Manche Leute würzen ihre Sprache gerne mit Flüchen. Sie halten das für besonders echt oder authentisch und merken häufig gar nicht mehr genau, was sie da eigentlich sagen. Zu fast jeder Feststellung oder Aussage kommt ihnen irgendein Fluch in den Sinn. Auch Menschen über die sie sich ärgern bekommen schnell ihr Fett weg. Jesus fordert auf, seine Worte sensibel und bewusst zu wählen. Irgendwann wird Gott jeden Menschen für alle seine dummen Worte zur Rechenschaft ziehen. „Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ (Mt 12, 36+37)
Einige Leute neigen auch zum entgegengesetzten Extrem, sie segnen alles und jeden, der ihnen in den Weg kommt. Alles ist immer toll und super. Solche Leute wirken zuweilen etwas skurril und abgehoben; aber man mag sie. Denn wer hat schon ernsthaft etwas dagegen, wenn man reichlich Zustimmung und Beifall bekommt, vorgeblich sogar noch von Gott. Auch in der evangelischen Kirche hat man sich zwischenzeitlich fast durchgehend aufs Segnen verlegt. Ermahnungen und Warnungen kommen zumeist eben nur schlecht an. Folglich segnet man lieber, auch Verhaltensweisen, die Gott eigentlich als Sünde betrachtet. Scheidungen und Wiederheiraten beispielsweise werden dann ebenso gesegnet wie alle anderen Formen des Zusammenlebens.
Andere hoffen beim Segnen eher auf die „Kraft des positiven Denkens“. Häufige optimistische Worte und Gedanken sollen das Erwünschte quasi magisch herbeireden. Die Worte selbst üben Macht aus und bestimmen dann die Realität, so hofft man. Gelegentlich funktioniert diese Form der Selbstmanipulation sogar.
Manche Christen haben eine geradezu magische Vorstellung von ihren eigenen und auch von fremden Worten. Sie meinen, ähnlich wie bei den Schöpfungsbefehlen Gottes im ersten Kapitel der Genesis, hätte auch jede ihrer eigenen Aussagen eine innewohnende, unabänderliche Wirkung. Glücklicherweise ist das nicht so. Wieviel Leid würde sonst infolge falscher Worte über alle Christen kommen und auch über den Rest der Welt. Gott weiß, dass manche Worte einfach dumm und unüberlegt waren. Natürlich sollte man trotzdem genau darauf achten was man sagt und was man nicht sagt. „Wer den Mund hält, bewahrt sein Leben, wer ihn aufreißt, dem droht Verderben.“ (Spr 13, 3)
Auch in der Bibel wird zuweilen gesegnet und geflucht, von Menschen und von Gott. Bei Gott ist das allerdings immer wohlüberlegt und nicht nur aus einem momentanen Impuls heraus. Gott segnet die Stammväter, Israel oder die Menschen, die sich auf ihn verlassen. Zu Abraham sagt er beispielsweise: „Und ich will dich zu einem großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen schaffen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ (1Mose 12, 2+3) Allen, die Gott folgen wollen, spricht er bereitwillig seinen Segen zu: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns durch ihn mit dem ganzen geistlichen Segen aus der Himmelswelt beschenkt hat.“ (Eph 1, 3) Auch Christen können einander den Segen Gottes zusprechen, der natürlich nur dann wirksam wird, wenn Gott sich mit diesem Wunsch identifiziert. Paulus segnet auf diese Weise die Gläubigen in Rom: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ (Röm 15,13)
Die hebräischen und griechischen Begriffe für Segen (hebr. הכָרָבְּ / beracha; gr. εὐλογία / eulogia) haben ein weites Bedeutungsspektrum. Je nach Kontext können sie als rühmen, preisen, danken, gut reden, jemandem Gutes sagen, Fruchtbarkeit oder Lebenskraft übersetzt werden. Segen ist die vielfältige Zuwendung Gottes, in leiblicher sowie in geistlicher Hinsicht. Der Segen Gottes umfasst Stärkung, Schutz, Nahrung, materielle Versorgung, Sündenvergebung, geistliches Wachstum, Heilung und Frieden. Im Kern meint segnen, etwas Gutes über jemandem aussprechen, jemandem etwas Positives wünschen. Der Fluch ist dann das ziemliche Gegenteil davon. Wer flucht, wünscht jemandem etwas Böses. Das hebräische ררַאָ / arar wird zumeist mit „verfluchen“ oder „bestrafen“ übersetzt. Im Neuen Testament finden sich vor allem die Begriffe ἀνάθεμα / anathema, was soviel bedeutet wie „Gottes Macht zur Strafe ausgeliefert sein“ und κατάρα / katara, was mit „Fluch“ oder „Ermahnung“ wiedergegeben werden kann.
