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„Rabbi Jacob“ – Flugzeugentführung gegen Spielfilm

In den 1970er Jahren waren politisch motivierte Flugzeugentführungen fast an der Tagesordnung. Insbesondere palästinensische und linksorientierte Terroristen benutzten diesen Weg, um auf sich aufmerksam zu machen und ihre Forderungen durchzusetzen. Weniger bekannt ist eine Flugzeugentführung, die einen Spielfilm verhindern sollte.

Im Oktober 1973 brachte Danielle Cravenne, die Frau des französischen Filmproduzenten George Cravenne, eine Air-France-Maschine  auf dem Weg von Paris nach Nizza in ihre Gewalt. Sie erzwang eine Landung in Marseille und forderte ein Kinoverbot für den neuen Film „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ mit Luis de Funès. Sie hielt die Komödie für anti- palästinensisch und wollte sie deshalb um jeden Preis verhindern. Erfolgreich war Cravenne mit ihrem Terroranschlag allerdings nicht. Am 18. Oktober 1973 wurde sie im Rahmen der Geiselbefreiung von einem Eliteschützen der französischen Polizei tödlich verletzt. Am Abend desselben Tages kam „Rabbi Jacob“ in die französischen Kinos und wurde zu einem außerordentlichen Erfolg. Heute ist es einer der bekanntesten Filme des Komikers und Schauspielers Louis de Funès.

Im Kern handelt es sich bei „Rabbi Jacob“ um eine klassische Verwechslungsgeschichte. Auf der einen Seite ist da der etwas rassistische Industrielle Victor Buntspecht mit seinem jüdischen Chauffeur Salomon, auf dem Weg zur Hochzeit seiner Tochter. Dann gibt es Mohamed Larbi Slimane, den arabischen Revolutionär eines nicht näher genannten Staates, der in Paris von Geheimpolizisten seines Landes verfolgt wird. Außerdem tritt Rabbi Jacob aus New York auf, der nach vielen Jahren seine entferntere Familie in Frankreich besuchen will. Wie in einer Komödie üblich, wird natürlich mit gewissen Klitsches und Übertreibungen gearbeitet.

Louis de Funès als Victor Buntspecht ist ohne es zugeben zu wollen ein verkappter Ausländerfeind, für den jeder vernünftige Mensch hellhäutiger Franzose und katholisch sein muss. Nach einer Autopanne in ländlicher Umgebung sucht er nach Hilfe. Dabei stößt Buntspecht auf die Geheimpolizisten, die den Revolutionär zwischenzeitlich entführt haben, um ihn in einer verlassenen Fabrikhalle zu verhören und zu foltern. Durch sein überraschendes Erscheinen verhilft er dem Araber zur Flucht. Weil sie aber immer noch verfolgt werden, eignen sie sich die jüdisch- ultraorthodoxe Kleidung von Rabbi Jacob und seinem Begleiter an. Um unterzutauchen, spielen sie dessen Rolle und werden in der jüdischen Community von Paris als die sehnlich erwarteten Gäste aus Amerika willkommen geheißen. Hier gibt es dann allerlei Verwicklungen, weil Louis de Funès sich zuweilen eher wie ein katholischer Priester und nicht wie ein jüdischer Rabbiner verhält. Währenddessen nähern sich Araber, Juden und Franzosen aneinander an und erkennen die Vorurteile, die sie bisher getrennt hatten. Eine schlussendliche Verfolgungsjagd endet bei der Hochzeit von Buntspechts Tochter und mit der Ernennung des Revolutionärs zum rechtmäßigen Präsidenten seines Landes.

Insgesamt ist die Geschichte auch nach fast 50 Jahren noch immer äußerst amüsant und eigentlich ziemlich harmlos. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass der Film im Kern dabei helfen kann Feindbilder und Vorurteile zu überwinden; in diesem Fall zwischen eingebildeten Franzosen, arabischen Muslimen und orthodoxen Juden. Alle werden im Kern als liebenswerte Menschen dargestellt, die sich füreinander einsetzen, wenn es wirklich darauf ankommt. Die offen verwendeten Klischees wirken hier eher amüsant als anklagend oder erniedrigend. Trotzdem werden die Unterschiede der Religionen und Bräuche dabei nicht verwässert oder als irrelevant erklärt. In einer zeitgenössischen Kritik hieß es, der Film sei eine „witzige Verwechslungskomödie, gekonnt mit etwas Action und ironischen Seitenhieben auf Rassismus und politische Unzulänglichkeiten spickt.“ Am eindrücklichsten wird in „Rabbi Jacob“ ein Einblick in das oft eher verborgene Leben der französischen Juden gewährt. In einem Land mit ständig latentem Antisemitismus war schon alleine das eine positive Wirkung des sonst eher auf Unterhaltung abzielenden Films.

An den Kinokassen wurde „Rabbi Jacob“ ein durchschlagender Erfolg, und mit über 7 Millionen Eintritten allein in Frankreich zum meistgesehen Film des Jahres 1973. 1974 wurde er dann sogar für den Golden Globe Award als bester fremdsprachiger Film nominiert. Insgesamt handelt es sich um einen unterhaltenden Film mit einem deutlichen Plädoyer gegen Rassismus und religiös Intoleranz.

Durch den „Arabischen Frühling“ erfuhr der Film ganz neue Popularität, insbesondere wegen der Parallelen zwischen dem Drehbuch und der neuen, politischen Realität. In diesem Zusammenhang strahlte der französische Fernsehsender TF1 den Film im Dezember 2012 zur Hauptsendezeit erneut aus.

(von Michael Kotsch)

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