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Harry Potter im Gottesdienst?

Lokale Medien äußern sich begeistert über einen Harry Potter- Gottesdienst im pfälzischen Bockenheim. Mehr als 200 Personen waren in der evangelischen Kirche erschienen. Darunter befanden sich zahlreiche Potter- Fans in entsprechender Verkleidung. Die Kirche wurde stilgerecht als Zauberschule dekoriert. Statt christlicher waren nun überall magische Symbole zu sehen. Statt  Kirchenlieder bekamen die Gäste Musik aus Harry- Potter- Filmen zu hören. Texte aus den Romanen bewarb Pfarrerin Ute Metzger als Inspiration für das eigene Leben. Die Fürbitten wurden mit magischen Sprüchen des Zauberhelden abgeschlossen. Durch Harry Potters Beschwörung „Expecto Patronum“ sollte die Verbindung zu einem jenseitigen Schutzwesen aufgebaut werden, das dem Menschen vorgeblich Macht und positive Gefühle vermittelt.

Harry Potter ist zweifellos ein Phänomen, um das man kaum herankommt. Die Romane der englischen Autorin J.K. Rowlings wurden in 79 Sprachen übersetzt und 450 Millionen Mal verkauft. Wesentliche Elemente der Geschichten sind Beziehungen, eine gewisse Spiritualität, Magie und der Kampf gegen das Böse. Wenn man das unbedingt will, kann man da natürlich immer irgendwelche Anknüpfungspunkte zur Bibel finden.

Freundschaft und Liebe sind nach Pfarrerin Metzger zentrale Wahrheiten die Harry Potter und den christlichen Glauben miteinander verbinden. Wie diese Begriffe konkret gefüllt werden, blieb im Gottesdienst allerdings unklar.

Ähnlichkeiten sind durchaus vorhanden, aber nur sehr an der Oberfläche. Sie reichen kaum tiefer als die Ähnlichkeiten zwischen dem Tatort und der Bibel. Auch hier geht es um Zusammengehörigkeit eines Teams, Schuld, sowie den Kampf zwischen Gut und Böse.

Von Harry Potter werden magische Riten, die Kontaktaufnahme zu jenseitigen Mächten und Zauberei zur Bewältigung von Alltagsproblemen beworben. Er vertritt eine nichtchristliche Vorstellung von Gott, von Vergebung, Ethik und dem ewigen Leben. Harry Potter kann durch Zaubersprüche übernatürliche Mächte bändigen und mit Verstorbenen sprechen. Vor beidem wird in der Bibel deutlich gewarnt.

Die massiven Widersprüche zwischen den esoterischen Aussagen Harry Potters und der Bibel wurden in Bockenheim konsequent ausgeklammert. Der hier vorgestellte Gott vermittelt gute Gefühle und segnet alles ab, was sich ein Mensch gerade wünscht. Dass Gott auch auf falsches Verhalten hinweist, Veränderung will und am Ende des Lebens Rechenschaft fordert, wurde in diesem Harry Potter- Gottesdienst einfach übergangen. Letztlich ist Harry Potter ein Konkurrent zu Jesus Christus. Er befreit die Menschen von dem Bösen und eröffnet den Weg in eine glücklichere Zukunft.

Es ist durchaus sinnvoll, wenn Christen auf aktuelle Entwicklungen eingehen. Zweifellos bestimmen die religiösen Konzepte von Harry Potter das Denken vieler junger Menschen stärker als die Aussagen Jesu. Menschen rechnen heute mit der Realität übernatürlicher Mächte, mit Engeln, Hexen und der Wirksamkeit von Magie. Es ist notwendig, dass diese Vorstellungen in der Kirche aufgegriffen werden. Wenn christliche Glaubensaussagen aber hinter magischen Symbolen und Zaubersprüchen versteckt werden, wirkt das ziemlich verzweifelt. Fast scheint es so, als müssten Christen um Anerkennung betteln, weil manche ihrer Überzeugungen auch in den magischen Vorstellungen des populären Harry Potter wiederzufinden sind.

Wenn Christen auch übermorgen gesellschaftlich relevant sein wollen, dann sollten sie sich nicht an jeden politischen oder spirituellen Trend hängen; in der Hoffnung  damit auch noch etwas Aufmerksamkeit abzubekommen. Christliche Gemeinden werden nur dann überleben, wenn sie sich wieder auf ihre Kernkompetenz besinnen. Keiner braucht eine weitere Instanz, die auch noch über Klimaveränderung, Frauenförderung, magische Praktiken und gerechte Wirtschaftsverhältnisse diskutiert.

Wenn Kirchen den christlichen Glauben wieder ernst nehmen würden, dann könnten sie Sinn stiften, die großen Zusammenhänge des Lebens erklären, eine Perspektive über den Tod hinaus vermitteln, Werte prägen und Hoffnung vermitteln, Wege aus Schuld und Scheitern aufzeigen, sowie  ein Leben jenseits von Materialismus und Selbstinszenierung eröffnen. Dafür müssten Kirchen allerdings den tiefsitzenden  Zweifel an ihren eigenen Glaubensgrundlagen überwinden. Dann könnte sie Menschen und Gesellschaft weit mehr helfen, als durch halbherzige Bezüge zum religiösen und politischen Mainstream.

Momentan wird der Bereich spiritueller Konzepte sehr erfolgreich durch die zahlreichen Angebote der Esoterik besetzt. Mehrere Millionen Deutsche suchen hier Orientierung und Annahme. Dafür sind sie bereit viel Geld und Zeit zu investieren. Christlicher Glaube muss die Konkurrenz esoterischer Konzepte nicht fürchten. Man müsste nur das wieder mit Begeisterung vertreten, was christlichen Glauben über Jahrhunderte hinweg ausgezeichnet hat. Jedem spirituellen Trend lediglich nachzulaufen, um auch noch etwas Aufmerksamkeit abzubekommen ist vor allem ein Zeichen von Einfallslosigkeit und geistlicher Schwäche.

(von Michael Kotsch)

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