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John MacArthur irrt!

Der amerikanische Pastor John MacArthur ist auch in Deutschland wohlbekannt, nicht zuletzt aufgrund seiner weit verbreiteten Studienbibel. Jetzt hat der Gemeindeleiter zum Widertand gegen den Staat aufgerufen. Ausgangspunkt sind die momentanen Corona- Einschränkungen in Kalifornien. In einer zwischenzeitlich auch auf Deutsch übersetzten Stellungnahme fordert er dazu auf, sich über die staatlichen Versammlungsbeschränkungen hinwegzusetzen. Weil er als Theologe natürlich weiß, dass Christen eigentlich verpflichtet sind, sich den Ordnungen es Staates unterzuordnen, besteht der größte Teil seiner Ausführungen darin, genau diese Anweisung Gottes beispielsweise in Römer 13 zu relativieren.

Obwohl das eigentlich von niemandem wirklich infrage gestellt wird, betont MacArthur immer wieder, dass in der Gemeinde die Ältesten und nicht der Staat zu bestimmen haben. Keiner der staatlichen Vorgaben zu Corona aber fordert etwas anderes oder relativiert die geistliche Verantwortung der Ältesten; weder in Kalifornien, noch in Deutschland. Keine Corona- Verordnung verbietet christliche Glaubensgrundsätze oder ganz allgemein das Christsein. MacArthur fordert zu einem Entweder-oder auf, dass es so eigentlich gar nicht gibt. Vollkommen sachfremd führt er dann sogar noch religiöse Einmischungsversuche des Staates während der Refomrationszeit an. Dabei handelte es sich damals um eine grundsätzlich andere Situation, in der konkrete Glaubensinhalte verändert werden sollten.

Vollkommen unrechtmäßig begründet MacArthur seinen Aufruf zum politischen Ungehorsam mit der biblischen Aufforderung „Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Diese Aussage findet sich zweimal im Neuen Testament (Apg 4, 19; 5, 29). An beiden Stellen geht es um ein pauschales Verbot weiter über Jesus zu reden. Diese Anordnung der Obrigkeit wird dann deutlich zurückgewiesen. Der Christ ist von Gott eindeutig beauftragt worden, von seinem Glauben zu sprechen. An dieser Stelle steht Gottes Anordnung natürlich über dem staatlichen Verbot. Die wichtige Frage muss jetzt aber lauten: Gibt es eine biblische Verpflichtung zur Abhaltung von Großveranstaltungen? Die gibt es selbstverständlich nicht.

Die jetzigen Einschränkungen von größeren Menschenansammlungen sind keine Maßnahmen zur Unterdrückung des christlichen Glaubens, wie MacArthur suggeriert. Die gesetzlichen Verordnungen sind ganz eindeutig, alle größeren Veranstaltungen sind untersagt, bis die Corona- Infektionszahlen dauerhaft zurückgegangen sind. Bars, Kinos, Diskos, Fitnessclubs, sogar Schulen müssen in Kalifornien bis auf weiteres geschlossen bleiben. Nichts lässt erkennen, dass christliche Gottesdienste das eigentliche Ziel dieser staatlichen Schutzverordnungen sind. Ganz im Gegenteil spricht alles dafür, dass es sich hier um eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes handelt. Natürlich kann MacArthur die staatliche Einschätzung der Gefährlichkeit von Corona bezweifeln. Vielleicht hat er damit sogar Recht. Diese Einschätzung gibt biblisch gesehen aber noch lange keinen Freibrief staatliche Anordnungen einfach zu ignorieren. Die in der Bibel geforderte Unterordnung bezog sich auf einen Staat der Menschen unterdrückte, versklavte, ausbeutete und unrechtmäßig tötete, Christen massiv benachteiligte und den Götzendienst förderte. Trotzdem wird die Gemeinde in der Bibel nicht zum rechtsfreien Raum erklärt in dem die Ältesten generell über allen staatlichen Vorgaben stehen.

