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In Brasilien

Im Vergleich zu Deutschland ist Brasilien ein unermesslich großer Staat mit vollkommen unterschiedlichen Landschaften. Hier gibt es endlos lange Meeresstrände und große Urwaldgebiete, Wüsten und riesige Städte. Im Vergleich zu Europa sind viele Teile Brasiliens noch gar nicht so lange erschlossen und besiedelt. Hier leben Menschen zusammen deren Vorfahren aus den Ländern Europas, aus Afrika und aus verschiedenen indigenen Völkern Südamerikas stammen.

Manchmal wird vergessen, dass Portugiesisch nicht nur in Portugal und Brasilien gesprochen wird sondern auch im afrikanischen Mosambik und Angola; sowie einigen kleineren Ländern. Weltweit sprechen deutlich mehr Menschen Portugiesisch als Deutsch, alleine in Brasilien 214 Millionen.

Im Vergleich zu Deutschen sind viele Brasilianer lockerer, kontaktfreudiger und freundlicher. Gewöhnlich kommt man mit Brasilianern leicht ins Gespräch; auch über Gott. Jahrhundertelang wurde Brasilien von der katholischen Kirche geprägt. Mit der Eroberung des Kontinents durch Spanier und Portugiesen wurden die indigenen Völker weitgehend verdrängt und der Katholizismus auch mit Zwang durchgesetzt. Oft kam es dabei zu einem Synkretismus, indem der christliche Glaube mit indianischen und afrikanischen Elementen vermischt wurde. Viele Brasilianer betreiben Macumba, Voodoo oder Umbanda, obwohl sie formal gesehen Katholiken sind. Ehemalige indianische Götter werden auch weiterhin verehrt, jetzt als katholische Heilige.

Im Oktober 2023 war ich als Redner zu einer einmal jährlich, nahe Sao Paulo stattfindenden Konferenz des Mitternachtsruf eingeladen. In diesem Jahr kamen hier für vier Tage über 700 Teilnehmer aus dem ganzen Land zusammen. Das große Überthema der Konferenz war „biblische Prophetie“. Ich habe über die Bedeutung der Prophetie in den ersten Jahrhunderten einer verfolgten Christenheit gesprochen. Außerdem konnte ich deutlich machen, welche entscheidende Rolle biblische Prophetie im 18.Jahrhundert beim pietistischen Aufbruch zur Weltmission gespielt hat. In einem weiteren Vortrag hatte ich über typische Eheprobleme gesprochen und auf biblische Lösungsansätze hingewiesen, die teilweise auch prophetischen Charakter haben.

Auf der Konferenz des Mitternachtsrufs waren viele Christen aus konservativen Brüderversammlungen, aber auch aus Pfingstgemeineden. Manche Aussagen meiner Vorträge wurden deshalb durch ein zustimmendes „Amen“ oder „Halleluja“ vom Publikum unterstrichen. Trotz unterschiedlichen theologischen Sichtweisen kam es unter den Teilnehmern zu keinen aggressiven Konfrontationen. Stattdessen gab es viele angeregte Gespräche.

In einem ziemlich großen Raum war ein Büchermarkt aufgebaut, der von den Teilnehmern zwischen den Veranstaltungen besucht wurden. Unter den Konferenzbesuchern waren viele Pastoren und Gemeinde- Mitarbeiter, die sich gerne mit entsprechender Literatur eindeckten. Darunter befand sich auch mein neu ins Portugiesische übersetzte Buch „Helden des Glaubens“.

Ursprünglich wurde der Mitternachtsruf von Wim Malgo in der Schweiz gegründet. Man will hier vor der bald anbrechenden Endzeit, als der „Mitternacht“ der Weltgeschichte, Menschen zur Umkehr zu Gott rufen. Heute ist der Mitternachtsruf ein internationales Missionswerk. Mehrere Niederlassungen befinden sich auch in Südamerika. In Brasilien steht die Literaturarbeit im Vordergrund. Jährlich werden hier vom Mitternachtsruf erstaunliche 200 Millionen Traktate gedruckt und weitergegeben. Außerdem werden zehntausende christliche Fachbücher hergestellt, die von Christen verschiedener Konfessionen gekauft und gelesen werden.

