Noch ist es nicht wirklich lange her, da galt es als schweres Verbrechen, ungeborene Kinder zu töten. Dann ging man dazu über, das Interesse der Mutter über das Lebensrecht des Kindes zu stellen und akzeptierte die Tötung ungeborenen menschlichen Lebens als normalen, medizinischen Eingriff. Zwischenzeitlich ist es sogar soweit, dass alle, die sich für ungeborene Kinder einsetzen, in weiten Teilen der Gesellschaft als böswillige oder rückständige Menschen dargestellt werden. Grundlos würden sie Müttern ein schlechtes Gewissen einreden, wenn sie das in ihr heranwachsende Kind abtreiben. Außerdem wollten diese Leute Frauen ganz generell unterdrücken, wird dann gemutmaßt.
Die neue Bundesregierung plant Abtreibung nun noch weiter zu fördern und zu erleichtern. Künftig soll offene Werbung für Abtreibungen erlaubt sein, obwohl es sich bisher, rein juristisch gesehen, noch immer um eine Straftat handelt. Außerdem soll jeder kritische Protest in der Nähe von Abtreibungs- Einrichtungen generell verboten werden. Intern wird auch schon lange geplant, das gesetzliche Verbot der Tötung ungeborenen menschlichen Lebens aus § 218 STGB gleich ganz abzuschaffen. Dann gäbe es keinerlei echten Rechtschutz mehr für ungeborene Kinder. Noch allerdings fürchtet man die dann zu erwartenden gesellschaftlichen Proteste und den Widerstand der katholischen Kirche. Abtreibungs- Befürworter aber warten mittlerweile nur noch auf den passenden Zeitpunkt, um alle gesetzlichen Hürden ersatzlos abzuschaffen.
Mit sehr verschiedenen, manchmal auch widersprüchlichen Argumenten wird nach wie vor für die Verbreitung und Etablierung von Abtreibung gekämpft. Manche wollen die Tötung ungeborenen Lebens gerne sogar als „Menschenrecht“ etablieren. Man redet von einer unzulässigen Bevormundung von Frauen, wenn man dafür plädiert, dem in ihr befindlichen Embryo ein eignes Recht auf Leben zuzusprechen und ihn deshalb auch auszutragen. Andere argumentieren mit der Überbevölkerung, auch wenn diese in Europa momentan kaum ein wirkliches Problem ist. Wieder andere halten es für ökologischer, keine Kinder zu haben, weil diese zukünftig mutmaßlich nur zur weiteren Umweltverschmutzung und CO2– Emission beitragen würden. Dabei gibt es durchaus effektivere Wege sich ökologisch zu verhalten, ohne deshalb werdendes menschliches Leben zu töten. Zuweilen wird auch spekuliert, dass der sich entwickelnde Mensch später bestimmt unglücklich werden würde und deshalb besser erst gar nicht geboren werden sollte; was natürlich äußerst spekulativ und zudem ziemlich pessimistisch ist. Auf vergewaltigte Jugendliche oder Mütter mit gesundheitsgefährdeten Schwangerschaften wird in den letzten Jahren weniger hingewiesen, weil zwischenzeitlich fast jeder weiß, dass solche Gründe nur einem sehr kleinen Teil alltäglicher Abtreibungen zugrunde liegen.
Eigentlich ist es absurd, dass in einem Land, das sich vehement für Kinderrechte einsetzen und Familien stärken will, einem Land in der Einzelkinder häufig mit einer übertriebenen Menge von Konsumgütern, mit Zuneigung und Erwartungen zugeschüttet werden, andererseits das größte Überlebensrisiko eines Embryos nicht in medizinischen Risiken liegt, sondern im Willen seiner Mutter. Durch nichts sterben jedes Jahr so viele Kinder während der Schwangerschaft, wie durch eine bewusst herbeigeführte Abtreibung.
Aus meiner Sicht ist es höchst problematisch, wenn in Deutschland heute Frauen eher dazu geraten wird, das in ihr heranwachsende menschliche Leben zu töten als es zu erhalten. Den einen wird vermittelt, sie seien noch zu jung, den anderen sie seien zu alt. Wieder anderen wird nahegelegt, sie hätten schon genügend Kinder oder sie sollten doch erst an ihre Ausbildung, Karriere oder die Entwicklung und Umsetzung ihrer eigenen Wünsche denken. Noch andere werden an die Instabilität ihrer Partnerschaft erinnert. Am Ende gibt es scheinbar sehr viele Gründe gegen das nun einmal entstandene Kind in seiner ersten Lebensphase.
770 000 Menschen wurden 2020 in Deutschland geboren. 100 000 Kinder wurden im gleichen Zeitraum bereits vor der Geburt abgetrieben; zumeist weil sie nicht ins Lebenskonzept ihrer Eltern passten. Kaum etwas bedroht das Leben eines Kindes in diesem Alter stärker als die negative Entscheidung seiner Eltern.
Die nun von der neuen Bundesregierung geplante Zulassung von „Werbung“ für Abtreibung schwächt erneut das Lebensrecht aller ungeborenen Kinder. Schon bisher wird es Müttern in der Gesellschaft schwer gemacht, sich für Kinder und Familie zu entscheiden. Werbung, Politik und manchmal auch die eigenen Freuden vermitteln einem, dass ein gelungenes Lebens zuerst auf die Befriedigung der eigenen Interessen, auf möglichst viel Freiheit, Ungebundenheit und Genuss ausgereichtet sein sollte. Zumeist passt ein Kind da nur schwer hinein, zumindest in den meisten Phasen des Lebens.
Was deutlich nötiger wäre als weitere Erleichterungen von Abtreibungen, das ist eine schnelle seelsorgerliche und praktische Begleitung von Müttern, die unerwartet und manchmal auch ungewollt schwanger geworden sind. Es wäre wichtig ihnen Mut zu machen, die breite Palette von möglichen Hilfen vor Augen zu führen und sie in ihrem emotionalen Aufruhr mit klaren Überlegungen und echter Anteilnahme zu unterstützen.
Weitere Informationen zu Abtreibung und Lebensschutz finden sich in meinem neuen Buch: Michael Kotsch: Schutz des Lebens, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg.
(von Michael Kotsch)