Jeden Tag werden unzählige Entscheidungen getroffen. Gelegentlich bemerkt man kaum, dass man sich entschieden hat, weil man auch nicht wirklich über mögliche Alternativen nachgedacht hat. Man entscheidet morgens aufzustehen, sich anzuziehen, die Zähne zu putzen, zu frühstücken, zur Arbeit zu fahren usw. Prinzipiell könnte man auch anders entscheiden, doch relativ selten ändert man den gewohnten Tagesablauf, wenn es nicht unbedingt sein muss. Doch warum verhält man sich so? Warum trifft man immer wieder genau diese Entscheidungen und keine anderen?
Viele Menschen, insbesondere Männer, sind fest davon überzeugt, dass es für ihr Verhalten vernünftige, rationale Argumente gibt. Auf Nachfrage können sie ihr Verhalten oft auch begründen. Wenn sie ehrlich sind, geht es zumeist aber eher darum, sich zu rechtfertigen, als wirklich verschiedene Optionen gegeneinander abzuwägen. Man sucht einfach nach passenden Argumenten, die für das eigene Verhalten sprechen. Andere mögliche Entscheidungen werden dabei nicht mit der gleichen Intensität durchdacht. Wenn man ernsthaft damit beginnt bemerkt man recht schnell, dass es auch durchaus gute Gründe gibt den Tagesablauf oder das Leben ganz anders zu gestalten, als man das bisher gemacht hat.
Zugegeben, in manchen Situationen ist man nicht ganz Herr der Lage. Man ist von anderen Menschen oder Zwängen abhängig, die man nicht einfach ignorieren kann ohne dadurch in größere Probleme zu kommen. Bei der Arbeit beispielsweise gibt es feste Regeln und auch Anweisungen des Vorgesetzten die das eigene Handeln stark bestimmen. Man könnte natürlich auch einfach Kaffeetrinken statt eine Rechnung zu schreiben, den Kunden zu beraten oder das Auto zu reparieren. Manchmal wird das sogar klappen. Langfristig wird man sich bei einem solchen Verhalten aber wohl bald nach einer neuen Anstellung umsehen müssen. Selbst wenn man sein eigener Chef ist, gelten äußerer Regeln und Zwänge. Schließlich verdient man sein Geld gewöhnlich mit Kunden, die ein ganz bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung erwarten. Bekommen sie das nicht, weil man sich anders entscheidet, dann dauert es meist nicht lange, bis das Geschäft pleite ist.
Nicht nur bei der Arbeit, auch Zuhause ist man Erwartungen ausgesetzt, die das eigene Verhalten natürlich mitbestimmen. Auch der Ehepartner hat ganz konkrete Vorstellungen davon, wie die Wohnung eingerichtet werden soll, wofür man das Geld ausgibt oder die freie Zeit verwendet. Wer mit Kindern zusammenlebt, der muss sich auch noch mit deren Erwartungen auseinandersetzen. Wenn man nicht auf Dauerkonflikte aus ist oder seine Beziehung gleich ganz beenden will, dann ist es sinnvoll seine Entscheidungen nicht nur nach den eigenen Wünschen und Einsichten zu richten, sondern auch die anderen Menschen der näheren Umgebung zu berücksichtigen. Manchmal tut man dann etwas dem anderen zuliebe. Manchmal läuft es auf einen Kompromiss hinaus, bei dem beide zumindest etwas von dem umsetzen können, was sie gerne tun würden. Das ist zumeist auch nicht schlimm, sondern notwendig. Manchmal ist das auch bereichernd weil man, dann Dinge macht, die man sonst nicht getan hätte, die an sich aber durchaus lohnenswert sein könne, wenn man erst einmal seine vorgefertigte Ansicht beiseitegeschoben hat.
Die Arbeit und die Menschen, mit denen man zusammenlabt hat man sich irgendwie auch ausgesucht. In gewisser Weise hat man sich so auch dafür entscheiden, ihre Interessen bei den eigenen Entscheidungen zu berücksichtigen. Anders ist das bei äußeren Autoritäten, denen man unterworfen ist, ganz gleich ob man das nun will oder nicht. Sie schränken die eigene Entscheidungsfreiheit ganz deutlich ein und es besteht kaum eine wirklich erfolgversprechende Aussicht ihre Vorgaben einfach ignorieren zu können. Zuerst sind das natürlich die Naturgesetze. Man kann sich zwar frei entscheiden ab sofort nichts mehr zu essen. Schon bald aber wird man dann Hunger bekommen und langfristig sogar infolge dieser Entscheidung sterben. Man kann sich auch entscheiden bei 20 Grad unter null auf einer Decke im Garten zu schlafen. Gewöhnlich ist man dann aber am nächsten Morgen tot. Abgesehen von den Naturgesetzen gibt es in jedem Staat dieser Erde zahllose Gesetze, die die eigene Entscheidungsfreiheit ebenfalls deutlich einschränken. Man kann eben auf der Straße nicht einfach fahren wie man will, ohne deutliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Man kann in bestimmten Berufen nur mit der vorgeschriebenen Ausbildung tätig werden, sein Haus nur dort bauen, wo es erlaubt ist Man darf seinen Müll auch nicht einfach im nächsten Wald entsorgen oder um Mitternacht mit dem Presslufthammer arbeiten. In Deutschland wird die eigene Entscheidungsfreiheit alleine durch etwa 100 000 Gesetze und Verordnungen beschränkt; in vielen Fällen durchaus mit guten Gründen.
