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Homöopathie. Heilende Energie!?

Die überwiegend naturwissenschaftlich begründete Medizin gehört heute ganz selbstverständlich zum Alltag der meisten Europäer. Das war nicht immer so. Über Jahrhunderte hinweg wurde das Gesundheitswesen von magischen Konzepten dominiert. In manchen Fällen erwies sich der Einsatz von Kräutern und Massagen durchaus als hilfreich. Oft aber schadeten diese Behandlungen den Kranken mehr als sie nutzten. Natürlich kann auch die wissenschaftlich basierte Medizin keine Wunder bewirken und nicht jede Krankheit heilen. Manchmal lösen Medikamente und Operationen sogar weitere Probleme aus. Weil naturwissenschaftlich begründete Medizin die oft überzogenen Erwartungen nicht erfüllen kann, wenden sich viele Menschen zwischenzeitlich alternativen Heilkonzepten zu. Zahlreiche in diesem Zusammenhang angebotene Therapien versprechen umfassende Gesundheit, sowohl für den Körper als auch für die Seele. Grenzen zwischen Religion und Medizin sind hier schwammig geworden. Nicht selten werden vollkommen überzogene Heilungserwartungen gefördert. Manche dieser Therapien oder Wundermittel versprechen fast jedes körperliche oder seelische Problem zu lindern.

Seit vielen Jahrzehnten gehört die Homöopathie in Deutschland zu den bekanntesten und beliebtesten Methoden der sogenannten Komplementärmedizin. Das Vertrauen in Homöopathie ist groß, obwohl die entsprechenden Mittel wissenschaftlich gesehen durchaus zweifelhaft sind. Etwa 500 Millionen Euro geben die Deutschen jährlich für homöopathische Globuli und Tröpfchen aus; mit leicht sinkender Tendenz.

Viele sehen in der Homöopathie ein vollkommen anderes, spirituelles Konzept von Heilung. Manche missverstehen Homöopathie aber auch als eine Form der Pflanzenheilkunde. Nach ihrem Gründer Samuel Hahnemann (1755-1843) will die Homöopathie aber genau das gar nicht sein. Hier setzt man nicht auf die pharmazeutisch wirksamen Substanzen in Heilkräutern. Stattdessen sollen die vorgeblich in homöopathischen Mediakneten enthaltenen „Energien“ die „verstimmte“ Lebensenergie des Patienten neu stimulieren. Aus homöopathischer Sicht ist jede Krankheit eine Folge dieser, aus dem Gleichgewicht gekommenen „Lebensenergie“.

Das erste Prinzip der Homöopathie geht davon aus, dass ein Mensch nicht durch Bakterien, körperliche Abnutzung oder die Aufnahme schädlicher Substanzen krank wird. Eine solche Suchtweise war Hahnemann entschieden zu materialistisch. Seiner Meinung nach können äußere Einflüsse einem Menschen erst dann schaden, wenn seine „Lebensenergie“ geschwächt ist. Deshalb geht es in der Homöopathie vor allem darum, diese „Energie“ bei einem Kranken zu stärken und nicht etwa darum, Fieber zu senken, Geschwüre zu entfernen oder Bakterien zu bekämpfen. Wird erst die wissenschaftlich nicht fassbare „Lebensenergie“ gestärkt, dann wird der Körper ganz alleine mit allen Problemen fertig; behaupten Homöopathen.

Das zweite Prinzip der Homöopathie behauptet, dass eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Symptome auslöst, eben diese Symptome bei einem Kranken beseitigt. „Gleiches heilt Gleiches“, heißt das im internen Sprachgebrauch der Homöopathie. Bekommt beispielsweise ein gesunder  Mensch durch eine bestimmte Substanz Kopfschmerzen, dann kann er diese Substanz  im Krankheitsfall gegen Kopfschmerzen einsetzen.

Das dritte Prinzip der Homöopathie behauptet, dass ein Heilmittel immer wirksamer wird, je mehr man es verdünnt. Dieser Prozess der Verdünnung wird von Homöopathen „Potenzierung“ genannt. Irgendwann ist statistisch gesehen kein einziges Molekül der ursprünglichen Pflanze mehr im homöopathischen Medikament enthalten. Das ist nach Hahnemann aber auch gar nicht notwendig. Homöopathischen Vorstellungen zufolge kommt die Besserung nicht aus materiellen Substanzen der Heilpflanze sondern deren aus einer wissenschaftlich nicht feststellbaren „Energie“. Diese Energie würde durch den Prozess des Verdünnens immer stärker, behaupten Homöopathen.

Homöopathie will gerade keine Pflanzenmedizin sein, weil es ihr nicht auf ätherische Öle oder spezifische chemische Verbindungen ankommt, sondern auf die nicht messbare „Energie“ einer Ausgangssubstanz. Bei ihren Verdünnungen greift Homöopathie sowohl auf Pflanzen, als auch auf tierische und mineralische Ausgangsstoffe zurück. Bei höheren Verdünnungen ist davon allerdings nichts mehr im Medikament zu finden.

