Früher haben manche Leute behauptet, Homosexualität sei nicht natürlich. Nach eingehenden Beobachtungen ist das offensichtlich falsch. Das große Interesse an der Homosexualität von Tieren entspringt allerdings nicht so sehr einem unbändigen Forschungsdrang. Dahinter steckten auch massive politische und gesellschaftliche Interessen. Mit dem Nachweis von Homosexualität in der Natur meinte man jede Kritik an Homosexualität unter Menschen im Keim ersticken zu können. Dabei ist es natürlich äußerst zweifelhaft, sich bei ethischen Argumentationen auf die Tierwelt zu berufen. Immerhin gibt es unter Tieren allerlei Verhaltensweisen, die aus gutem Grund kaum jemand unter Menschen etablieren möchte. Dazu gehören Vergewaltigung, Vielehe, die Tötung des Partners nach dem Sexualakt oder die Durchsetzung des brutalsten Männchens bei der Partnerwahl.
Immerhin, es gibt homosexuelle Aktivitäten unter Tieren und das nicht zu wenig. Allerdings muss man sich bei all diesen Beispielen auch fragen lassen, ob in der gegenwärtigen Beschäftigung mit Homosexualität nicht manches in das Verhalten der Tiere hineininterpretiert wird, was sich bei Licht besehen als reichlich sachfremd herausstellt. Mit den Vorstellungen und Konzepten homosexueller Identität oder langfristiger, liebevoller Beziehungen hat das Verhalten der Tiere zumeist nichts zu tun. Oftmals geht es lediglich um die Erzeugung und Befriedigung sexueller Lust für den Augenblick. Die Häufigkeit und Intensität des sexuellen Rausches scheint oft deutlich mehr im Interesse des jeweiligen Tieres zu stehen als das Geschlecht desjenigen, der diese Lust zu erzeugen hilft.
Unter männlichen Pinguinen wurde Homosexualität bereits relativ häufig beobachtet. Wenn man ihnen ein Ei zur Verfügung stellt, dann brüteten zwei männliche Pinguine es gewöhnlich auch aus und ziehen das Junge erfolgreich groß. Allerdings sind ebenfalls Beispiele bekannt, bei denen sich ein homosexuell verhaltender Pinguin heterosexuell orientierte, wenn sein homosexueller Partner ausfiel oder wenn mehr weibliche Tiere zur Auswahl standen.
Im Zoo von Jerusalem zog ein Paar männlicher Geier erfolgreich ein Jungtier auf. Nachdem man erst den einen und später auch den anderen Geier mit einem weiblichen Tier zusammenbrachte, verhielten sich beide allerdings auch längerfristig heterosexuell. Ähnliches ließ sich zwischenzeitlich auch in anderen Zoos beobachten.
Amazonasdelfine leben in kleinen Gruppen männlicher und weiblicher Tiere. Untereinander stimulieren sie häufig ihre Geschlechtsorgane sowohl hetero- als auch homosexuell.
Fast alle Bonobos sind bisexuell. Sowohl Männchen als auch Weibchen verhalten sich homo- und heterosexuell. Besonders wenn sich Aggressionen anbahnen, gehen die Affen dazu über, sich gegenseitig sexuell zu stimulieren; ganz gleich, ob es sich beim Gegenüber um Männchen oder Weibchen handelt.
Männliche Elefanten, abseits der großen Herde, leben häufig in kleinen Gruppen von zwei bis drei Tieren zusammen. Das ältere Tier zeigt seine Dominanz zumeist dadurch, dass es die jüngeren regelmäßig besteigt. Solche Konstellationen können mehrere Jahre, eigentlich nie aber lebenslang andauern. Auch Löwen leben gelegentlich homosexuell zusammen, zumeist allerdings nur kurzzeitig.
Interessanterweise gibt es bei Schafen relativ viele homosexuelle Beziehungen, die teilweise auch langfristig andauern. Männchen des Wurms Moniliformis dubius versuchen bei homosexuellem Geschlechtsverkehr das Penisloch des Partners zu verkleben, um bei Annäherung eines Weibchens keine Konkurrenten mehr fürchten zu müssen. Wanzenmännchen spritzen bei einem homosexuellen Akt ihren Sperma in den Samenleiter ihres Partners, der bei einer späteren Vereinigung mit einem Weibchen dann ihren und nicht den eigenen Samen überträgt.
Real sind nur wenige Fälle ausschließlich homosexuellen Verhaltens bei Tieren nachweisbar. Zumeist kommen gleichgeschlechtliche Handlungen unter Tieren zwar vor, aber nur für eine bestimmte Zeit oder neben gleichzeitigen sexuellen Handlung mit dem anderen Geschlecht. Wenn man in dieser Situation also Begriffe aus der menschlichen Gesellschaft benutzen möchte wäre bisexuell zumeist deutlich korrekter als homosexuell. Der Neurowissenschaftler Simon LeVay bemerkt in diesem Zusammenhang, trotz der Häufigkeit homosexuellen Verhaltens im Tierreich sei es eher ungewöhnlich, dass einzelne Tiere dieses unter Ausschluss der Heterosexualität lange beibehalten. „Daher scheint eine homosexuelle Orientierung bei Tieren, wenn man denn überhaupt davon sprechen kann, eher eine Seltenheit zu sein.“
Immer wieder gibt es in der Tierwelt auch homosexuelles Verhalten, um geschlechtliche Konkurrenten auszustechen oder weil gegengeschlechtliche Artgenossen gerade nicht zur Verfügung stehen. Bei vielen Tieren beschränkt sich homosexuelles Verhalten nur auf eng umgrenzte Lebensabschnitte, nicht aber auf eine scheinbar unveräußerliche Eigenschaft des jeweiligen Individuums.
Auch wenn die Behauptung, Homosexualität sei nicht natürlich, klar zurückgewiesen werden muss, lassen sich aus homosexuellem Verhalten von Tieren kaum hilfreiche Maßstäbe für ethisch richtiges Verhalten unter Menschen gewinnen. In vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens jedenfalls bestehen durchaus gerechtfertigte Tabus gegen rein instinktives oder „natürliches“ Verhalten. Das gilt beispielsweise für den Umgang mit Aggressionen oder die schrankenlose Durchsetzung des Stärkeren. Trotz homosexuellen Verhaltens von Tieren orientieren sich Christen jedenfalls an den Maßstäben Gottes, auch in Hinsicht auf die Partnerschaft. Gott ist der Erfinder von Sexualität, bei Menschen und bei Tieren. Für den Menschen hat er im biblischen Schöpfungsbericht die exklusive, treue und dauerhafte Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau vorgesehen. Dieses Ideal scheint bis heute durchaus erstrebenswert.
(von Michael Kotsch)