Im Anschluss an die Konferenz des Mitternachtsrufs habe ich einen Tag bei „Wort des Lebens“ in der Nähe von Sao Paulo verbracht. Hier finden regelmäßig Jugend- und Familiencamps statt. Außerdem befindet sie hier eine Bibelschule mit rund 80 Studierenden. Die Dozenten legen großen Wert auf die Gültigkeit der Bibel in allen Lebensbereichen und auf die Praxis des Glaubens.  Am Sonntag war ich in einer brasilianischen Gemeinde mit etwa 200 Gottesdienstbesuchern. Zuerst gab es eine nach Alter und Glaubensstand aufgeteilte Sonntagsschule, in der es um die systematische Erklärung biblischer Inhalte ging. Der nach einer Pause stattfindende Gottesdienst verlief durchaus ähnlich wie in Deutschland. Auch wenn alle Lieder auf Portugiesisch gesungen wurden, konnte ich einige anhand der Melodie erkenne.

Junge, motivierte Christen aus Brasilien sind heute überall auf der Welt in der christlichen Mission anzutreffen. Sie sind von Jesus begeistert, bereit ihre Heimat zu verlassen und auch relativ einfach zu leben, wenn das nötig ist. Obwohl sehr viele Brasilianer religiös sind und der Atheismus eher ein Randphänomen ist, wächst gerade in den Städten der Säkularismus. Mit einer zunehmenden Mittelschicht steigen die materiellen Ansprüche. Auch der Einfluss aus den USA und Europa fördern Materialismus und Säkularismus. Manche Brasilianer sind enttäuscht von dem traditionellen Katholizismus, sowie von charismatischen Gesundheits- und Wohlstandsversprechungen.

Die meisten evangelikalen Christen Brasiliens gehören zu Pfingstgemeinden, die ethisch und theologisch ziemlich konservativ sind. Eine wachsende Zahl schließt sich momentan charismatischen Gruppen an, die mehr über Wohlstand, Prophetie und Wunder sprechen als über Jesus und die Bibel. Überall finden sich selbst ernannte Propheten und Apostel, auf der Suche nach Anhängern. Manche skurrile Gruppen sind kaum noch als Christen erkennbar. Magie, Ekstase und Esoterik sind hier wichtiger als der Jesus der Bibel.

Noch immer zieht es viel Brasilianer vom Land in die riesigen Städte. Mit ihren fast endlosen Vorstädten umfassen Megastädte wie Rio de Janeiro und Sao Paulo mehr jeweils mehr als 20 Millionen Menschen. Dort ist es allerdings auch teurer als auf dem Land, weshalb viele Zuwanderer in Armut und Kriminalität abrutschen.

Kriminalität ist insbesondere in den brasilianischen Städten ein echtes Problem. Ich sprach gleich mit mehreren Christen in deren Haus eingebrochen wurde, die ausgeraubt oder sogar entführt worden waren. In vielen Stadtteilen regieren in Wirklichkeit Kriminelle, zumeist Drogenhändler. Die Polizei kann auch deshalb nur wenig gegen die Kriminalität ausrichten, weil Verbrecher unter dem Schutz des Gesetzes stehen. Mit guten Anwälten, die sich viele durchaus leisten können, kommt es nur selten zu einer empfindlichen Gefängnishaft.

Wer sich nicht davor scheut, eine andere Kultur kennenzulernen und sich vielleicht sogar auf die Mission in einem portugiesischsprachigen Land vorbereiten will, ist mit der Bibelschule von „Wort des Lebens“ („Word of Life“) in der Nähe von Sao Paulo sicher gut bedient. Neben einer gründlichen theologischen Ausbildung trifft man hier motivierte Christen aus anderen südamerikanischen Ländern.

(von Michael Kotsch)

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