erster Linie eine Protestpartei, die ihre meisten Stimmen erhält, weil sie einfach dagegen ist. Das ist wohl auch der Grund, warum sich viele Christen zu diesem politischen Lager hingezogen fühlen. Trotz dem Bekenntnis mancher AfD- Politiker zu konservativen, wohlgemerkt nicht zu christlichen Werten, sollte man nicht vergessen, dass im deutschen Osten die allermeisten AfD- Anhänger klare Atheisten sind, oftmals Leute, die noch vor wenigen Jahren die Partei der LJNKEN gewählt haben. Auch die immer wieder hochkommenden nationalistischen, antisemitischen und antidemokratischen Töne von AfD- Politikern sollten Christen skeptisch stimmen.
Doch was bleibt dann für Gläubige am Ende, wenn es um die Wahl geht? Gott hat Christen Verantwortung gegeben, in erster Linie Verantwortung, sich ganz persönlich und gemeindlich für die Menschen in der eigenen Umgebung einzusetzen. Dann aber auch die Verantwortung für politische Entscheidungen wie bei der Wahl, soweit der Staat das wünscht und ermöglicht. Eine erfolgversprechende, rein christliche Partei gibt es auf Bundesebene nicht. Stellenweise durchaus interessante Splitterparteien sind noch nie über die 5% Hürde gekommen, weshalb jede für sie abgegebene Stimme schlussendlich eine weitgehend verlorene Stimme ist. Unter den großen Parteien gibt es manche, die eher ganz konkreten christlichen Interessen entsprechen und eher ein christliches Handeln und christliche Freiheit ermöglichen als andere. Manchmal ist alleine schon das entscheidend für die Wahl.
Am Ende gilt vielleicht umso mehr was Paulus seinem engstem Mitarbeiter Timotheus in Fragen Politik mit auf den Weg gab: „Zuallererst fordere ich euch zum Gebet für alle Menschen auf […] besonders für die Regierenden und alle, die Macht haben. Wir beten für sie, damit wir in Ruhe und Frieden ein Leben führen können, das Gott in jeder Hinsicht ehrt und das auch von Menschen geachtet werden kann. Das ist gut, und es gefällt Gott, unserem Retter. Er will ja, dass alle Menschen gerettet werden und die Wahrheit erkennen.“ (1.Timotheus 2, 1-4) Dieses ernsthafte Gebet von Christen sollte natürlich auch nach der Wahl nicht aufhören, sondern regelmäßig und vielleicht sogar noch verstärkt weitergeführt werden.
(von Michael Kotsch)