Mit seiner strikten Ablehnung staatlicher Gesundheitsvorgaben für Gemeinden hat John MacArthur, Pastor einer kalifornischen Megagemeinde, auch in Deutschland für zahlreiche Diskussionen gesorgt. Trotz verschiedener biblischer Aufforderungen, sich dem Staat unterzuordnen, hatte MacArthur erklärt, in allen Belangen der Gemeinde sei nur die Entscheidung der Ältesten relevant, der Staat habe hier keine Weisungsbefugnis.
Durch MacArthurs Stellungnahme und die Kommentare deutscher Befürworter dieser Position sind zwischenzeitlich in Gemeinden Aussagen im Umlauf, die nicht der tatsächlichen Situation entsprechen. Einige dieser Behauptungen sollen zur Klärung der Verhältnisse deshalb hier genannt werden:
MacArthur hatte behauptet, es gäbe im Zusammenhang mit Corona keine wirklich relevante Gefahr, die eine staatlich geforderte Einschränkung der Gottesdienste rechtfertigen würde. Zwischenzeitlich sind alleine in den USA 400 000 Menschen an Corona gestorben. Die Übersterblichkeit, also die Zahl der mehr als im langjährigen Durchschnitt Gestorbenen, betrug in den USA im vergangenen Jahr 300 000 Menschen. Allein im Großraum Los Angeles, in dem sich auch MacArthurs Gemeinde befindet sterben Anfang Januar 2021 täglich 100 Menschen infolge von Corona. Die Intensivbetten aller Kliniken der Region sind hoffnungslos überfüllt. Manche schwerkranken Patienten werden nicht einmal mehr abgeholt. Es ist beängstigend, wie ein Theologe meint, die Gefährlichkeit von Corona besser einschätzen zu können als die qualifizierten Mediziner seines Landes.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, die Gerichte hätten seiner Sicht der Dinge zugestimmt. Diese Aussage ist falsch. – Lediglich die Anwälte von John MacArthur haben seiner Sichtweise absoluter Gottesdienstfreiheit auch in Zeiten einer allgemeinen Pandemie zugestimmt. Dafür wurden sie allerdings auch engagiert. Das Gericht hatte sich eher skeptisch geäußert, aber MacArthurs Rechtfertigungsversuch zumindest für den noch ausstehenden Prozess zugelassen. Die meisten juristischen Beobachter in Kalifornien äußern sich derzeit aber eher kritisch.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, Gottesdienste seien seit Frühjahr 2020 in Kalifornien generell nicht zulässig gewesen. Das ist falsch. – Ähnlich wie in Deutschland waren Gottesdienste während der meisten Zeit unter Auflagen zugelassen, Gottesdienste mit weniger Besuchern, Gottesdienste im Freien, Gottesdienste mit Masken und Abstand. MacArthur aber hatte sich gegen alle diese staatlich erlaubten Möglichkeiten entschieden und wollte seine Veranstaltungen prinzipiell ohne alle Schutzmaßnahmen abhalten.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, die kalifornischen Gottesdienstverbote seien ein „Angriff auf die Religionsfreiheit“ und den christlichen Glauben. Das ist falsch. – Zeitgleich mit christlichen Gottesdiensten wurden ebenfalls alle größeren Zusammenkünfte von Muslimen, Juden und Buddhisten untersagt, ebenso Konzerte, politische Treffen in geschlossenen Räumen und andere ähnliche Großveranstaltungen. In einer Region wie Südkalifornien, in der sehr viele evangelikale Christen leben, wäre es für jeden Politiker auch im eigenen Interesse vollkommen abwegig, sich öffentlich gegen Gemeinden zu stellen. Dadurch würden ihre Chancen wiedergewählt zu werden nur drastisch sinken.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, Christen müssten sich nur einem „gerechten Staat“ unterordnen. Das ist falsch. – Sowohl Jesus als auch alle Christen des Neuen Testamentes lebten in einem Staat, der sich weit weniger nach christlichen Maßstäben orientierte als Deutschland oder die USA heute. Trotzdem forderten Paulus und Petrus unmissverständlich zur Unterordnung der Gläubigen auf (Röm 13, 1+2; 1Petr 2, 13-15). Wenn Gott eine Herrschaft einsetzt, bedeutet das eben nicht, dass diese Regierung immer auch nach den Maßstäben der Bibel handelt oder im Interesse der Christen. Allein wenn ein Christ gezwungen werden soll, zu sündigen oder wenn ihm verboten wird über Jesus Christus zu sprechen gilt „Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen“.
