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Der „Isebel- Geist“!?

Der „Isebel- Geist“ ist eine spekulative Erfindung charismatischer Christen. In der Bibel wird mit dem Namen Isebel die Frau des israelischen Königs Ahab genannt. Sie hetzte ihren Mann dazu auf, Nabot illegal zu enteignen, um an seinen Weinberg zu kommen. Außerdem verführte sie das Volk zum Götzendienst. Später drohte Isebel den Propheten Elia ermorden zu lassen, weil dieser die Priester Baals getötet und das Volk wieder zurück zu Gott Jahwe geführt hatte.

Daneben wird in der Bibel nur noch einmal von einer Isebel gesprochen. In Offenbarung 2, 20 heißt es: „Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du es zulässt, dass die Frau Isebel, die sich eine Prophetin nennt, meine Knechte lehrt und verführt, Unzucht zu treiben und Götzenopfer zu essen.“. Diese Warnung ist Teil des Sendschreibens an die Gemeinde von Thyatira. Ob die Isebel aus der Offenbarung irgendetwas mit der des Alten Testaments zu tun hat, ist aus dem Bibeltext heraus nicht klar zu beantworten. Sehr deutlich wird in dem Sendschreiben vor einer Frau gewarnt, die in der Gemeinde als christliche Prophetin auftritt und andere zum Ehebruch verführt. Mit Unzucht ist in der Bibel oft aber auch Götzendienst gemeint, also das Brechen der „Ehe“ mit Gott. In diesem Fall verführt eine scheinbar christliche Prophetin dazu, vorgeblich geistlich zu handeln, in Wirklichkeit aber fremdreligiöse Ideen aufzunehmen und sich von dem Gott der Bibel zu entfernen.

Diese Warnung ist in der Charismatischen Bewegung natürlich ein Problem, weil dort sehr häufig angeblich christliche Prophetie ausgeübt wird; gelegentlich aber sogar nach esoterischen Methoden. Deshalb vernachlässigen charismatische Ausleger die unmittelbare Bedeutung des Textes und versuchen aus der Psychologie der alttestamentlichen Isebel eine andere Deutung der neutestamentlichen Warnung herauszulesen. Demnach handelt es sich bei dem „Isebel Geist“ aus dem Sendschreiben an Thyatira um eine Person, die versucht Menschen zu bestimmen und zu manipulieren, ohne selbst zur eigentlich legitimen Leitung zu gehören. Ganz wie Isebel, die ihren Mann den König beeinflusst, weil sie selbst über keine wirkliche Macht verfügt. Dann wird in charismatischen Kreisen häufig ausufernd psychologisiert, wie und wo man Menschen erkennen kann, die unterschwellig Macht ausüben oder kontrollieren wollen. Die eigentliche Warnung an die Gemeinde von Thyatira trifft das allerdings nicht. Obwohl verdecktes Machtstreben in der Bibel anderenorts durchaus angesprochen wird, nicht aber als „Isebel Geist“, was sofort an einen möglichen okkulten Hintergrund denken lässt. Diese Assoziation wiederum entspricht weitgehend dem Weltbild charismatischen Kreise.

Bei der charismatischen Beschäftigung mit dem „Isebel Geist“ wird dann auch darüber spekuliert, dass die historische Isebel ihre Macht über König Ahab durch sexuelle Verführung und kokette Schmeichelei bekommen haben soll; obwohl die Bibel darüber kein Wort verliert.

Besonders gefährlich, so wird weiter spekuliert, seien heute Frauen mit dem „Isebel Geist“, die sich vorgeblich sehr für die Gemeinde engagieren, ihr sogar Geld oder Grundstücke vermachen wollten. Verdeckt ginge es ihnen dabei aber vor allem um die Erzeugung von Abhängigkeiten und die Steigerung des eigenen Einflusses. Schon bald würden diese Frauen aus dem Hintergrund auftreten, um der Gemeinde ihre Form der „wahren Frömmigkeit“ aufzuzwingen.

Menschen mit dem endzeitlichen „Isebel Geist“ sind demnach kaum korrigierbar. Der Hauptgrund dafür ist ihre stolze, felsenfeste Überzeugung, allein dem wahren Gott und seinem Willen zu dienen. Eine solche Person lässt sich weder von der Gemeindeleitung noch von der Bibel etwas sagen, sondern bleibt bei ihren religiösen Konzepten, die sie massiv in der Gemeinde bewirbt. Natürlich gibt es auch Männer, die vom „Isebel Geist“ befallen sind. Oft greife Gott mit körperlichem oder seelischem Leiden ein, um diese, übermäßig selbstsichere Person zu Einsicht und Umkehr zu bringen.

Selbstsüchtig würden vom „Isebel Geist“ eigene Erfahrungen und Ziele in den Mittelpunkt gerückt. Überall mischt er sich durch die von ihm bestimmten Menschen ein. Mit Schmeichelei und verdeckt eingesetzter Sexualität versuchen Frauen ihren Einfluss zu sichern. Auch sexuelle Sünden könnten vermehrt in diesem Zusammenhang auftreten. Vom „Isebel Geist“  verwendete Methoden sind unter anderem Anklage, Seitenhiebe, Andeutungen, wiederkehrende Fragen und Infragestellungen. Gegen ihre Kritiker geht sie mit Intrigen und Verdächtigungen vor, oder mit besonders fromm wirkenden Gebeten. Wer von ihr angegriffen wird, verliert schnell den Mut und fühlt sich unbrauchbar.

Natürlich gab und gibt es in vielen Kirchen fromm wirkenden Machtmissbrauch. In charismatisch orientierten Gemeinden werden dafür gerne auch geistliche Eindrücke, vorgebliche Erfahrungen und Prophetien eingesetzt. All das ist von außen nur schwer überprüfbar und kaum jemand will in einer Gemeinde, die Prophetie allgemein schätzt, skeptische Anfragen stellen. Deshalb können auf solchen Wegen schnell auch esoterische Praktiken und Überzeugungen etabliert werden. Insofern ist es durchaus zu begrüßen, wenn charismatische Gemeinden dieses Problem erkennen. Der zu diesem Zweck konstruierte „Isebel Geist“ aber missbraucht seinerseits die entsprechenden Bibelverse. Hinter fromm verbrämten Machtmissbrauch muss sich eben nicht unbedingt ein okkulter Geist verbergen. Außerdem bietet das daraus abgeleitete psychologische Profil die Möglichkeit oder auch nur den Vorwand nun seinerseits gegen missliebige aber vielleicht berechtigte Kritiker in der Gemeinde vorzugehen. Hilfreicher als die Spekulation über einen „Isebel Geist“ wäre ein restriktiverer und vor allem biblischer Umgang mit Prophetien, Visionen, Erfahrungen und ähnlich spekulativen Dingen in charismatischen Kreisen. Wer den Missbrauch nicht an der Wurzel bekämpft, der versucht lediglich mit zweifelhaften Methoden ein Problem zu beheben, dass man durch mangelnde Geisterunterscheidung erst selbst geschaffen hat.

(von Michael Kotsch)

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