Die meisten Nutzer homöopathischer Medikamente beschäftigen sich nur wenig mit dem dahinterliegenden Konzept der homöopathischen Weltanschauung. Für sie ist die Homöopathie einfach eine „natürliche“ Heilmethode, sanft und mutmaßlich ohne Nebenwirkungen. Hahnemann aber, der Gründer der Homöopathie, war fest davon überzeugt, dass seine Medikamente nur funktionieren, wenn man von seinem Weltbild ausgeht. Eine falsche Einnahme homöopathischer Mittel könne demnach zu schwersten Nebenwirkungen führen; ausgelöst durch die hoch konzentrierte Energie, die sie enthalten sollen.

Viele Menschen interessiert die weltanschauliche Diskussion um homöopathische Medikamente nicht wirklich. Man setzt einfach auf deren Wirksamkeit. Weil man sich nach der Einnahme eines homöopathischen Medikaments bessrer gefühlt hat oder so etwas von einem Bekannten gehört hat, greift man zu diesen Mitteln. Durchaus berechtigte Zweifel am Konzept und der Wirksamkeit homöopathischer Medikamente meint man vernachlässigen zu können.

Besonders beliebt war die Homöopathie übrigens in der Zeit des Nationalsozialismus. Massiv gefördert von den Nazis wurden sogar spezielle homöopathische Krankenhäuser eingerichtet. Man betrachtete die Homöopathie als typisch „arische“ Medizin; im Gegensatz zu rein naturwissenschaftlichen Ansätzen, die man als „jüdische“ Medizin kritisierte. Trotz dieses umfassenden Vorschussvertrauens konnten die groß angelegten Studien dieser Zeit aber keine besondere Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen. Auch durch spätere Studien wurde die mangelhafte Wirksamkeit homöopathischer Mittel mehrfach belegt. Zwar gibt es durchaus zahlreiche persönliche Erfahrungen scheinbarer Besserung. Zumeist kann man diese aber nicht einfach verallgemeinern. Wer Homöopathie generell positiv gegenübersteht, der wird sich irgendwann auch einmal besser fühlen, kurz nachdem er homöopathische Mittel eingenommen hat. Ob und inwiefern es zwischen der Einnahme und er subjektiven Besserung einen Zusammenhang gibt, konnte trotz jahrzehntelanger wissenschaftlicher Untersuchungen bisher nicht nachgewiesen werden.

Im Gegensatz zu anderen Medikamenten muss für die Zulassung homöopathischer Mittel keine Wirksamkeit belegt werden. Es genügt, lediglich nachzuweisen, dass sie keinen Schaden verursachen können. Weil homöopathische Medikamente oft keinerlei Wirkstoff mehr enthalten, ist das zumeist auch relativ einfach zu belegen. Vieles deutet darauf hin, dass Homöopathie vor allem als sogenannter Placebo wirkt, also aufgrund der psychischen Erwartung einer Besserung. Dieser Effekt konnte mehrfach sogar bei Tieren nachgewiesen werden.

Wenn kein messbarer Wirkstoff mehr in einem homöopathischen Medikament nachweisbar ist, kann auch kaum mit einer messbaren Wirkung gerechnet werden. Sollte das dennoch der Fall sein, dann müsste man auf ein bisher unbekanntes Naturgesetz schließen oder auf psychische Phänomene oder auf das Eingreifen einer göttlichen Kraft.

Weil sie wissenschaftlich gesehen nutzlos sind, sollen homöopathische Medikamente nun wieder aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden. In diesem Zusammenhang gibt es auch Überlegungen, andere Zuzahlungen für esoterisch ausgerichtete Therapien zu reduzieren. Am Ende muss natürlich jeder selbst entscheiden, wem oder was er sein Vertrauen schenkt. Wenn es um die körperliche und seelische Gesundheit geht, sollte man allerdings immer gut überlegen, worauf man sich einlässt.

Heilung ist wahrscheinlich immer willkommen. Allerdings sollte man doch wissen unter welchen Umständen sie geschieht. Anderenfalls können sich später ungeahnte Folgen und Nebenwirkungen einstellen; körperlich und seelisch. Eine momentane Besserung muss nicht auch langfristig positiv sein. Ganz besonders gilt das, wenn man nicht genau sagen kann, was hier auf welche Weise wirken soll. Fremden Energien oder Weltanschauungen liefern sich verantwortungsvolle Menschen nicht vorschnell aus. Erst wollen sie sicher gehen, dass die entsprechenden „Energien“ das Leben nicht unerwünscht beeinflussen, vielleicht auch erst deutlich später.

Eine wirkliche Alternative zur wissenschaftsbasierten Medizin ist die Homöopathie jedenfalls nicht. Bei ernsthaften Erkrankungen sollte man sich deshalb nicht alleine auf deren Angebote verlassen. Wenn man die Erklärung des Homöopathie- Gründers Samuel Hahnemann für wahr hält, dann wird der Patient durch eine Art geistiger Energie geheilt und durch sein Vertrauen auf diese Methode. Christen, die sich keinen unbekannten Kräften aussetzen wollen, sollten Homöopathie deshalb eher kritisch gegenüberstehen.

Christen stimmen der Homöopathie darin zu, dass Krankheit vielfach nicht nur naturwissenschaftlich erklärt werden kann. Sie wissen auch, dass neben rein materialistischen Hintergründen oft eben auch seelische und geistliche Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Allerdings können diese Probleme nicht durch magisch aufgeladene Homöopathie beseitigt werden, sondern nur durch seelsorgerliche Hilfe und letztendlich durch Gott.

(von Michael Kotsch)

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