Die Auferstehung Jesu demonstriert seinen Triumph über Hölle, Tod und Teufel. Jedes Jahr zu Ostern erinnern sich Christen ganz besonders an dieses Ereignis. Für Paulus ist es sogar das zentrale Fundament christlicher Ewigkeitshoffnung (1Kor 15, 14).
Bei einigen biblischen Berichten über die Erscheinungen des Auferstandenen wundert sich der heutige Leser, dass Menschen, die Jesus gut kannten, ihn scheinbar nicht auf Anhieb identifizierten. Da ist zum Beispiel Maria, die frühmorgens zum leeren Grab kam und weinte, weil sie den Leichnam Jesu nicht finden konnte. Dann sprach Jesus zu ihr und im ersten Moment hielt sie ihn für einen Gärtner. Schon nach wenigen Augenblicken allerdings erkannte sie ihn dann doch (Joh 20, 11-18). Später erschien Jesus im Kreis seiner Jünger und sie hielten ihn zuerst für einen Geist (Lk 24, 36-43). In Markus 16, 12 ist zu lesen, dass Jesus zwei Jüngern „in einer anderen Gestalt“ erschienen war. Besonders erstaunlich ist das Erlebnis von zwei Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus. Stundenlang unterhielten sie sich mit Jesus ohne ihn dabei zu erkennen. Erst als sie am Abend zum Essen zusammensaßen, wurde ihnen ganz plötzlich klar, wer da gerade bei ihnen war (Lk 24, 13-35). Bei allen diesen Erscheinungen des auferstandenen Jesus werden interessierte Bibelleser verwundert fragen, warum Menschen, die gut mit Jesus bekannt waren, ihn dann nicht auf Anhieb wiedererkannten.
Zuerst gibt es bei jeder einzelnen der genannten Bibelstellen Aspekte, die das Wiedererkennen erschwert haben könnte. Maria erwartete nicht, Jesus zu sehen. Ganz im Gegenteil; sie wusste, dass er tot war und Tote reden gewöhnlich nicht mehr mit ihren Freunden. Wenn man es für unmöglich hält, eine Person zu treffen, wird man einen Menschen, der einem plötzlich über den Weg läuft, natürlich nicht gleich für diese verstorbene Person halten. Dazu kommt, dass Maria verweinte Augen hatte und schon allein deshalb nicht klar sehen konnte. Nach einigen wenigen Sätzen war sie sich dann übrigens doch sehr schnell im Klaren darüber, dass sie mit Jesus sprach. Wo die Junger Jesus kurzzeitig für einen Geist hielten, wird nicht gesagt, dass sie Jesus prinzipiell nicht erkannten. Sie hielten ihn aus gutem Grund für tot. Wenn ein Toter vor ihnen erschien, musste es sich demnach um den Geist des Verstorbenen handeln, dachten sie durchaus nachvollziehbar. An dieser Stelle geht es nicht darum, dass die Jünger ihn prinzipiell nicht erkannt hätten, sondern darum, dass sie immer noch nicht mit einer Auferstehung des Toten rechneten. Deshalb zeigte Jesus ihnen, dass er nicht nur ein Geist war, sondern, dass er leibhaftig auferstanden war. Auch bei den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus ist es naheliegend, dass sie nicht erwarteten Jesus hier zu reffen. Außerdem spricht einiges dafür, dass es schon dunkel war und sie ohne Beleuchtung sowieso nur schlecht sehen konnten; immerhin kehrten sie schon ziemlich bald zur Übernachtung ein. Es könnte auch sein, dass Jesus, wie damals bei Reisenden durchaus üblich, eine Kapuze trug, die sein Gesicht teilweise verdeckte. Allerdings wird in diesem Zusammenhang auch von einer „veränderten Gestalt“ Jesu gesprochen.
Bevor wir uns damit beschäftigen, soll aber doch noch darauf hingewiesen werden, dass die Menschen, denen Jesus begegnete nicht jedes Mal unsicher waren, wen sie gerade trafen. Bei der Erscheinung Jesu vor seiner Himmelfahrt beispielsweise wird nicht erwähnt, dass er den Jüngern fremd erschien (Mk 16, 14-19; Joh 20, 16-23). Als Jesus zwei Frauen begegnet, die gerade vom leeren Grab kamen, hatten die auch keine Schwierigkeiten, Jesus zu identifizieren (Mt 28, 9-10). Die elf Jünger, die Jesus auf einem Berg in Galiläa trafen, erkannten ihn auch sofort (Mt 28, 16-20). Ebenso erging es Thomas, als der auferstandene Jesus ihm begegnete (Joh 20, 24-29). Es ist also durchaus nicht so, dass alle Menschen Schwierigkeiten hatten Jesus nach seiner Auferstehung wiederzuerkennen.
Gleichzeitig spricht aber auch schon Einiges dafür, dass Jesus nach seiner Auferstehung äußerlich verändert war. Beispielsweise konnte er mit seinem neuen Körper plötzlich erscheinen und dann wieder verschwinden oder einfach durch Wände gehen (Lk 24, 31; Joh 20, 26). Im Gegensatz zu anderen Menschen, die durch ein Wunder Gottes wieder lebendig wurden, nach einigenden Jahren dann aber doch noch einmal starben (Mk 5, 22ff; Lk 7, 14; Joh 11, 34-44), hatte Jesus schon einen Auferstehungskörper, den auch Christen für die Ewigkeit von Gott versprochen bekommen haben (Röm 6, 5; 1Kor 15, 20-23). Der neue Körper unterscheidet sich in vielen Aspekten von dem vergänglichen, irdischen. „Es wird gesät ein natürlicher Leib, und es wird auferweckt ein geistlicher Leib. Es gibt einen natürlichen Leib, und es gibt einen geistlichen Leib.“ (1Kor 15, 44). Der neue Körper hat beispielsweise nicht mehr unter den Folgen des Sündenfalls zu leiden, also unter Krankheit, Alter und Tod Off 21, 4).
Auch Jesu alter, irdischer Körper war von all diesen Dingen gekennzeichnet, sein Auferstehungskörper aber eben nicht. Folglich musste er seinen Freunden seltsam anders erscheinen, als sie ihn aus den Tagen vor seinem Tod in Erinnerung hatten. Genau das ist auch damit gemeint, wenn berichtet wird, dass Jesus den Jüngern „in anderer Gestalt“ erschien (Mk 16, 12). Auferstehende Menschen haben einen optimalen Körper, wie ihn Gott ursprünglich für den Betreffenden gedacht hatte. In der Ewigkeit existiert der Mensch glücklicherweise nicht in dem Zustand in dem er gestorben war, also zumeist alt und krank, sondern perfekt nach der eigentlichen Konzeption Gottes. Folglich fehlten auch bei dem Auferstehungskörper Jesu die Zeichen des Leidens und Alterns; abgesehen von den Wunden der Kreuzigung, die ihn beglaubigen sollten. Mit diesem grundsätzlich veränderten Körper rechneten viele Freude Jesu nicht und hatten deshalb natürlich gewisse Probleme, ihn sofort wiederzuerkennen.
(von Michael Kotsch)