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Der Christbaum erzählt seine Geschichte

Von Deutschland aus trat er ehemals seinen weltweiten Siegeszug an, der Christbaum, oder Weihnachtsbaum wie ihn auch einige nennen. Für viele ist er heute der Inbegriff des Weihnachtsfestes überhaupt. Auf Marktplätzen und in Einkaufszentren werden schon in der Adventszeit riesige, hell beleuchtet Christbäume aufgestellt. Selbst im entfernten China lieben viele Menschen die prächtig geschmückten Weihnachtsbäume; auch wenn man sich nicht immer ganz darüber im Klaren ist, was es mit diesem Brauch überhaupt auf sich hat.

Zeugen Jehovas sind sich absolut sicher, dass der Christbaum eigentlich aus heidnischen Religionen stammt; wahlweise von den Römern oder den alten Germanen. Tatsächlich wurden dort zu bestimmten Festen Bäume oder Zeige aufgestellt, oft für entsprechende Vegetationsgötter. Die These vom vorgeblich heidnischen Christbaum hatte sich insbesondere im 19.Jahrhudnert verbreitet, beispielsweise in der Romantik. Zu dieser Zeit lag manchen viel daran, die Gesellschaft zu säkularisieren und Bräuche zu entchristlichen; am effektivsten indem man sie spekulativ mit der Antike oder den alten Germanen in Verbindung brachte. Diese historischen Uminterpretationen wurden später nur selten wirklich bestätigt. Das hinderte die Nationalsozialisten allerdings nicht daran, diese These erneut für ihre Zwecke zu missbrauchen, mit dem Ziel, den ganzen christlichen Glauben germanisch umzudeuten. Auch sie waren natürlich begeistert von dem Gedanken, der allseits beliebte Christbaum sei eigentlich nicht christlich, sondern germanisch.

Historisch allerdings sieht sie Sache etwas anders aus. Der erste nachweisbare Christbaum taucht erst im 15.Jahrhundert im Elsass auf, einer Region, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als 500 Jahren christlich geprägt war. Hier bestand kaum eine Notwendigkeit oder auch nur Wahrscheinlichkeit, längst vergessene heidnische Bräuche wieder neu zu betonen, um sie dann mit dem christlichen Glauben zu vermischen. Vielleicht wäre so etwas denkbar in einer unübersichtlichen Missionssituation, nicht aber in einer Region, in der der Glaube bereits fest etabliert war.

Wahrscheinlich aber hat der Christbaum einen ganz anderen Hintergrund: Während der Vorweihnachtszeit führte man im Mittelalter nämlich religiöse Theaterstücke auf, mit denen den Menschen die biblischen Ereignisse ganz plastisch vor Augen gestellt werden sollten. Laien spielten in der Kirche die wesentlichen Szenen der Heilsgeschichte Gottes vor, von der Schöpfung bis hin zum himmlischen Gericht am Ende aller Zeiten. Solche Aufführungen konnten stundenlang dauern oder verteilten sich sogar über mehrere Tage. Gerade weil nur eine kleine Minderheit lesen und schreiben konnte, hatte eine solch anschauliche Vermittlung der biblischen Geschichte eine ganz besondere Bedeutung. Zumeist liebten die Menschen diese Aufführungen; sicher auch wegen ihres unterhaltsamen Charakters, da bei Ihnen weder Fernseher noch Computer für Abwechslung sorgten.

Eines der festen Elemente dieser kirchlichen Darstellungen der biblischen Heilsgeschichte war gewöhnlich der Christbaum. Darunter verstand man den schon im Schöpfungsbericht und dann auch am Ende der Zeiten in der Offenbarung erwähnte „Baum des Lebens“ (1Mose 3, 22; Offb 2, 7; 22, 14). Dieser wunderbare Baum konnte Mensch das ewige Leben vermitteln. Theologisch deutete man den „Baum des Lebens“ als das hölzerne Kreuz Jesu. Die Evangelien lassen auch keinerlei Zweifel, dass der Mensch Vergebung seiner Schuld und den Zugang zum Himmel allein durch den stellvertretenden und freiwilligen Tod Jesu am Kreuz bekommen kann. Deshalb, so war man damals fest überzeugt, müsse das aus Holz gefertigte Kreuz der eigentliche „Baum des Lebens“ sein. Und der irdische Beginn dieser Befreiungsgeschichte Gottes, ist demnach die Geburt Jesu, an die man sich so gerne und plastisch zu Weihnachten erinnerte. Damit ist auch geklärt, warum man seit dem Spätmittelalter eine Tanne aufstellte und keine Zweige anderer Bäume. Die meisten Bäume waren im Winter kahl und konnten deshalb schlecht als symbolischer Lebensbaum herhalten. Die Christbaumkugeln sollten die prächtigen aber eben doch unbekannten Früchte am „Baum des Lebens“ darstellen. Überhaupt sollte dieser Baum himmlisch geschmückt werden, weil er schließlich auch wieder in der Ewigkeit Gottes stehen würde.

Insbesondre während der Reformation war der Christbaum als Symbol für die Geburt Jesu äußerst beliebt. In katholischen Gegenden bevorzugte man vor allem die häufig sehr kunstvollen und individuellen Weihnachtskrippen, mit entsprechenden Figuren alle der Personen, die in der biblischen Geschichte der Geburt Jesu erwähnt werden. Heute lässt sich die Vorliebe für Christbaum oder Krippe natürlich nicht mehr so deutlich konfessionell zuordnen. Zwischenzeitlich schätzen auch Evangelische die Ausdrucksstärke schöner Weihnachtskrippen und Katholiken stellen sich gerne einen Christbaum in die Wohnung.

Grüne, geschmückte Zweige hingen schon im 16.Jahrhundert zu Weihnachten auch in Privatwohnungen, als Ersatz für den sperrigen Baum, den man zumeist nur in Kirchen und Palästen finden konnte. Das änderte sich im 18.Jahrhudnert, wo man auch dazu überging, den Christbaum mit Kerzen zu schmücken. Diese sollten nicht nur schön aussehen, sondern an Jesus als das „Licht das Welt“ erinnern, das mit seiner Geburt in die geistliche dunkle Welt gekommen war (Joh 1, 5). Im 19.Jahrhindrt verbreitet sich der Christbaum in ganz Deutschland und dann auch schon bald in der übrigen Welt. Jetzt ging man dazu über, die Geschenke, insbesondere die der Kinder, unter dem Baum zu dekorieren. Diese sollten an die Gaben erinnern, die die Weisen aus dem Morgenland Jesus, bzw. seinen Eltern, kurz nach dessen Geburt überreichten. Natürlich sollte es auch einfach darum gehen, den Kleinen eine Freude zu machen.

Wenn man sich der ursprünglich angedachten Bedeutung des Christbaums wirklich bewusst wird, dann wirkt der natürlich noch eindrucksvoller und symbolträchtiger. Der Christbaum erinnert dann an Gott, der zu Weihnachten aus der himmlischen Herrlichkeit auf diese Erde gekommen ist und gleichzeitig an seinen 33 Jahre später stattfindenden Tod, der Menschen die Vergebung ihrer Schuld und den Zugang zu Gott ermöglicht hat. Mitten in der dunklen und kalten Jahreszeit steht der Christbaum als Symbol für Leben, Wärme und die liebende Gegenwart Gottes.

(von Michael Kotsch)

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