Alles was in der Gemeinde entschieden wird soll nach John MacArthur allein von den Ältesten bestimmt werden, ohne jedes Mitspracherecht des Staates. Mit dieser Argumentation schafft MacArthur in der Gemeinde indirekt einen rechtsfreien Raum. Hier hat der Staat nichts mehr zu sagen, sondern nur die Ältesten wiederholt MacArthur beständig. In der Konsequenz hätte eine solche Regelung fatale Auswirkungen: Gemeinden könnten Mitarbeiter nach Belieben entlassen, weil in der Gemeinde kein staatlicher Kündigungsschutz mehr gilt. In der Gemeinde dürfte dann gebaut werden, wie es einem gefällt, weil auch die Brandschutzvorschriften christliche Versammlungen möglicherweise beeinträchtigen könnten. Älteste könnten sich, wie leider schon passiert, aus der Gemeindekasse bedienen, weil es keine Macht mehr gibt, die in diesen Fragen über ihren steht. Staatliche Anordnungen einfach auszuhebeln, weil sie einem nicht gefallen, ist kein ehrlicher Umgang mit den Forderungen des Wortes Gottes. Dazu auch noch Bibelverse zu missbrauchen  ist reichlich problematisch. Ganz im Gegenteil wird in der Bibel sogar gefordert, dass der Älteste auch in seiner Unterordnung unter den Staat vorbildlich sein sollte (1Tim 3, 7, Tit 3, 1).

Jesus und Paulus haben unmissverständlich zur Unterordnung unter einen christenkritischen Staat aufgerufen. Als Paulus Römer 13 schrieb, regierte der diktatorische Nero, der später sogar Christen foltern und töten ließ. Trotzdem fordert er deutlich dazu auf, sich auch diesem Staat unterzuordnen, weil er von Gott eingesetzt ist (Röm 13, 1-7). Auch die Christen der ersten Jahrhunderte betrachteten die Gemeinde nicht als rechtsfreien Raum. Sie ordneten sich bereitwillig einem ungerechten, gottlosen Staat unter. Nur wenn die Regierung etwas von ihnen verlangte, das eindeutig im Gegensatz zu Anordnungen Jesu stand, dann weigerten sie sich mutig. In der Bibel gibt es aber keine Verpflichtung zu Großveranstaltungen. Das kalifornische Verbot betrifft weder das Bibellesen, noch das Beten oder die Treue in der Ehe. Zuhause kann man singen solange man will. Im Internet gibt es tausende von guten Predigten, die man sich ohne staatliche Einschränkungen anhören kann. Private Besuche von Christen sind weiterhin erlaubt usw.  Nicht der Glaube wird in Kalifornien verboten, sondern große Menschenansammlungen, wie die Gottesdienste in MacArthurs Mega- Gemeinde mit rund 9000 Besuchern.

In seiner ganzen von vielen Bibelversen durchzogenen Darstellung bleibt MacArthur die eigentliche Begründung schuldig, nämlich, wo die Bibel eindeutig die Abhaltung von Großkonferenzen und Gottesdienste in Megagemeinden fordert. Diese Bibelverse gibt es natürlich nicht.

Leider gibt MacArthurs Statement keine Auskunft darüber, ob er auch die Verantwortung für diejenigen übernimmt, die sich in den von ihm organisierten Veranstaltungen anstecken, ins Krankenhaus kommen oder sogar sterben. Konsequenter weise müsste er eine solche Zusage abgeben. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass genau das tatsächlich schon passiert ist. Gläubige haben sich auf christlichen Großveranstaltungen angesteckt, einige mussten daraufhin wochenlang ins Krankenhaus, einige starben sogar.

Bei John MacArthurs Aufforderungen zum staatlichen Ungehorsam drängt sich der Verdacht auf, dass er hier in erster Linie im eigenen Interesse spricht. Er ist der Veranstalter von Großkonferenzen und der Pastor einer Megagemeinde mit 9000 Gottesdienstbesuchern. Möglicherweise geht es in seinem Aufruf weit weniger um die Aufforderungen Jesu als um das Geschäftsmodel der „Grace Community Church“. Auch schon in der Vergangenheit hat John MacArthur deutliche biblische Aussagen uminterpretiert, wenn sie nicht zu den Interessen seiner Gemeindearbeit passten. Weil es beispielsweise auch in seiner Gemeinde einige Geschiedene gibt, schwächte der das strenge biblische Scheidungsverbot einfach ab. Weil er in der Gemeinde mit Eltern zu tun hat, deren Kinder schon sehr früh verstarben, erklärte er Kleinkinder generell als gerettet; auch wenn er dafür keinen biblischen Beleg anführen konnte.

Wenn der Staat den Glauben verbietet, oder untersagt zu beten, Bibel zu lesen, christliche Lieder zu singen usw., dann gilt natürlich „Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Wenn aber zeitweilig lediglich Großveranstaltungen verboten werden, einschließlich christlicher Gottesdienste, in Megagemeinden ist das wohl kein legitimer Grund, zum Widerstand gegen die Regierung aufzurufen.

(von Michael Kotsch)

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