Die Bedeutung von Fluch und Segen steht natürlich immer in direktem Zusammenhang mit der Macht des Sprechenden. Worte repräsentieren nur die Kraft desjenigen, der sie ausspricht. Wenige Worte Gottes konnten ein ganzes Universum in Existenz rufen. Worte Jesu konnten einen Menschen gesund machen oder ihm die Schuld vergeben. Worte eines mittelalterlichen Königs entschieden häufig über Leben und Tod. Wenn ein einfacher Mensch segnet oder flucht hat das nur so viel Macht, wie Gott demjenigen zugesteht. Segen oder Fluch haben keine magische, von der Person losgelöste Wirkkraft. Viele Worte, die heute ausgesprochen werden wirken nur, weil Menschen ihnen Bedeutung beimessen, sich vor ihnen fürchten oder ihnen vertrauen. Dadurch lassen sich Personen verführen, entmutigen oder irritieren. Deshalb mahnt Gott, seine Worte sorgsam zu wählen. „Mit derselben Zunge preisen wir Gott, unseren Vater, und mit ihr verfluchen wir die Menschen, die in Gottähnlichkeit erschaffen sind. Aus ein und demselben Mund geht hervor Lobpreis und Fluch. Meine Brüder und Schwestern: Das darf nicht sein!“ (Jak 3, 9f.; vgl. Spr 15, 4; 18, 21)
Selbst Gottes Flüche haben oftmals nur eine begrenzte von ihm selbst bestimmte Reichweite. Wenn Gott eine Strafe aussprach, beendete er sie gewöhnlich auch wieder. Wenn er die Sünden der Väter bis in die dritte und viere Generation strafen will, ist danach für ihn Schluss (2Mose 34, 7). Wenn ein Mensch innerlich umkehrt und nach Vergebung sucht, dann verzichtete Gott immer wieder auf seinen Fluch oder seine angedrohte Strafe (Jona 3). Obwohl Gott segnet, zieht er die Zusage gelegentlich zurück, wenn sich die entsprechenden Menschen von ihm abwenden, wie bei seinem Volk Israel oder der christlichen Gemeinde (4Mose 14; Hebr 6, 4ff.).
Von bösen Wünschen anderer Menschen ist der unter dem Schutz Gottes stehende Christ glücklicherweise weitgehend frei. Sie müssen keine Angst vor den bösen Worten anderer Menschen haben, weil auch in dieser Frage Gott das letzte Wort hat. Wenn Gott segnen will, dann können auch alle negativen Flüche von Menschen nichts daran ändern. – Den Segensworten anderer Menschen sollte ein Christ immer mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüberstehen. Manche Menschen wünschen vollkommen ehrlich Gutes. Viele verfolgen damit aber eine eigennützige Absicht. Sie suchen nach Vorteilen, Anerkennung, Freundschaft, Anhängern usw. Verkäufer und Politiker lernen regelrecht, andere Menschen mit schönen, lobenden Worten für ihre Zwecke zu verführen. Deshalb werden Christen schon in der Bibel vor zu vielen schmeichelhaften, zu positiven Worten gewarnt (Hes 13, 10; Mt 7, 15; 2Tim 4, 3).
Viele Segnungen Gottes, die sich wirklich gut anhören, sind in der Bibel für ganz spezielle Personen gedacht und nicht für jeden, der auch gerne beschenkt werden will. Es ist ein Missbrauchs- Versuch, alles Positive in der Bibel auf sich beziehen zu wollen, gleichzeitig aber Gottes Mahnungen und Warnungen großzügig zu ignorieren. Nicht jeder an Abraham, Mose oder Petrus gerichtete Segen ist auch automatisch für jeden heute lebende Christen gedacht. Außerdem ist biblischer Segen durchaus auch an Bedingungen gebunden, beispielsweise Einsicht, Treue oder Vergebungsbereitschaft (Mt 6, 14). Die Vergebung der Sünden ist für den gedacht, der seine Situation vor Gott ehrlich erkennt und wirklich nach Vergebung sucht. Sie ist an keine besonderen Leistungen gebunden. Dann aber fordert Gott auch, weitere Schritte zu gehen. Das ist für ihn eine notwendige und logische Konsequenz. „Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.“ (Jak 3, 26; vgl. Gal 5) Wer wirklich den Schaden der Sünde und die Weisheit Gottes erkannt hat, sollte sich bereitwillig auf die Lebensprinzipien Gottes einlassen. Aus Liebe zu ihnen droht Gott seinen Kindern auch schmerzhafte Ermahnungen an, wenn sie sich zu ihrem Schaden zu sehr vom göttlichen Leben entfernen (Hebr 12, 6).
Ermutigende und segnende Worte anderer Menschen trösten, bauen auf und ermutigen. Jeder wird diese Erfahrung schon im eigenen Leben gemacht haben. Wenn solche Worte ehrlich gemeint sind, sollte man sich an ihnen freuen und sie in Erinnerung behalten. Es ist auch wichtig, gute Worte nicht nur zu hören sondern sie selbst weiterzugeben, wie der Mann aus Sprüche 16, 24„Freundliche Worte sind wie Honig, süß für die Seele und für den Körper gesund.“ oder die Frau aus Sprüche 31, 26: „Sie öffnet ihren Mund mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist gütige Weisung.“ Auf Gottes Segen kommt es im Leben natürlich am meisten an, weil er die Macht und den Willen hat seine Wünsche umzusetzen. Gott bestimmt dann allerdings auch die Rahmenbedingungen, in denen er seinen Segen wirksam werden lässt.
„Lasst kein hässliches Wort über eure Lippen kommen, sondern habt da, wo es nötig ist, ein gutes Wort, das weiterhilft und allen wohltut. Sonst kränkt ihr den Heiligen Geist, den Gott euch als Siegel aufgeprägt hat.“
(Epheser 4, 29+30)
von Michael Kotsch