In den verbleibenden Lebensbereichen kann jeder Mensch verhältnismäßig frei entscheiden, wie er sich kleidet, was er isst oder glaubt. Hier ist es durchaus sinnvoll, logische Argumente heranzuziehen, um nicht nur rein zufällig zu denken oder handeln, sondern mit guten Gründen. Wer sich darauf einlässt, wird allerdings schon bald bemerken, dass es gewöhnlich verschieden Meinungen und Sichtweisen für fast jeden Bereich des Lebens gibt. Wer ehrlich vorgehen will, der darf hier nicht nur nach Argumenten dafür suchen, was er sowieso schon zu tun plant. So festigt man lediglich seine eigenen Vorurteile oder folgt dem Trend der Gesamtgesellschaft, bzw. der Szene in der man sich bequem eingerichtet hat. Um wirklich mit dem Verstand entscheiden zu können genügt es eben nicht, einige zusätzliche Gründe für seine bisherige Meinung zu sammeln. Mindestens ebenso gründlich muss man dann Gründe gegen diese Ansicht durchdenken und die guten Gründe für andere Sichtweisen prüfen. In jedem Fall hilft es bei wichtigen Fragen, die vielfach bewährten Erfahrungen und Maßstäbe der Bibel in die Überlegungen zur eigenen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (Ps 119, 105; Spr 2, 6).
Viel häufiger, als man sich das meist eingestehen will, sind die eigenen Entscheidungen auch durch bloße Gewohnheit bestimmt. Man ist von den Eltern erzogen worden seine Kleider auf diese Weise zusammenzulegen, das Essen auf diese Weise zu kochen, den Urlaub so zu erbringen oder auch Gott auf eine ganz bestimmte Weise einzuordnen, also macht man das dann so für den Rest des Lebens. Weil es mühsam ist bei jeder alltäglichen Entscheidung immer wieder neu darüber nachzudenken, warum man das denn genau so macht oder denkt, handelt man entsprechend einer übernommenen oder selbst ausgewählten Gewohnheit. Das ist eigentlich auch nicht problematisch, sondern ganz im Gegenteil äußerst hilfreich. Auf diese Weise kann man unverkrampft und schnell entscheiden ohne immer erst lange grübeln zu müssen. Allerdings kommt es jetzt darauf an, von wem man sich prägen lässt, wer die eigenen Gewohnheiten prägt und bestimmt. In den meisten Fällen entwickeln sich die Gewohnheiten, die unser Leben maßgeblich beeinflussen nämlich im Zusammeneben mit den Menschen, die uns nahestehen.
„Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir wer du bist!“ hat der deutsche Dichter Goethe in diesem Zusammenhang geäußert. De Freunde mit denen man seine meiste Zeit verbringt bestimmen immer auch maßgeblich das eigene Denken und Handeln, ob man das nun will oder nicht. Deshalb ist es wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, von wem man sich prägen lässt. Schon in der Bibel ist dieses Prinzip bekannt. Gott fordert deshalb dazu auf, viel Zeit mit ihm zu verbringen und mit anderen Menschen, die auch mit Gott leben wollen. Das prägt positiv. Dann fällt es deutlich leichter auch in einer weitgehend gottfernen Welt Gottes gute Maßstäbe zu verinnerlichen und sich von ihnen prägen zu lassen. Auch das ethisch richtige Leben und Denken fällt eben nicht einfach vom Himmel, es wird geprägt von der häufigen Gemeinschaft mit Gott und der Gemeinschaft mit Menschen, die auch auf Gott vertrauen. „Wie beneidenswert glücklich ist der, der nicht auf den Rat von Gottfernen hört, der sich an Sündern kein Beispiel nimmt und nicht mit Spöttern zusammensitzt, sondern Freude hat an der Ordnungen Gottes und Tag und Nacht über sein Gesetz nachdenkt! Der ist wie ein Baum, am Wasser gepflanzt, der Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Laub niemals verwelkt. Ja, was er auch immer tut, es wird für ihn gut sein.“ (Ps 1, 1-3; vgl. 2Kor 6, 14). Die Menschen mit denen man sich umgibt, mit denen man viel Gemeinschaft pflegt die bestimmen auch das eigene Leben, das eigene Denken und die eigenen Entscheidungen. Das ist dann nicht nur eine Frage des Zufalls, sondern einer ganz grundsätzlichen Entscheidung, die wiederum große Auswirkungen hat.
(von Michael Kotsch)