Mit Berufung auf Professor Bhakdi wurde in der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme ganz generell die Gefährlichkeit von Corona infrage gestellt. Dabei wurde aber weder berücksichtigt, dass Professor Bhakdi nie selber an Corona gearbeitet hat, noch dass sich einige seiner Aussagen mittlerweile als absolut falsch herausgestellt haben. Beispielseise hatte er in seinem Buch „Corona Fehlalarm?“ geschrieben die Corona- Epidemie sei eigentlich bereits im April 2020 vorbei. Ohne eigene Forschungen hatte Professor Bhakdi auch behauptet, Corona sein nicht gefährlicher als eine normale Grippe. Angesichts von Todeszahlen, die trotz aller Schutzmaßnahmen mehrfach höher sind als bei einer gewöhnlichen Influenza hat sich auch diese Behauptung mittlerweile ganz klar als falsch herausgestellt.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, in der wissenschaftlichen Einordnung von Corona gäbe es grundsätzlich unterschiedliche, gleichwertige Meinungen. Diese Annahme ist falsch. – Unter den weltweit an Corona forschenden Wissenschaftlern besteht eine 95% Übereinstimmung in der Gefährlichkeit des Virus und in der Notwendigkeit seiner Bekämpfung. Selbst schwedische Spezialisten, die erst skeptisch waren stimmen dieser Beurteilung der Situation zwischenzeitlich zu. Lediglich eine kleine Minderheit von Medizinern, die selber nicht an Corona geforscht haben, stellt die Gefährlichkeit des Virus infrage.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, es gäbe aufgrund von Corona keine Übersterblichkeit und kaum Corona- Patienten in Krankenhäusern. Das ist falsch. – Nach Auswertung der Sterbedaten wurde in den vergangenen Monaten in Deutschland eine Übersterblichkeit von über 15 % festgestellt. In einigen Regionen können die Krankenhäuser zwischenzeitlich nicht mehr alle Corona- Patienten behandeln, trotz aller Schutzmaßnahmen, die zu einer Einschränkung der Krankheit beitragen. Entgegen den Aussagen MacArthurs hat sich Corona gerade in den USA mit zwischenzeitlich 400 000 Toten als besonders gefährlich erwiesen.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde eingewandt, die staatlichen Maßnahmen wären vollkommen übertrieben, weil sowieso nur sehr alte und vorbelastete Personen wirklich gefährdet seien. Nach Auskunft von Medizinern trifft das in Deutschland aber auf 27 Millionen Menschen zu, also rund ein Drittel der Bevölkerung. Corona als Problem einiger weniger zu interpretieren ist folglich unzutreffend.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, der Staat verletzte das Grundgesetzt und habe deshalb seine Autorität für Christen verloren. Unter anderem wurde auf die im Grundgesetzt garantierte Freizügigkeit verwiesen, die durch Reiseverbote verletzt werde. Dabei wurde aber nicht erwähnt, dass diese Freizügigkeit unter anderem bei Seuchengefahr zeitweilig außer Kraft gesetzt werden kann. Demnach sind die Corona- Verordnungen des Staates durchaus konform mit den Aussagend es Grundgesetzes.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme wurde behauptet, „den Staat geht es nichts an, wie wir Gott dienen.“ Das ist sowohl biblisch als auch juristisch falsch. Natürlich gelten grundsätzliche staatlichen Regeln unhinterfragt auch für Gottesdienstveranstaltungen. Dazu gehören die Einhaltung der allgemeinen Menschenrechte, das Verbot der Ruhestörung, Bauordnungen, Brandschutzvorschriften usw.
In der deutschen Diskussion um MacArthurs Stellungnahme berief man sich häufig auf Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther. Die allerdings verhielten sich bei einer Pandemie durchaus anders als MacArthur. Zitat Luther: „Wenn Gott tödliche Seuchen schickt, will ich Gott bitten, gnädig zu sein und der Seuche zu wehren. Dann will ich das Haus räuchern und lüften, Arznei geben und nehmen, Orte meiden, wo man mich nicht braucht, damit ich nicht andere vergifte und anstecke und ihnen durch meine Nachlässigkeit eine Ursache zum Tode werde. Wenn mein Nächster mich aber braucht, so will ich weder Ort noch Person meiden, sondern frei zu ihm gehen und helfen. Siehe, das ist ein gottesfürchtiger Glaube, der nicht tollkühn und dumm und dreist ist und Gott nicht versucht.“
Es ist wichtig, dass Christen auch in herausfordernden Zeiten wie Corona ihre Orientierung an der Bibel und ihr Vertrauen in die Herrschaft Gottes nicht verlieren. Beim Austausch von sachlichen Argumenten sollten Christen im Sinne der Wahrhaftigkeit ihre Quellen gründlich prüfen und wichtige Aspekte nicht einfach übergehen, weil sie dem eigenen Blickwinkel widersprechen.
(von Michael Kotsch)
Eine Antwort auf „John MacArthur – Falsche Informationen“
Danke für die umsichtige, faktenbezogene, enthüllende und biblisch wie historisch (Luther…) fundierte Einordnung in diesen schwierigen, meinungsintensiven und oft mehr als problematischen (Diskurs)Zeiten.
Alles Liebe, Gute und Schöne
Michael